Güterverkehr: Fragen zur Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs

Güterverkehr ist ein Thema, das uns nur indirekt betrifft. Aber es ist interessant, darüber auch gelegentlich etwas zu schreiben.

Beim Personenverkehr halte ich es für sinnvoll, diesen durch eine Staatsbahn durchzuführen oder zumindest zu koordinieren.

Im Gegensatz dazu ist mir beim Schienengüterverkehr kein wirklich überzeugendes Argument bekannt, diesen langfristig in den Händen eines Staatsbetriebs zu halten. Ich denke also, dass man die Güterverkehrssparten der Staatsbahnen in Tochtergesellschaften auslagern sollte und diese vollständig privatisieren sollte. Die Aufgabe des Staats im Güterverkehr sollte bei der Bereitstellung der Verkehrswege enden. Im Gegensatz zu Privatpersonen können Firmen mit Transportbedarf oft schon so große Teile eines Güterzugs füllen, dass die Organisation in den Händen von Privatfirmen funktionieren sollte. Und im Gegensatz zum Personenvkehr, wo man den Standpunkt vertreten kann, dass es eine öffentliche Aufgabe ist, es Menschen zu ermöglichen, zu anderen Orten zu reisen, kann man beim Güterverkehr die Verfügbarkeit von Transportdienstleistungen ganz dem Rentabilitätsprinzip überlassen.

Es gibt sicher heute Wettbewerbsverzerrungen beim Güterverkehr, die überwiegend zu einer Bevorzugung des Lkw-Verkehr führen:

  • Lastwagenchauffeure sind mehr und mehr zu Löhnen und Bedingungen in den kostengünstigsten Ländern Europas angestellt, Bahnpersonal ist überwiegend in dem Land angestellt, wo die Züge fahren.
  • Für Güterzüge werden schon fast überall Trassenpreise für die Benutzung der Bahnstrecke verlangt, Lastwagen fahren noch auf vielen Straßen mautfrei. Ich glaube, dass nur die Schweiz eine flächendeckende Maut für Lastwagen hat.
  • Güterverkehr verursacht Emissionen (Lärm, Giftstoffe in den Abgasen, Treibhausgase) und Unfälle. Es sollte sich in der Kostenstruktur mehr als heute wiederspiegeln, wie hoch diese externen negativen Wirkungen der Transporte sind.
  • Beim Bahnverkehr und auch beim Schienengüterverkehr wird (meistens) sehr genau darauf geachtet, dass Sicherheitsvorschriften, Arbeitsgesetze und Umweltvorschriften eingehalten werden. Dagegen gibt es wohl bei Lkw-Speditionen häufiger schwarze Schafe, die auf Kosten der Sicherheit und der Gesundheit ihrer Mitarbeiter sparen.
  • Beim Straßenverkehr hat man schon seit Jahrzehnten eine europaweite Vereinheitlichung erreicht. Verkehrsregeln und Zulassungsvorschriften sind weitestgehend harmonisiert und Fahrzeuge und Chauffeure können problemlos europaweit fahren.
  • Beim Schienengüterverkehr gab es früher oft lange Aufenthalte an den innereuropäischen Grenzen. Das ist wohl schon besser geworden.

Das sind aber alles Dinge, die sich lösen ließen:

  • Durch bessere Kontrollen in Bereichen, wo viele schwarze Schafe unterwegs sind, kann man das Sparen auf Kosten der Sicherheit, Umwelt und Gesundheit der Mitarbeiter erschweren.
  • Eine flächendeckende Lkw-Maut in sinnvoller Höhe würde den Wettbewerbsnachteil der Bahn in diesem Punkt beseitigen und könnte sogar den Emissionen und dem höheren Unfallrisiko des Straßengüterverkehrs zumindest teilweise Rechnung tragen. Die Schweizer haben seit etwa 10 Jahren das Knowhow, wie man so etwas einführt.
  • Es ist sinnvoll, die Vereinheitlichung der Signalsysteme (ETCS) voranzubringen. Das wird noch Jahrzehnte dauern, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.
  • Wir müssen damit rechnen, dass in Zukunft mehr polnische, rumänische, kroatische, ungarische und tschechische Bahngesellschaften in den westlicheren EU-Ländern und der Schweiz mit ihren Güterzügen unterwegs sein werden.

Tatsächlich ist es eigentlich erstaunlich, dass noch so ein großer Teil des Güterverkehrs mit Lastwagen durchgeführt wird, weil jeweils für eine Zuladung von etwa 25 Tonnen ein eigener Lastwagenchauffeur benötigt wird und ein teurer Lastwagen unterhalten werden muss. Dagegen reicht ein Lokführer für einen Güterzug mit 50 Wagen und da ist es vielleicht nicht einmal so schlimm, wenn der zu teureren Konditionen als der Lkw-Chauffeur angestellt ist. Das Bild ändert sich natürlich, wenn man sich anschaut, wie viele Leute drumherum noch arbeiten müssen, damit der Güterzug fährt. Trotzdem glaube ich, dass bei entsprechend effizientem Betrieb der Güterzug für längere Transporte oder für größere Transportvolumina in der Lage sein müsste, den Lkw weitgehend zu verdrängen.

