Istanbul ist eine Megastadt und die Primatstadt der Türkei.
Es ist immer interessant, wie mit der Herausforderung umgegangen wird, den Verkehr in so einer großen Stadt zu organisieren. Man kann sich als Vergleich einmal Bangkok, New York, Los Angeles, Moskau oder Peking vorstellen.
Es ist nie ganz einfach, verschiedene auf dem Papier gleich große Städte zu vergleichen. Für die Einwohnerzahlen findet man irgendwelche Zahlen. Etwa die nominelle Einwohnerzahl der politischen Gemeinde, die hier von keinerlei Interesse ist und die Einwohnerzahl der Metropolregion, die eher das ist, worum es hier geht, aber doch mit dem Problem behaftet ist, dass es nicht ganz einfach und schon gar nicht einheitlich ist, zu definieren, wo genau die Metropolregion aufhört. Es gibt sehr große Unterschiede in der Bedeutung der öffentlichen Verkehrsmittel in verschiedenen Ländern und sogar in verschiedenen Regionen desselben Landes. Die Wirtschaftsstrukturen, die Dichteverteilung von Bevölkerung, Arbeitgebern, Einkaufsmöglichkeiten und anderen Verkehrszielen und -quellen in den Metropolregionen ist sehr verschieden. Und ganz banal die Bevölkerungsdichte.
Und doch kann man sagen, dass bei Metropolregionen dieser Größenordnung der Versuch, alles mit MIV zu bewältigen, nirgendwo erfolgreich waren. Selbst in Ländern und Regionen, wo man eine starke Präferenz dafür hat, den Autoverkehr zu fördern und große Budgets für den Straßenbau alloziert, ertrinken Metropolregionen dieser Größenordnung praktisch immer im Stau. So viele Straßen kann man gar nicht bauen, um den dadurch induzierten Verkehrszuwachs aufzufangen, weil bei so vielen Einwohnern einfach mehr gefahren wird, wenn es mehr Straßen gibt und die Sättigung mit realistischen Mitteln praktisch unerreichbar ist. Und die Luftverschmutzung wird auch enorm, wenn so viele Menschen auf so engem Raum so viel mit Autos herumfahren. So sieht man, dass Metropolregionen jahrzehntelang versucht haben, ausschließlich auf Straßenbau und vielleicht ein paar Buslinien zu setzen. Die Busse stecken im selben Stau wie die Autos, nur müssen sie zusätzlich noch wegen der Haltestellen mindestens abschnittsweise auf noch langsamere Straßen wechseln. Aber Bangkok, Los Angeles und viele andere haben mit großem Aufwand begonnen, ein Metrosystem, S-Bahn-System oder Lightrail oder Tramsystem zu bauen. Die Übergänge gerade zwischen S-Bahn und U-Bahn (Metro) sind fließend und teilweise einfach administrative Definitionen. Ich glaube nicht, dass Lightrail und Straßenbahn alleine der richtige Weg für diese Größe sind und man braucht schon Metro oder S-Bahnen mit dichter Taktfolge und mehreren Linien.
Aber was hat nun Istanbul zur Verfügung? Die Stadt ist geteilt in einen asiatischen und einen europäischen Teil mit dem Bosporus dazwischen. Der ist etwas mehr als einen Kilometer breit und wird von den größten Schiffen, die es gibt, befahren. Außerdem ist das Gebiet erdbebengefährdet. Man kann also Tunnel und Brücken bauen und hat es auch getan, aber das ist nicht ganz einfach. New York hat für die Querung des East River mehr als ein Dutzend Brücken und Tunnel, die von Metro und sonstigem Bahnverkehr genutzt werden. Istanbul hat mit Marmaray gerade einen zweigleisigen Bahntunnel für Nah- und Fernverkehr. Der Fernverkehr wurde noch nicht aufgenommen und so ist der Tunnel heute ausschließlich Teil einer S-Bahn-Linie. Aber die Stationen direkt vor und nach der Bosporusquerung haben so lange Bahnsteige, dass sie sich auch für Fernzüge eignen würden. Weiterhin gibt es eine Bosporusbrücke am Schwarzen Meer, die auch zwei Gleise enthält. So kann man mit einem Teil des Fernverkehrs und mit Güterzügen die Stadt in Zukunft einmal umfahren.
Die Bahnanbindungen zum Marmaray-Tunnel befinden sich im Umbau, was auch die Bahnstrecken in der Nähe der Innenstadt betrifft. So verkehrt dort nur eine kurze S-Bahn-Linie, die irgendwann einmal sehr lang sein soll und der Küste nordwestlich und Südöstlich der Bosporusmündung ins Maramarameer folgen soll. Es gibt logischerweise zwei getrennte Metronetze mit insgesamt sieben Linien. Zusammen mit der S-Bahn als achter Linie ist das für die Größe der Stadt zu wenig und es gibt auch dicht besiedelten Kernbereich größere Gebiete, die relativ weit weg von S-Bahn und Metro sind. Das soll sich ändern, da beide Systeme zur Zeit erweitert werden. Durch den Umzug des Flughafens geht die Schienenanbindung des alten Flughafens verloren und der neue Flughafen soll erst etwa gegen Ende 2019 eine Anbindung an den Schienennahverkehr bekommen, dann aber zwei Jahre später auch an den Fernverkehr über die Brücke am Schwarzen Meer. Bis zu einem für die Stadtgröße ausreichenden Metrosystem wird es aber noch viele Jahre dauern. Von weiteren Bahn- oder Metrotunneln, um etwa die Metrosystem auf beiden Seiten des Bosporus zu verbinden oder für Nah und Fernverkehr zumindest je zwei Gleise zu haben, liest man wenig, aber es wird davon geredet, noch einen weiteren Tunnel mit Straße und zwei Gleisen für die Metro zu bauen. Man wird sicher viel dafür tun, die vorhandene Infrastruktur gut auszunutzen. Zur Querung des Bosporus spielen auch immer noch Fähren eine große Rolle.
Es gibt in der Stadt auch ein Tramsystem. Auf jeden Fall ist das Nahverkehrssystem sehr vielfältig und interessant, aber für die Größe der Stadt eben noch völlig unterdimensioniert. Es bleibt zu hoffen, dass es dort in den nächsten Jahren schnellere Fortschritte geben wird.
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