Wenn man schon keinen durchgehenenden Zug hat, möchte man ja wenigstens gute Anschlüsse haben. Jedenfalls bessere, als man tatsächlich bekommt.
Eine schöne Lösung ist so ein Taktknoten, wo regelmäßig einmal oder zweimal pro Stunde alle möglichen Züge eintreffen, typischerweise kurz vor der vollen und der halben Stunde. Dann hat man etwas Zeit zum Umsteigen und kurz danach fahren alle Züge in kurzem Abstand ab. Die Schweizer machen das so, an vielen Bahnhöfen. Warum wird das nicht in anderen Ländern genauso praktiziert?
Es gibt leider ein paar Hindernisse dabei.
Offensichtlich braucht der Bahnhof dafür genügend viele Gleise, denn es müssen ja fast alle Züge, die dort innerhalb einer halben Stunden verkehren, gleichzeitig einen Platz an einer Bahnsteigkante in Anspruch nehmen. Dann sind auch die Strecken in der Nähe des Bahnhofs jeweils für eine gewisse Zeit sehr dicht belegt. Deshalb läßt sich so etwas in Hamburg oder in Zukunft nach Fertigstellung von Stuttgart 21 auch in Stuttgart nicht mehr machen. Auch in Köln, Kiel, Bielefeld, Bonn und einigen anderen Bahnhöfen gibt es gemessen an der Größe der Stadt und ihrer verkehrstechnischen Bedeutung nicht sehr viele Gleise. Man kann sich teilweise damit behelfen, daß man die Gleise mit zwei kurzen Zügen doppelt belegt. Der Nachteil ist dann aber, daß man kaum noch durchgehende Züge anbieten kann, sondern in der Regel die beiden Züge, die auf demselben Gleis halten, beide wenden (die Richtung wechseln). Sonst sind die Abhängigkeiten zu groß.
Ein Problem ist immer die Weitergabe von Verspätungen durch Abwarten von Anschlüssen oder der Verlust von Anschlüssen wegen einer Verspätung. Beides ist ärgerlich für einen Teil der Fahrgäste und leider verschärt sich das bei knapp bemessenen Bahnhöfen und Strecken noch, weil man es sich da kaum noch leisten kann, den kurzen „Slot“ (die Eisenbahner nennen es auch Fahrplantrasse) sausen zu lassen, um einen Anschluß abzuwarten.
Außerdem ist es schon bei drei Knotenpunkt-Bahnhöfen A, B und C, die im Dreieck angeordnet sind, schwierig, an allen drei Orten gute Anschlüsse zu haben. Es funktioniert perfekt, wenn alle Fahrzeiten jeweils knapp unter 30, 60, 90, 120 oder 150 min sind. So ist es mit Bern, Basel und Zürich heute. Es funktioniert auch, wenn die Fahrzeit von A nach B knapp unter 30, 60, 90,… ist und die Fahrzeiten von A nach C und von B nach C jeweils knapp unter 15, 45, 75, 105,… Dann kann man bei C die Züge jeweils kurz vor der Viertelstunde ankommen und kurz nach der Viertelstunde abfahren lassen. Grundsätzlich ließe sich das System auch mit einem 23-min-Takt betreiben, wenn die Fahrzeiten jeweils knapp unter Vielfachen von 23 min sind, nur hätte man dann nicht die einprägsamen Zeiten und vielleicht auch Probleme mit den internationalen Anschlüssen.
Ein weiterer Nachteil dieses Systems sind die lange Haltezeiten, die das Umsteigen in jede Richtung erfordert. Kein Grund, dieses gut funktionierende und bewährte System abzuschaffen, aber vielleicht Grund genug, über eine Vielzahl von Lösungen für andere Bahnsysteme nachzudenken.
Vielleicht kann man mal für den Moment das System vereinfachen auf nur zwei Züge oder besser noch je eine Richtung von zwei verschiedenen Linien regelmäßig verkehrender Zügen. Das folgende funktionert übrigens genauso mit U-Bahnen, Straßenbahnen, Bussen u.s.w.
Es gibt beidseitige Anschlüsse. Das bedeutet, daß Züge von beiden Linien gleichzeitig an einem Bahnhof halten und zwar lange genug, um in beide Richtungen umzusteigen. Wenn es wirklich nur die beiden Züge wären, würde man sie natürlich idealerweise am selben Bahnsteig haben. Aber wir reden ja nur zur Vereinfachung von nur zwei Zügen. Das Prinzip sollte letztlich auch für mehr Züge funktionieren, deshalb bleibt das mit dem Anschluß am selben Bahnsteig ein Glücksfall.
Einseitige Anschlüsse bestehen, wenn die Züge der einen Linie kurz nach denen der anderen Linie halten. So hat man vom früheren auf den späteren Zug eine Umsteigebeziehung, nicht umgekehrt. Ein Vorteil ist hier, daß man nur sehr kurz halten muß.
Eine Kombination dieser Ideen ist der Reißverschluß-Anschluß. Das funktioniert mit zwei Linien, die im 20 min-Takt (oder häufiger fahren). Wichtig ist, daß beide Linien die gleiche Taktfolge haben. Die Züge der beiden Linien kommen in dem Umsteigebahnhof genau abwechselnd an, idealerweise dann alle 10 min. Die Fahrgäste, die nicht umsteigen müssen, werden so nur durch einen kurzen Halt aufgehalten. Diejenigen, die umsteigen, haben aber 10 min Wartezeit auf den nächsten Zug der anderen Linie. Bei kürzeren Takten funktioniert der Reißverschluß-Anschluß entsprechend besser. Es wird aber schwierig, das Prinzip auf mehr als 3-5 Zuglinien oder auf Umsteigen in die Gegenrichtung auszudehnen.
