Ein paar Gedanken über das Thema Schulen, nachdem ich diese zuerst als Schüler und dann als Elternteil von vier Kindern kennengelernt habe und nun auch selber pädagogische Erfahrungen als FH-Dozent, bei Schulungen für meine Kunden und vor einigen Jahren schon als Student bei der Betreuung von Übungsgruppen sammeln konnte.
Man steckt eine Menge Geld in die Schulen, aber die Schüler stecken auch eine Menge Zeit da hinein. Da ist es sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, was für das Geld und die Zeit dabei herausspringt. Lernt man die richtigen Dinge, die richtigen Methoden und das effizient genug? Ich zähle dazu durchaus auch Dinge wie Teamfähigkeit, die nicht direkt Schulstoff sind, die man aber durch das Zusammensein mit verschiedenen Gruppen auch lernen kann. Eine schöne Vergleichbarkeit liefern die sogenannten Pisastudien. Diese geben recht gut wieder, ob ein möglichst großer Teil der Schüler einen Mindeststandard erreicht und Finnland, Kanada, Japan und Südkorea habe da z.B. oft gute Plätze errungen. Es wird aber durch Pisa nicht abgedeckt, wie gut die Spitzengruppe gefördert wird. Ist das sinnvoll und wichtig? Darüber kann man verschiedener Meinung sein. Stellt Euch mal vor, dass Ihr 12 Jahre lang einen Kurs „Deutsch für Ausländer“ (oder statt „Deutsch“ Eure Muttersprache) und ähnliche Kurse von dem Niveau besuchen müsstet. Das wäre nicht nur höchst ineffizient, vor allem bezüglich Eures Zeiteinsatzes, es wäre auch frustrierend und ich sage einfach mal so frustrierend, dass es sicher falsch wäre. Andererseits lieben die meisten von uns es, in einem mehr oder weniger hochentwickelten Industrieland zu leben. So etwas gibt es aber nur, wenn in der Vergangenheit und Gegenwart immer wieder ein paar Einzelpersonen herausragende Leistungen erbracht haben und man kann es durchaus als Ziel ansehen, diesen bei der Ausbildung dazu die Möglichkeiten zu geben. Es spricht also durchaus auch einiges dafür, ein Schulsystem zu haben, das auch die Spitzengruppe der Schüler berücksichtigt und fördert. Ein interessantes Beispiel scheint Serbien zu sein, wo im Fach Mathematik auf dem Weg zum höchsten Schulabschluss etwas doppelt so viel behandelt wird wie in einem deutschen Gymnasium, mit Beweisen und allem. Allerdings zum Leidwesen der Schüler, die in diesem Fach nicht gut sind und es mit anderen Fächern irgendwie ausgleichen müssen.
Nun ist es in Deutschland so, dass zwei Blöcke sich gegenüberstehen oder -standen, auch wenn sie in fast allen anderen Punkten wirklich übereinstimmende Standpunkte vertreten. Die eine Idee ist es, viele neue Ideen in das Schulsystem zu bringen, aber unter der Prämisse, alle Schüler gleichzumachen. Die andere Idee ist, sich möglichst an dem etablierten Schulsystem von vor 50 Jahren zu orientieren und dessen Werte zu pflegen. Wer hat recht? Beide und keiner von beiden. Das klassische dreigeteilte Schulsystem kam der Spitzengruppe ein Stück weit entgegen, weil die Gymnasien nur überhaupt die Minderheit der Schüler aufgenommen haben und so automatisch ein etwas höheres Durchschnittsniveau gegeben war. Aber es war ein recht starres System, weil innerhalb dieser Gruppe wiederum alle Schüler über einen Kamm geschoren wurden. Schüler mit ungleich verteilten Begabungen mussten sehr um ihr Überleben kämpfen, wenn sie später etwas in dem Gebiet, wo sie gut waren, studieren wollten, um mit den Fächern, wo sie nicht so gut waren, zu überleben. Es besteht die Gefahr, eine Immunität gegenüber Innovationen zu entwickeln, weil man ja so überzeugt davon ist, das bestmögliche Schulsystem zu haben und mindestens so viel besser als der Vorschlag des anderen Blocks ist.
Was kann man aber verbessern? Fangen wir an mit dem Thema der Teamfähigkeit. Hier wird der Mythos der Klassengemeinschaft hochgehalten. Das mag für untere Jahrgänge auch gut sein, ich halte aber viel mehr von einer Durchmischung des ganzen Jahrgangs mittels eines Kurssystems, wie es zu manchen Zeiten in manchen Gegenden von Deutschland in der Oberstufe existierte. Da lernt man fast den ganzen Jahrgang kennen und sich mit mehr verschiedenen Mitmenschen auseinanderzusetzen. Das eliminiert die Zufälligkeiten der Zusammensetzung von Klassen und bietet die Chance, passendere Bekanntschaften zu machen als diejenigen, die zufällig in derselben Klasse gelandet sind. Und aus der Schulzeit kann man ja Freundschaften für das Leben mitnehmen. Wenn man diese im ganzen Jahrgang finden kann, ist das noch besser.
