Zuggattungen

Früher, also zu Zeiten, an die sich wohl nur noch die älteren Leser erinnern, gab es ein recht übersichtliches System von Zuggattungen, das mit leichten Variationen sinngemäß in vielen verschiedenen Ländern zu finden war:

  • IC (InterCity, später auch EC)
  • D (Schnellzug)
  • E (Eilzug)
  • N (Nahverkehrszug)
  • S (S-Bahn)

Natürlich gab es zeitweise immer noch 1-2 mehr oder weniger kurzlebige Zuggattungen mehr, wie z.B. TEE, DC, FD, IR, F u.ä., aber es war doch ein übersichtliches System.

So etwa ab Anfang der 90er-Jahre setzten sich Marketing-Namen mehr und mehr durch, verstärkt durch die Tendenz, dass verschiedene Bahngesellschaften heute auf dem Streckennetz unterwegs sind und sich durch die sichtbaren Zuggattungsbezeichnungen zu differenzieren versuchen. In Deutschland nahm dies mit der Zuggattung ICE den Anfang, es gab dann TGV (auch einige in Deutschland), X2000, RSB, RB, RE, IRE, ALEX, SE, Thalys, ICN, CIS, ES,… mehr und mehr zur Bezeichnung des überwiegend verwendeten Rollmaterials und der Betreibergesellschaft und immer weniger zum Ausdruck der Reisegeschwindigkeit und der Häufigkeit der Halte. Natürlich ist das indirekt in den „modernen“ Zuggattungen immer noch ausgedrückt, aber dafür muss man eine riesige Anzahl von Zuggattungen kennen, um das jeweils zu wissen, während es früher einigermaßen klar war, was ein Eilzug bedeutet. Ein Stück Verwirrung bleibt natürlich auch dort, wo noch die klassischen Zuggattungen gelten, wenn im Ausnahmefall z.B. S-Bahnen einzelner Linien selten halten und eine kürzere Strecke wählen und deshalb auf der Verbindung von Zürich nach Winterthur schneller als die IC-Züge sind.

Nun kommt noch eine Besonderheit ins Spiel, weil in vielen Ländern der Fernverkehr von der dominierenden Bahngesellschaft kostendeckend durchgeführt werden soll, während der Nahverkehr von den Regionen bestellt wird. Wenn also in einer Relation IC-Züge aus Sicht der Bahn nicht mehr anbietenswert sind, kann die entsprechende Region einen Eilzug (RE, IRE, SE, oder wie auch immer genannt) bestellen, der etwa denselben Fahrplan wie früher der IC hat. Beispiele für solchen bestellten „Nahverkehr“ mit Fernverkehrsfunktion gibt es etwa auf der Strecke Dresden – Nürnberg oder auf der Schwarzwaldbahn von Konstanz nach Karlsruhe. Warum man nun das Finanzierungskonzept so deutlich in der Zuggattung markieren muss, weiß ich nicht, aber vielleicht sollen in den bestellten Zügen typische Nahverkehrsangebote wie Baden-Württemberg-Ticket gelten und das ist natürlich eine Information, die für Fahrgäste relevant ist und einfach erkennbar sein sollte.

Nun kann man mit etwas gutem Willen für Tageszüge einen Teil der „modernen“ Zuggattungen ordnen und findet dasselbe wieder, wie es schon früher gab:

  • IC → ?C* (IC, ICE, ICX, EC, ICN)
  • D → IR
  • E → ?E (RE, SE)
  • N → R
  • S → S

Wenn man noch akzeptiert, dass es von jeder Zuggattung Vertreter gibt, die auf einzelnen Abschnitten seltener halten als andere Vertreter derselben Zuggattung oder dass Züge im Laufe ihres Laufwegs die Zuggattung ändern, funktioniert das einigermaßen gut. Vielleicht kann man sich auch daran gewöhnen, dass alle Phantasie- und Rollmaterialnamen wie „Lyria“, „Thalis“, „CIS“, „ES“,…. Marketingnamen für (meist schnelle) IC-Züge sind. Dabei hat die Unterscheidung zwischen diesen Zugkategorien in der Schweiz noch einen Sinn, weil IC-Züge normalerweise Fahrräder ohne Reservierung mitnehmen, ICN mit Reservierung und alle Marketing-Zuggattungen jeweils eigene Regeln haben, die man im Einzelfall überprüfen muss. Endgültig verwirrend sind dann aber Marketingnamen im Nah- und Regionalverkehr, zumal sie auch jeweils nur in einer Region Verwendung finden und für Reisende von anderen Gegenden nicht bekannt sind. Vielleicht sollte man also wenigstens im Regionalverkehr dann so etwas wie „RE-Alex“ oder „Alex-RE“ statt „Alex“ verwenden, damit es ersichtlich ist, was für eine Zuggattung wirklich dahinter steckt.

Für Nachtzüge gibt es letztlich aus Fahrgastsicht zwei Varianten: Die Züge, die mit dem Rollmaterial von Tageszügen, also nur mit Sitzwagen, nachts unterwegs sind und die echten Nachtzüge mit Schlaf- und Liegewagen, die heute im deutschen Sprachraum oft EN, NZ oder CNL heißen.

Es ist also unübersichtlicher geworden, aber mit etwas gutem Willen könnte man noch durchblicken, wenn wenigstens im Regionalverkehr einheitliche Zuggattungsbezeichnungen statt Marketingnamen verwendet würden.

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