Man kann sich sicher einmal den Güterverkehr in Nordamerika anschauen, wo erstaunlicherweise die Bahn einen höheren Anteil am Frachtaufkommen als in Europa hat. Dabei sind dort die Bahngesellschaften Besitzer und Betreiber der Bahnstrecken, während die Lastwagen auf staatlich finanzierten Straßen fast unterwegs sind.
Nun gibt es einige Unterschiede.

Ein großer Nachteil für den Güterverkehr ist in Europa die Schraubenkupplung. Diese macht das Trennen und zusammenfügen von Zügen aufwendig, aber der größere Nachteil ist, dass diese Schraubenkupplung die Anhängelasten begrenzt. Man kann damit die ganz großen Güterzüge nicht ziehen, weil die Kupplungen reißen würden. In Russland und Nordamerika hat man eine automatisch einrastende Kupplung und keine Puffer, weil diese Kupplung auch Schub übertragen kann. In Kanada habe ich Güterzüge von etwa 3 km Länge und mit 120 Wagen und 5 Loks gesehen, in den Rocky Mountains soll man bis zu 13 Loks anhängen. So viel hält die dortige Kupplung aus. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie automatisch einrastet. Man muss nur an einen Wagen oder Zugteil langsam heranfahren und dann hängt sich dieser von selber an. Nur die Bremsschläuche muss man noch von Hand verbinden. Zum Trennen muss man einen Hebel ziehen. Sehr elegant und robust. So etwas wollte man in Europa in den 70er Jahren auch einführen und die entsprechende Kupplung ist auch entwickelt worden. Sie ist viel klobiger als die nordamerikanische Kupplung, aber dafür werden sogar die Bremsschläuche mitgekuppelt, so dass es wirklich keine Handarbeit mehr benötigt, einen Zug anzuhängen. Leider hat man sich in Europa nie durchringen können, diese wirklich einzuführen, denn da müssten alle mitmachen und Milliarden investieren. Benutzt wird sie heute ausgerechnet für Erzzüge, die praktisch nie umgekuppelt werden müssen, weil dort die größere Anghängelast benötigt wird. Aber auch in den Rangierbahnhöfen, wo Güterzüge zerlegt und nach Destination sortiert neu zusammengstellt werden, ist die Schraubenkupplung extrem unpraktisch, weil jeder Trennungsvorgang mit viel Handarbeit verbunden ist.

Ein weiterer Unterschied ist der Mischbetrieb auf europäischen Strecken, wo fast überall ein großer Anteil von Personenverkehr auf der Strecke unterwegs ist, der seine Fahrpläne einhalten muss. Auf nordamerikanischen Strecken sind fast nur Güterzüge unterwegs und die wenigen Reisezüge müssen sich oft dem Güterverkehr unterordnen, was die Pünktlichkeit stark beeinträchtigt. Ein paar reine Güterzugstrecken oder viergleisige Strecken, von denen zwei Gleise nur für den Güterverkehr sind, gibt es natürlich auch in Europa. So ist die Strecke vom Ruhrgebiet nach Hannover bis etwa Minden viergleisig mit zwei reinen Güterzuggleisen und die Niederländer haben eine reine Güterzugstrecke von Zevenaar bei Emmerich nach Rotterdam gebaut. Häufiger gibt es den Fall, dass von zwei parallel verlaufenden Strecken eine überwiegend, aber nicht ausschließlich für Güterzüge vorgesehen ist, wie zum Beispiel die rechte Rheinstrecke zwischen Köln und Wiesbaden. Wahrscheinlich bräuchten wir noch mehr reine Güterzugstrecken oder viergleisige Strecken, um auf Verbindungen mit einem großen Potential für den Güterverkehr einen größeren Anteil des Verkehrsaufkommens auf der Schiene bewältigen zu können. Gerade die Verbindungen zu den Häfen sind hier gefragt, weil der Güterverkehrsanteil am Gesamtaufkommen dort besonders hoch ist.

Die beiden wichtigsten Häfen in Europa, Antwerpen und Rotterdam haben immer noch einen Bahnanteil von knapp unter 10%, obwohl sich ja gerade die zunehmende Verwendung von Containern gut dafür eignen würde, den größten Teil des Landwegs mit der Bahn zurückzulegen und dann erst in der Nähe des Ziels auf Lastwagen zuzugreifen. In den Niederlanden war das sicher jahrelang gewollt, um die niederländischen Spediteure zu fördern, aber man hat ja inzwischen angefangen, auch die Bahnanbindungen der Häfen zu verbessern, vielleicht weil die niederländischen Spediteure ihre Fahrzeugflotten mehr und mehr in Länder mit niedrigeren Löhnen verlagern und so an Relevanz für das Land verlieren.

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