Die Frage ist, welche Kapazität eine Strecke hat, wenn sie 1, 2, 3 oder 4 Gleise hat.
Dies könnte man anhand von Simulationen für konkrete Streckenabschnitte sicher noch ausführlicher und genauer untersuchen, aber die Idee lässt sich wohl auch so vermitteln.
Nehmen wir also einmal eine möglichst einfache Situation an, die aber doch die Problematik wiedergibt. Man kann sich etwa einen 10 km langen Streckenabschnitt zwischen Punkt A und Punkt B vorstellen, der von Reisezügen mit 200 km/h und von Güterzügen mit 100 km/h befahren wird. Die Punkte A und B werden auch mit dieser Geschwindigkeit durchfahren. Davor und dahinter soll einmal angenommen, dass die Strecke genügende Kapazität hat, weil es nur um diesen 10 km langen Abschnitt gehen soll. Die Fahrzeiten sind dann also tatsächlich 3
Minuten und 6 Minuten. Die Züge sollen alle so fahren, dass sie bei ihrer Geschwindigkeit 3 Minuten freie Strecke vor sich haben. Güterzüge und Reisezüge sollen nach beiden Seiten abwechselnd aus dem Streckenabschnitt kommen. Wir fangen zum Zeitpunkt t=0 an und zählen
die Minuten ab.
Eingleisig
A B t=0: R->--------------------------------------- t=3: G->-------------------------------------R-> t=6: --------------------G->------------------ t=9: ----------------------------------------G-> t=12: --------------------------------------<-R t=15: <-R-------------------------------------<-G t=18: ------------------<-G-------------------- t=21: <-G---------------------------------------- t=24: (weiter wie bei t=0)
Das macht also 5 Züge je Stunde und Richtung.
Zweigleisig (ein Gleis für jede Richtung)
A B t=0: --------------------------------------<-R R->-------------------------------------- t=3: <-R-------------------------------------<-G G->-------------------------------------R-> t=6: ------------------<-G-------------------- --------------------G->------------------ t=9: <-G-------------------------------------<-R R->-------------------------------------G-> t=12: (weiter wie bei t=3)
Das macht also durchschnittlich je Stunde und Richtung.
Dreigleisig
Dreigleisig (äußere Gleise für je eine Richtung, inneres Gleis nur für
Güterzüge):
Diese Benutzung ist ungünstiger als die folgende, wie Ihr Euch leicht
überlegen könnt. Man käme dabei ungefähr auf 17.5 Züge pro Stunde
und Richtung, aber die Zeichnung müsste einen Zeitraum von sehr vielen
Stunden abdecken.
Dreigleisig (äußere Gleise für je eine Richtung, inneres Gleis nur für
Reisezüge):
A B t=0: --------------------------------------<-G R->-------------------------------------- G->-------------------------------------- t=3: ------------------<-G-----------------<-G ----------------------------------------R-> --------------------G->------------------ t=6: <-G-----------------<-G-------------------- --------------------------------------<-R R->-------------------------------------G-> t=9: <-G-------------------------------------<-R <-R---------------------------------------- G->-------------------------------------R-> t=12: <-R-------------------------------------<-G R->-------------------------------------- G->-----------------G->------------------ t=15: ------------------<-G-----------------<-G ----------------------------------------R-> --------------------G->-----------------G-> t=18: weiter wie t=6
Das macht 20 Züge pro Stunde und Richtung.
Viergleisig
A B t=3*n: <-G-----------------<-G-----------------<-G <-R-------------------------------------<-R R->-------------------------------------R-> G->-----------------G->-----------------G->
Es kann also alle drei Minuten ein Güterzug und ein Reisezug in jeder Richtung fahren, man kommt also auf 40 Züge pro Richtung und Stunde.
Kommentar
Insgesamt sieht man, dass die Erhöhung der Anzahl der Gleise bei diesem Modell eine mindestens proportionale Steigerung der Kapazität liefert. Der Schritt von einem auf zwei Gleise und von drei auf vier Gleise bringt aber jeweils noch viel mehr. Die viergleisige Strecke hat die doppelte Kapazität der dreigleisigen, die dreifache der zweigleisigen und die achtfache der eingleisigen Strecke.
Treten mehr verschiedene Zuggattungen oder andere Mischungsverhältnisse auf, so kann es natürlich andere Ergebnisse geben. Aber das Prinzip bleibt bestehen, solange verschieden schnelle Züge dieselbe Strecke benutzen. In diesem Sinne kann man etwa mit relativ wenig Flächenverbrauch durch Ausbau eingleisiger, zweigleisiger und dreigleisiger Strecken eine sehr große Steigerung der Kapazität von Schienenwegen erzielen.
Die Möglichkeiten, zusätzlich Kapazitätssteigerungen durch ein verbessertes Signalsystem zu erreichen bleiben davon natürlich ebenso unberührt wie die Möglichkeiten dies durch lange Doppelstockzüge für den Personenverkehr zu erzielen.