Aus gegebenem Anlaß schreibe ich einmal etwas über die Sicherheit von Zügen.
Von den uns zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln ist das Bahnfahren sehr sicher und gerade deshalb wird (wie beim Flugzeug) ein Unfall oft sogar international von den Medien aufgegriffen, selbst wenn es keine Todesfälle und keine schweren Verletzungen gab, während die täglichen Autounfälle allenfalls in den lokalen Medien behandelt werden.
Aber nun hat es die Strecke betroffen, auf der ich fast jeden Tag unterwegs bin, allerdings wäre mein Zug danach gefahren und ich konnte die unterbrochene Strecke leicht mit dem Fahrrad umfahren. Einen Bus hätte es natürlich auch gegeben.
Warum passieren solche Kollisionen in der Nähe von Bahnhöfen? Auf der freien Strecke, wo die Züge schnell fahren, gibt es wenige Weichen und die Gleise werden durch Signale jeweils exklusiv für einen Zug freigehalten. Das funktioniert auch in Bahnhöfen, weil man die Weichen so stellt, daß eine sogenannte Fahrstraße freigeschaltet wird, also ein Weg durch das Gleisgewirr. Alle querenden Verbindungen werden mittels Signalen gesperrt. Leistungsfähige Bahnhöfe wie Zürich oder der bestehende Stuttgarter Hbf haben deshalb oft im Vorfeld Brücken, um mehr Fahrstraßen gleichzeitig anbieten zu können. Eine weitere Fahrstraße, die diese quert oder abschnittsweise dasselbe Gleis nutzt, kann nämlich erst freigegeben werden, wenn diese gesperrt wird. Das konnte man in früheren Jahren mit reiner Mechanik bauen, auch wenn moderene Stellwerke computergesteuert funktionieren. Oft mit erstaunlich alten, aber soliden Computern, die nur diese eine Aufgabe mit sehr großer Zuverlässigkeit bewältigen.
Nun hat man auch die Signale gegen versehentliches Überfahren gesichert. Es gibt (fast) immer ein Vorsignal und dann abhängig von der zulässigen Geschwindigkeit etwa einen Kilometer später das Hauptsignal. Wenn das Vorsignal auf „rot“ steht und der Lokführer darauf nicht reagiert, wird der Zug zwangsgebremst, ebenso wenn er ein „rotes“ Hauptsignal überfährt. So ist auf freier Strecke auch bei einem Fehler des Lokführers sichergestellt, daß nichts passiert. Das in Deutschland verwendete System nennt sich Indusi, in der Schweiz Integra-Signum. Andere Länder haben anderen entsprechende Systeme und diese sind bei normalen Bahnen auf allen Strecken, auf denen Reisezüge unterwegs sind, installiert.
Nun steht aber normalerweise direkt nach dem Bahnhof ein Hauptsignal, weil dort ja eine Fahrstraße beginnen kann. Das Vorsignal steht vor dem Bahnhof und wenn der Zug im Bahnhof hält, ist das schon außer Sichtweite. Wenn also ein Triebfahrzeugführer im Bahnhof steht und das Hauptsignal vergißt, dann wird er erst am Hauptsignal selbst gebremst. Im ungünstigsten Fall ist da genau ein anderer Zug unterwegs und dann kann diese Zwangsbremsung die Kollision nicht verhindern, sondern nur die Geschwindigkeit noch etwas verringern. Lokführer haben übrigens gelernt, in so einer Situation in den Zug oder in die hinteren Teile der Lok zu flüchten, deshalb muß man im Steuerwagen auch immer die Tür des Führerstands freihalten. Das ist eine Erklärung dafür, warum es häufiger in der Nähe von Bahnhöfen Kollisionen gibt. Ich weiß aber nicht, ob diese Erklärung in dem Fall in Neuhausen zutrifft.
Die besseren Systeme können auch die Geschwindigkeit berücksichtigen. Man setzt für zulässige Züge eine gewisse Bremsleistung voraus, die sicher ausreicht, um auf der Strecke zwischen Vorsignal und Hauptsignal zum Stehen zu kommen. Diese Bremsen werden regelmäßig überprüft. Wenn der Zug nicht die Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, was sich auch verhindern läßt, dann reicht ein sofort eingeleitetes Bremsmanöver aus. Nun kann man für jeden Punkt zwischen Vorsignal und Hauptsignal eine maximal mögliche Geschwindigkeit ermitteln, mit der man noch sicher zum Stehen kommt und wiederum eine Zwangsbremsung einleiten, wenn die überschritten wird. Wenn mit so einem System einem ausfahrenden Zug die Signalstellung übermittelt wird, dann wird die Beschleunigung schnell von einer automatischen Bremsung abgelöst und der Zug bleibt auch in diesem Fall vor dem Hauptsignal stehen. Ein solches System ist ZUB 121 in der Schweiz.
Für Hochgeschwindigkeitsstrecken hat man in vielen Ländern wiederum ein anderes System erfunden, bei dem die Signale gar nicht mehr am Gleisrand stehen, sondern nur im Führerstand angezeigt werden. So kann man für jeden Zug den Abstand zwischen virtuellem Vorsignal und Hauptsignal an die Geschwindigkeit anpassen und vor allem größere Abstände und damit größere Geschwindigkeitne ermöglichen. Leider hat fast jedes größere Land sein eigenes System entwickelt, z.B. LZB in Deutschland. Inzwischen gibt es aber auch ein europäisches Standardsystem, ETCS, das sich wohl langfristig in Europa durchsetzen wird, vielleicht sogar weltweit. Das braucht aber jahrzehnte, weil es für jedes Land Milliardeninvestitionen benötigt. Außerdem hat es sich bei großen technischen Umstellungen bewährt, schrittweise vorzugehen, also erst einmal einzelne Strecken umzustellen. Auf viel belasteten Strecken gewinnt man dabei auch mehr Streckenkapazität, die letzten weniger belasteten Strecken umzustellen lohnt sich irgendwann, weil man dann beim Kauf von neuen Triebfahrzeugen nicht mehr das alte System einbauen muß.
Ich werde auch weiterhin viel mit der Bahn fahren und mich dabei sicher fühlen.