Bedeutung der öffentlichen Verkehrsmittel in verschiedenen Ländern

In der Schweiz ist es gut etabliert, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, auch Überlandlinienbusse, die dort vor allem der Anbindung ländlicher Regionen an die Bahnhöfe und die größeren Orte dienen. Größere Orte ohne Bahnhof gibt es kaum. Weitreichende verkehrspolitische Entscheidungen werden meistens einer Volksabstimmung unterworfen, schon deshalb, weil fast immer eine größere Gruppe gegen den Parlamentsentscheid ist und genügend Unterschriften sammelt. Und so hat eine Bahnreform, die dazu führt, dass keine Bahn mehr fährt, keine großen Chancen, so eine Volksabstimmung zu überstehen. Und dem Benutzen der Überlandbusse haftet kein ausgeprägtes Negativimage an. Firmen haben oft in ihrem Spesenreglement, dass man geschäftliche Reisen nach Möglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln machen soll. Das liegt wohl daran, dass dieses Spesenreglement einfach von der Vorlage des Kantons kopiert wird und es dort so drinsteht. Nicht alle Firmen und es halten sich auch nicht alle an diese Empfehlung und es gibt auch geschäftliche Reisen zu Orten, die schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Anreisebeschreibungen enthalten meistens die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Parkplätze sind oft knapp. Ein Kino in Schaffhausen wollte einen großen Parkplatz bauen, durfte aber nur einen bauen, der für einen kleinen Teil der Plätze im Kino ausreicht, dafür mussten sie sicherstellen, dass eine Buslinie das Kino anbindet. Nun geben sie bei Anreise mit dem Bus einen Preisnachlass, der etwa der nicht erhobenen Parkgebühr entsprechen könnte und die Busse sind immer recht voll und der Parkplatz hat noch freie Kapazität. Das mag zum Teil auch an der Altersgruppe des Publikums liegen.

In Deutschland sind öffentliche Verkehrsmittel im Fernverkehr und in dicht besiedelten Gebieten (Stadtverkehr) gut etabliert. Es gibt einen guten und zuverlässigen Fernverkehr (IC & ICE & internationale Fernzüge) und in manchen Städten sehr guten Nahverkehr, z.B. Karlsruhe oder München oder Berlin. Regionale Linienbusse scheinen aber immer noch eher als Verkehrsmittel für Schüler, Lehrende und Mittellose zu gelten. Vielleicht wandelt sich das Bild ein bisschen in die Richtung der Schweiz, schon weil in der Generation der jungen Erwachsenen das Auto nicht mehr so ein Prestigeobjekt zu sein scheint wie bei älteren Erwachsenen. Aber Bahnprojekte, die nicht eine sehr große Bedeutung für den Fernverkehr, den internationalen Verkehr oder den Nahverkehr in den großen Ballungsräumen haben, haben es schwer mit der Finanzierung. So waren Kiel und Lübeck, zwei Großstädte mit jeweils einer viertel bis halben Million Einwohnern in der Agglomeration bis weit in die 90er Jahre nur mit Dieselzügen erreichbar und auch heute noch hängen diese Städte weitgehend am viel zu kleinen Hamburger Hauptbahnhof mit seinen größenbedingt oft schlechten Anschlüssen.

In Kanada habe ich den ÖV in London/Ontario und Toronto gesehen. Zwischen beiden Städten gab es ein paar Züge am Tag, die überwiegend mit etwa 140 km/h fuhren und auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 100 km/h kamen. Der Güterverkehr war enorm, dauernd kamen Güterzüge entgegen, die jeweils 2-5 Loks und etwa 100 vierachsige Wagen hatten und 2-3 km lang waren, auf einer von fünf parallel verlaufenden Strecken. Die paar Reisezüge reichen aber nicht aus, um einen großen Teil des Personenverkehrs zu bewältigen. London (Ontario) ist eine Stadt von der Größe wie Kiel oder Lübeck. Das Stadtgebiet weist aber eine geringere Bevölkerungsdichte auf und der Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel an den zurückgelegten Wegen lag damals bei 8%, was am unteren Rand deutscher Großstädte ist, wo sich dieser Wert meist zwischen 10% und 30% bewegt. Es war also eine Herausforderung, einen guten Betrieb aufzubauen, der alle Stadtteile bedient, was durch recht unregelmäßige Fahrpläne und viele verschiedene Routen für unterschiedliche Fahrten derselben Linie gelöst wurde. Toronto hat einen recht leistungsfähigen Durchgangsbahnhof mit zwölf Gleisen und je zwei viergleisigen Zufahrtsstrecken, die mit Brücken eingefädelt werden. Es gibt S-Bahn-Verkehr oder Regionalverkehr oder wie auch immer man das nennen will, ein U-Bahn-Netz mit zwei langen Linien und zwei kurzen Verlängerungslinien, Straßenbahnen und Bussen, was recht viel für nordamerikanische Städte dieser Größe ist, aber doch deutlich weniger als man in Europa üblicherweise hätte. Toronto hat auch die „leistungsfähigste“ Straße der Welt, die Regionalstraße 401, die angeblich das höchste MIV-Aufkommen in ganz Amerika aufweisen soll.

In den Vereinigten Staaten hat New York eine Sonderstellung. Ein großer Teil des Schienenpersonenverkehrs in den Vereinigten Staaten findet mit Zügen, die von und nach oder durch New York fahren, statt. Aufgrund der hohen Besiedlungsdichte in der Stadt ist die Bewältigung des Verkehrsaufkommens ohne einen großen Anteil der Wege mit U-Bahnen, S-Bahnen und Vorortzügen zurückzulegen, technisch und ökonomisch kaum machbar. So gibt es ein U-Bahnnetz mit über 30 Linien, bei dem viele Strecken drei- oder viergleisig sind und von Expresslinien befahren werden, die nur auf einem Teil der Stationen halten. Im Rest des Landes gibt es Städte mit vielen 100’000 Einwohnern, die keinen Bahnhof haben und sogar Städte, in denen es gesetzlich verboten ist, ÖPNV durchzuführen. Gegen Verlängerungen von U-Bahn- oder S-Bahn-Linien regt sich Widerstand, weil man meint, dass dann ein unerwünschtes Publikum Einzug hält.

Das Thema gibt sicher noch mehr her, aber vielleicht greife ich das noch einmal wieder auf.

Woran liegt es aber, dass das Ansehen der öffentlichen Verkehrsmittel in den verschiedenen Ländern so verschieden ist? Einfache Antworten, wie die Besiedlungsdichte taugen nicht, da alle Länder verschieden dicht besiedelte Gebiete habe, aber die Unterschiede sich doch im ganzen Land erkennen lassen, mit Ausnahmen dort, wo die Platzverhältnisse öffentliche Verkehrsmittel stark begünstigen oder unumgänglich machen.

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