Wenn es darum geht, die bedeutendsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts aufzuzählen, fällt wohl fast jedem die Kernspaltung und deren Nutzung in Waffen einerseits und in Kraftwerken andererseits ein. Oder die Erfindung des Computers. Vielleicht sogar die Mobiltelefonie, aber ich weiß nicht, ob man das gelten lassen sollte, weil Funk und Telefonie schon vor 1900 bekannt waren und nur deren Kombination und evolutionäre Entwicklung im 20. Jahrhundert stattfand. Ob diese Erfindungen nun gut oder schlecht waren, ist eine andere Frage, aber sie spielten für die historische Entiwcklung sicher eine große Rolle.
Ein Kandidat ist aber auch die industrielle Ammoniaksynthese:
Eigentlich könnte man meinen, dass sich der Wasserstoff in Stickstoff ähnlich wie in Sauerstoff verbrennen lassen müsste und die Reaktion ist tatsächlich exotherm, aber es klappt nicht. Man sagt, dass die Dreifachbindung des Stickstoffs sehr stabil ist (ganz im Gegensatz zur Dreifachbindung des Acetylens)
Erst mit den richtigen Katalysatoren, hohen Temperaturen, hohem Druck und dem richtigen Prozess gelingt die industrielle Herstellung mit dem sogenannten Haber-Bosch-Verfahren. Es war auch sehr schwierig, Anlagen zu bauen, die diese Belastung im Dauerbetrieb aushalten. Aus Ammoniak kann man nun wiederum weitere Stickstoffverbindungen herstellen.
Nun sind Stickstoffverbindungen für viele Anwendungszwecke wichtig, vor allem aber für die Herstellung von Kunstdünger und Sprengstoffen. Ammoniumnitrat ist sogar beides gleichzeitig. In früheren Zeiten hat man dazu natürliche Nitratvorkommen („Chilesalpeter“) genutzt. Grundsätzlich wird durch natürliche Prozesse, den sogenannten Stickstoffkreislauf, Stickstoff aus der Luft gebunden und auch wieder freigesetzt. In der Natur haben diese Prozesse über Millionen von Jahren so stattgefunden und auch die menschliche Landwirtschaft hat auf dieser Basis über viele Jahrtausende funktioniert.
Aber erst durch den Kunstdünger, den man aufgrund der Ammoniaksynthese herstellen kann, ist es möglich die heutige Bevölkerung der Erde zu ernähren. Andersherum hätte es ohne diese Erfindung vor etwa hundert Jahren ein Ende des Bevölkerungswachstums der Erde durch Hungersnöte gegeben. Und der erste Weltkrieg hätte ohne diese Möglichkeit zur Massenproduktion von Sprengstoff unabhängig von Salpeterimporten nur wenige Wochen gedauert.
Ob das nun gute Entwicklungen sind, kann man sicher hinterfragen, aber die Bedeutung dieser Erfindung für die Menschheit und den Verlauf der Geschichte ist sicher groß genug, um von der bedeutendsten oder einer der bedeutendsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts zu sprechen, auch wenn sie für die meisten von uns „unsichtbar“ ist.
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