Das dreigeteilte Schulsystem erscheint mir grundsätzlich ein sinnvoller Schritt zu sein und die Beschränkung auf 12 Jahre Schulzeit für den schnellsten normalen Weg zum Abitur finde ich auch sinnvoll, man denke nur an die Effizienz mit der Zeit der Schüler. Dass es für einige Schüler, und das kann ruhig ein zweistelliger Prozentsatz sein, 13 Jahre dauert, ist akzeptabel, wenn es einen nützlicheren Weg als die Wiederholung der gleichen Klasse gibt, um die Schulzeit zu verlängern.
Was ich sinnvoll fände, wäre spätestens ab der 9. Klassenstufe ein komplettes Kurssystem zu haben. Statt dass man seine 2-3 Lieblingsfächer oder die 2-3 Fächer, mit denen man am ehesten noch das Abitur schaffen kann oder die 2-3 Fächer, in denen man meint, besonders viel lernen zu können, als Hauptfächer in Kursen wählt, wo man etwas mehr Stunden hat und wo auch noch etwas mehr Tempo gemacht wird, kann man ja ruhig bestimmte vorgegebene Fächer für alle mit einer bestimmten Stundenzahl pro Woche obligatorisch machen. Es lässt sich nur für dasselbe Fache jeweils zwischen zwei oder mehr Kursen auf verschieden hohem Niveau wählen. Z.B. in Mathematik auch ein Kurs auf serbischem Niveau. In den Fächern, wo jemand nicht so gut ist, kann er oder sie jeweils den einfachsten Kurs wählen und bekommt das Grundlagenwissen mit und solange ein Mindestniveau erreicht wird, reichen die Noten auch zum Weiterkommen oder zum Abitur. In den Fächern, wo jemand gut ist, kann diese Person den anspruchsvollsten Kurs wählen und so mit der eingesetzten Zeit mehr lernen und Langeweile vermeiden oder wenigstens reduzieren. Es ist aber in dem System auch einfacher, Alternativen anzubieten, z.B. als dritte Fremdsprache oder für die Auswahl zwischen Religionsunterricht verschiedener Konfessionen oder Alternativen dazu für Konfessionslose. Warum legt man sich bei der dritten Fremdsprache so auf die Auswahl zwischen Französisch und Latein fest? Russisch, Spanisch und Italienisch sind ähnlich sinnvoll, ebenso oft die Sprache des nächsten fremdsprachigen Nachbarlands. Mehrere Fremdsprachen zu lernen ist sehr sinnvoll, eine der Ausbildungen aus der Schule, deren Nutzen im späteren Leben besonders offensichtlich ist. Ein Kurssystem kann auch Umzügen Rechnung tragen. Wenn man eine Sprache hatte, die es in der neuen Schule nicht gibt, kann man den Besuch eines Sprachkurses für Anfänger auch jahrgangsübergreifend zugänglich machen, für diese Fälle. Jahrgangsübergreifende Kurse sind auch eine Alternative zum Wiederholen einer ganzen Klasse, wenn dort nur die Kurse wiederholt werden, die Probleme gemacht haben. Irgendwann sind dann in den Fächern, die keine Probleme gemacht haben, nach der 12. Klasse alle Kurse aufgebraucht, in den Fächern, die Probleme gemacht haben, dauert es aber noch ein Jahr. In einem Kurssystem könnte man aber auch dies auffüllen. Vielleicht mit Kursen aus Fächern, wo diese Person gut war, aber nicht gut genug für den anspruchsvollsten Kurs. Dann könnte diese Person diesen im letzten Jahr besuchen. Oder sonst vielleicht Sprachkurse oder Fächer, die sonst optional sind.
Das Thema gibt sicher noch mehr her, aber ich will mit einer abschließenden Bemerkung diesen Artikel beenden. Da ich hier nicht viel über die Frage geschrieben habe, wo die unterdurchschnittlichen Schüler bleiben, möchte ich auf den Anfang zurückkommen. Für diesen Bereich bieten die Pisastudien aber gute Hinweise, wo das Thema gut gelöst ist. Von den Ländern, die da gute Ergebnisse erzielt haben, sollte man lernen und ich denke, dass sich das auch im Rahmen eines differenzierten Kurssystems gut umsetzen lässt.