Hochgeschwindigkeitsstrecken in China

Vor wenigen Jahren hatte China noch kein sehr gutes Bahnnetz für die Größe und Einwohnerzahl des Landes. Ein paar Strecken, aber die Vereinigten Staaten hatten sicher ein viel längeres Streckennetz. Das mag auch heute noch gelten, wenn man die reine Streckenlänge misst. Immerhin war 2007 ein Nachtzug von Chansha nach Peking nur 13 Stunden unterwegs auf einer Strecke, die etwa 1700 km lang ist. Für eine „konventionelle“ Strecke von dieser Länge ist das kein schlechter Schnitt, schon gar nicht für einen Nachtzug. In den Vereinigten Staaten hat man auf so langen Strecken eher einen 80er Schnitt zu erwarten. Allerdings warf man in China damals auch viel von dem Potential der Bahn weg, indem man den Fahrgästen solche Gepäckdurchleuchtungen wie beim Flughafen abverlangte, was etwa eine halbe Stunde vor der Abfahrt kostete und das Bahnreisen umständlich machte.

Aber innerhalb von weniger als zehn Jahren hat sich China das mit Abstand längste Netz an Hochgeschwindigkeitsstrecken der Welt gebaut und damit „Platzhirsche“ in diesem Bereich wie Japan, Frankreich, Spanien, Deutschland, Italien und Schweden locker überrundet. Man kann das jetzt leicht damit abtun, dass das Land so dicht besiedelt ist, so viele Leute hat, relativ niedrige Löhne und damit günstige Baukosten hat und dass ein autoritärer Staat seine Projekte ohne Diskussion durchziehen kann. Und China ist natürlich ein industrialisiertes Schwellenland geworden, dass zu solchen Projekten in der Lage ist. Und der Ausbau scheint ja auch in kaum verringertem Tempo weiterzugehen. Man kann auch noch nicht einmal sagen, dass China nun sehr stark auf die Bahn setzt, weil China sich in den letzten Jahrzehnten auch das mit Abstand längste Autobahnnetz der Welt zugelegt hat.

Wie sieht es in anderen Ländern aus? Ein typisches Szenario ist, dass solche Projekte für schnelle Bahnstrecken endlos lange dauern, ihre Kosten sehr hoch sind und eher noch überschritten werden und dass es nach Jahrzehnten vielleicht doch noch zur Einweihung kommt. Sehr viele Länder, auch Schwellenländer, erwägen solche Hochgeschindigkeitsstrecken zu bauen oder deren Netz zu erweitern, zum Beispiel Brasilien und Argentinien in Südamerika, Mexiko, die Vereinigten Staaten (zusätzlich zu dem bestehenden relativ kurzen Streckenabschnitt von Boston über New York nach Washington), etliche arabische Länder, z.B. Marokko und die Staaten des Golf Kooperationsrats, Iran, Russland, die Türkei, neuerdings etwas ernsthafter Indien und recht viele Staaten in Ost- und Südostasien.

Interessant ist aber, warum es außer China praktisch keinem anderen Land gelingt, diese Neubaustrecken einigermaßen zügig zu bauen. Einige Länder haben etwas weniger Geld, dann aber auch noch niedrigere Baukosten. Oder mehr Geld. Einige Länder haben auch autoritäre Strukturen… Länder in Form eines schmalen Streifens wie Vietnam oder Chile würden sich direkt anbieten, weil schon eine Nord-Süd-Strecke recht viel bringen könnte. Chile mag ja zu wenige Einwohner haben, aber Vietnam ist recht dicht besiedelt und sollte ein recht hohes Fahrgastpotential aufweisen. Dass derartige Projekte in den Vereinigten Staaten endlos verschleppt werden, kann man vielleicht noch damit erklären, dass dort die Auto-, Flugzeug- und Öllobbys sehr viel Einfluss haben.

Trotzdem bleibt es eine interessante Frage, wieso ausgerechnet in China in so kurzer Zeit so ein Hochgeschwindigkeitsnetz entstehen kann. während es fast überall sonst lange braucht oder gar nicht zustande kommt.

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