Signale oder Ampeln?

Wer mit offenen Augen im Zug unterwegs ist, wird sicher irgendwann gesehen haben, dass neben den Gleisen Signale stehen, die oft ein bisschen ähnlich wie Ampeln aussehen und mindestens die Farben Rot und Grün auch verwenden. Im Gegensatz zum Straßenverkehr fährt man bei der Bahn aber fast nie „auf Sicht“, sondern ein Zug bekommt immer einen gewissen Streckenabschnitt exklusiv zugewiesen. Das nennt sich Blocksystem..

In einer einfachen Form kann man bei einer zweigleisigen Strecke annehmen, dass jedes Gleis für eine Richtung vorgesehen ist. Auf der Strecke werden Züge erkannt und wenn ein Zug sich in einem solchen Streckenabschnitt befindet, wird dieser und der vorhergehende Streckenabschnitt für nachfolgende Züge gesperrt. Es gibt verschiedene Arten von Signalen, hier relevant sind Vorsignale und Hauptsignale. Das Vorsignal steht in einem definierten Abstand vor dem Hauptsignal, in Deutschland auf Hauptstrecken normalerweise 1000 m. Es kündigt an, wie die Stellung des nachfolgenden Hauptsignals sein wird, bei dem der Zug gegebenenfalls anhalten muss. Also ein gelbes Vorsignal steht für ein rotes Hauptsignal. Da die normale Höchstgeschwindigkeit für Hauptstrecken 160 km/h ist, sofern nicht das Gelände oder der Streckenzustand zu niedrigeren Geschwindigkeiten zwingt, müssen Züge so gebaut sein, dass sie bei 160 km/h zuverlässig auf einem Bremsweg von einem Kilometer zum Stehen kommen, sonst dürfen sie nicht so schnell fahren. Außerdem wird die Stellung der Signale mit einem Elektromagneten an den Zug übermittelt und wenn der Lokführer auf ein Signal nicht reagiert, wird automatisch eine Schnellbremsung ausgelöst. Solange diese Systeme alle zuverlässig funktionieren, kann also nichts passieren. Häufig sind auf viel befahrenen Strecken die Hauptsignale auch im Abstand von einem Kilometer aufgestellt, so dass immer ein Vorsignal und ein Hauptsignal nebeneinander oder nahe beieinander stehen. Im Vereinigten Königreich hat man eine britische Meile als Abstand favorisiert. Das hat es erlaubt, mit dem vorhandenen Signalsystem 200 km/h zu fahren. Weil die Streckenkapazität durch die längeren Abstände auch entsprechend geringer war, hat man dort schon im 19. Jahrhundert einen größeren Teil der Strecken als anderswo in Europa viergleisig ausgebaut.

Nun werden heute zweigleisige Strecken häufig im Gleiswechselbetrieb verwendet. Das bedeutet, dass beide Gleise für beide Richtungen genutzt werden können und entsprechende Signale aufgestellt sind. Trotzdem fahren die meisten Bahnen in Europa normalerweise im „Linksverkehr“, nur in Deutschland fährt die Bahn rechts. Der Gleiswechselbetrieb ist also eher für das Ausweichen bei Störungen oder für einzelne gleichzeitig fahrende Züge gedacht als für eine wilde Mischung nach dem Zufallsprinzip. Nun hat man bei eingleisigen Strecken oder bei Strecken im Gleiswechselbetrieb das Problem, dass ein Abschnitt der Strecke für eine Fahrtrichtung reserviert werden muss. In der Gegenrichtung ist dann alles rot und in der freigegebenen Richtung kann es grün sein, soweit die Strecke frei ist. Noch komplizierter wird es bei Bahnhöfen und bei Abzweigungen, wo viele Weichen involviert sind. Aber auch hier kommt das Prinzip zum Einsatz, dass man für einen Zug eine „Fahrstraße“ reserviert und die Weichen entsprechend stellt und alle damit kollidierenden Fahrten auf „rot“ stellt. Wenn das alles funktioniert kann also auch in diesen komplexen Situationen nichts passieren. Man sieht allerdings oft eine Situation, wo auf Sicht gefahren wird. Wenn im Kopfbahnhof ein Zug die Richtung wechselt und dafür eine neue Lok bekommt, fährt oft die abghängte Lok, die den Zug in den Bahnhof gezogen hat, unmittelbar nach Abfahrt des Zuges diesem hinterher und wartet dann aber am Ende der Bahnsteige auf ihre eigene Fahrstraße.

Diese Mechanismen konnte man schon in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts mit reiner Mechanik umsetzen und die letzten mechanischen Stellwerke in der Schweiz und in Deutschland waren zumindest vor wenigen Jahren noch zu sehen. Neuere Stellwerke funktionieren elektronisch, aber man treibt dabei einen extrem hohen Aufwand, um die Zuverlässigkeit dieser Systeme zu erhöhen.

Diese Signalsysteme haben sich eigentlich bewährt, aber es gibt doch einige gravierende Nachteile:

  • Jedes Land hat sein eigenes System und Loks, die in verschiedenen Ländern unterwegs sind, müssen alle Systeme für die Übertragung der Signalstellung (z.B. für Deutschland: Indusi) beherrschen.
  • Durch die starren Streckenblöcke wird die Streckenkapazität nicht optimal ausgenutzt
  • Man möchte gerne mit manchen Zügen schneller als 160 km/h fahren

Herausgekommen sind Systeme, die die Signale nicht mehr am Streckenrand positionieren, sondern auf einem Anzeigegerät in der Lok. Dadurch kann man die Mindestabstände zum vorigen Zug abhängig von der Geschwindigkeit festlegen. So etwas haben viele Länder in Europa selber entwickelt, z.B. LZB in Deutschland. Seit einigen Jahren gibt es aber auch endlich ein EU-weit genormtes System, ETCS, das ironischerweise ausgerechnet von der Schweiz zur Serienreife entwickelt wurde, weil die Schweiz noch kein eigenes System für Geschwindigkeiten über 160 km/h zur Verfügung hatte, als die Neubaustrecken von Bern nach Olten und durch den neuen Lötschbergtunnel eröffnet wurden. So war es eine vernünftige Entscheidung, das theoretisch fertige, aber noch nicht hinreichend praxiserprobte ETCS zu verwenden. Es gab dann die witzige Situation, dass die Schweiz der deutschen Bahn Geld dafür gegeben hat, um ICE-Züge für das EU-konforme Signalsystem auszurüsten, damit sie von Berlin über Basel nach Interlaken-Ost fahren können. Inzwischen werden aber nach und nach Strecken damit ausgerüstet oder sogar umgerüstet. Ein schmerzhafter Rückschlag war die neu gebaute Betuweroute von der deutschen Grenze nach Rotterdam, wo man sich ganz auf das neue ETCS verlassen hat und dann in der ersten Zeit keine Signale zur Verfügung hatte. So erklärte man die ganze 160 km lange Strecke zu einem Block und es konnte immer nur ein Güterzug pro Richtung unterwegs sein. Alle Strecken auf das neue System umzubauen kostet Milliarden (nicht Millionen) und bringt dem Bahnreisenden keinen unmittelbaren Vorteil, deshalb wird der Umbau sich wohl über Jahrzehnte hinziehen, dann aber Rationalisierungspotential bringen, weil nur noch ein Signalsystem für einen großen Teil von Europa (EU+Schweiz+weitere Länder) unterstützt werden muss und weil die Strecken besser ausgenutzt werden können.

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