„Früher“ ging man zum Bahnhof, kaufte eine Fahrkarte zu einem beliebigen Ziel in Europa und fuhr damit. Jeder Staat hatte seine Bahn, aber alle Bahnen waren Teil eines europaweiten Systems und arbeiteten zusammen, zumindest bei so essentiellen Dingen.
Später redete man mehr von „Europa“. Man bekam z.T. sogar eine Fahrkarte aus dem Computer, konnte Reservierungen auch europaweit mache, was „früher“ immer zwei Besuche beim Bahnhof erforderte. Aber man sah auch, dass bei den „Streckenstilllegungen“ sehr oft ein Muster vorkam, dass die Strecken bis kurz vor der Grenze weiterhin betrieben wurden, von beiden Seiten, aber der eigentliche grenzüberschreitende Abschnitt fehlte. Zum Teil wurden diese Strecken inzwischen auch wieder eröffnet, z.B. Gronau – Enschede oder Niebüll – Tondern.
Aber wenn man heute Fahrkarten für eine internationale Verbindung kauft, bekommt man oft einen ganzen Stapel Fahrkarten in die Hand gedrückt und es ist für den Verkäufer am Schalter (und erst recht für den Kunden, der es selber im Internet kauft) oft schwierig, die überhaupt hinzubekommen.
Eine weitere Neuerung scheint zu sein, dass man für viele wichtige Verbindungen die Fahrkarten gar nicht mehr am Schalter bekommt. Z.B. fahren Thalys-Züge von Köln nach Brüssel, aber die Fahrkarten dafür verkauft die DB nicht am Schalter. Jetzt muss man sich für eine Bahnfahrt mühsam die Fahrkarten von verschiedenen Webseiten zusammenkaufen.
Es wird Zeit, dass die Bahnen wieder für die Fahrgäste und nicht für die Börse optimiert werden. Und dass man ein System hat, das sich aus verschiedenen Bahngesellschaften zusammensetzt. Die Komplexität dieses Systems sollten die Bahngesellschaften abfangen und es sollte nicht auf den Fahrgast abgewälzt werden. Die Schweiz ist hier vorbildlich. Mit sehr vielen inländischen Verkehrsbetrieben und Bahngesellschaften neben der SBB findet man doch in der Regel an jedem Fahrkartenschalter bzw. am Automat der Bahn das ganze inländische Angebot, zumindest für den Bahnverkehr.
Es wäre schön, wenn wir in Deutschland eine Regierung hätten, die darauf setzt, dass es einen guten und fahrgastfreundlichen Bahnverkehr gibt, nicht nur für Pendler, sondern auch für Gelegenheitsreisende auf internationalen Verbindungen. Aber die „Trinkgelder“, die von Auto- und Ölindustrie gezahlt werden, sind wahrscheinlich für die meisten deutschen Politiker interessanter.
Der Markt kann viele Dinge richten. Bahnverkehr lebt aber von großen Volumina, die typischerweise nur einmal vorhanden sind, und von einer Infrastruktur, die man nur einmal aufbauen kann. Und von möglichst dichten Taktfolgen, die man mit derselben Fahrkarte nutzen kann. Schnell werden Züge, wenn sie viele Halte auslassen, ohne dass deren Bedienung leidet, weil es genug Züge gibt, um sowohl oft genug zu halten als auch vorbeizufahren. Wir brauchen ein gutes Bahnsystem. Ob das intern über mehrere Bahngesellschaften organisiert ist, wie in der Schweiz, oder ob es wirklich eine große Bahn ist, ist ein Implementierungsdetail. Europaweit ist es sowieso aus vielen Gesellschaften zusammengesetzt, denn kaum ein Mensch wünscht sich eine einzige europaweite Bahngesellschaft, in der alle nationalen Bahngesellschaften fusioniert sind. Ich will nur als Fahrgast nicht viel davon merken.