Bei sehr häufig verkehrenden Zügen (U-Bahn, S-Bahn, Tram mit kurzen Taktzeiten) sind die Anschlüsse letztlich fast egal, weil man sowieso nur 2-5 min warten muß. In dem Fall lohnt es sich aber trotzdem, ein paar Gedanken darauf anzuwenden. Obwohl alle denkbaren Verbindungen mit kurzen Wartezeiten möglich sind, sollte man in diesem Fall ermitteln, welche Umsteigeverbindungen besonders häufig in Anspruch genommen weden und wie lange die Wege beim Umsteigen im Durchschnitt dauern. Wenn man ein Streckennetz mit vollständig getrennten Gleisen für jede Linie hat, wie die Pariser U-Bahn, dann kann man sogar die zeitliche Lage der Fahrten auf den Linien noch ein bißchen schieben, um die (geschätzten) durchschnittlichen Gesamtwartezeiten aller Fahrgäste eines Tages zu optimieren. Das sind tausende von Stunden, auch wenn es für den einzelnen nur wenige Minuten sind. Speziell ärgerlich ist es, wenn beim Umsteigen immer der Anschluß vor der Nase wegfährt, auch wenn der nächste bald kommt. Hier ist es vorteilhaft, dafür zu sorgen, daß der umsteigende Fahrgast den Zug, den er sowieso nicht mehr bekommt, auch gar nicht mehr zu sehen bekommt, wenn man die Möglichkeit hat, die Fahrzeiten zu schieben. Das spart Frust und macht das Reiseerlebnis letztlich angenehmer, was auch ein Ziel des Bahnbetriebs sein sollte.
Interessant wird es, wenn die Linien verschiedene Taktfrequenzen haben. Das kann durchaus nützlich sein, solange diese Taktzeiten deutlich unter einer Stunde liegen. Dann kann man nämlich planen, einen bestimmten Zug zu nehmen, bei dem die Umsteigezeit zum gewünschten Anschluß optimal ist. Bei den nächsten paar Zügen ist die Wartezeit beim Umsteigen dann länger, aber auch noch akzeptabel, bis wieder ein Zug mit einer optimalen Zeit kommt. Wer mit der Zeit etwas flexibel ist, kann sich so die schnellste Verbindung aussuchen.
Das sind eigentlich die statischen, veröffentlichten Fahrpläne, nach denen man idealerweise fahren will. Die geben insofern eine harte Restriktion, weil niemals ein Zug vor der angegebenen Zeit abfahren darf. Nun gibt es aber durchaus Gründe, mit den Zeiten um ein paar Sekunden oder sogar wenige Minuten zu manövrieren und das nicht nur zum Abwarten von Anschlüssen oder besseren Nutzen der Strecken- und Bahnhofskapazität bei Verspätungen anderer Züge. In Europa werden die Zeiten normalerweise nur auf die Minute genau veröffentlicht. Für die U-Bahn in Monterrey in Mexiko reichte das nicht, weil man dort eine sekundengenauen Fahrplan veröffentlichen wollte. In Europa findet man sich damit ab, daß Verspätungen von bis zu einer Minute systembedingt vorkommen. Wenn der Zug planmäßig um 17:43:50 abfahren soll, muß man 17:43 im Fahrplan veröffentlichen, nicht 17:44. Und gerade bei U-Bahnen und S-Bahnen und häufig haltenden Nahverkehrszügen wäre es sehr ärgerlich, bei jedem Halt immer auf die nächste volle Minute warten zu müssen, da das die Fahrzeit für eine längere Strecke unnötig verlängern würde. So kann es also schon intern einen sekundengenauen Fahrplan geben, der vom veröffentlichten Fahrplan abweicht.
Nun kommen aber noch temporäre Abweichungen hinzu, etwa wegen Baustellen. Für eine kurze Baustelle lohnt es sich unter Umständen nicht, alle Fahrpanaushänge auszutauschen. Da gibt es dann oft einen Baustellenfahrplan, der vom normalen Fahrplan abweicht, was noch funktioniert, solange die Abweichung nicht zu groß ist und die geänderten Abfahrtszeiten später als die veröffentlichten sind. Wenn vorher bekannt ist, daß es eine Baustelle gibt, verlängert man gerne die Fahrzeit in der Fahrplanperiode entsprechend um ein paar Minuten, damit die Verspätung gegenüber dem veröffentlichten Fahrplan nicht zu groß wird.
Bei elektrifizierten Bahnnetzen kann man auch den Stromverbrauch des Gesamtsystems optimieren. Dafür kann es sinnvoll sein, den regelmäßigen Takt unregelmäßig zu machen, indem die Fahrzeiten um ein paar Sekunden verschoben werden, damit nicht zu viele Züge gleichzeitig anfahren. Wenn alle Linien mit dem gleichen Takt fahren und diesen sekundengenau einhalten, kann es wohl in typischen U-Bahn- oder S-Bahn-Systemen zu einer Art Resonanz bei den Wellen der Stromnachfrage verschiedener Züge kommen und sich damit die Spitzen addieren. Das geben die Bahnstromsysteme natürlich ohne technische Probleme her, aber wenn man Strom sparen will, könnte so eine für Fahrgäste kaum sichtbare Verschiebung der Fahrten um einige Sekunden ein nützlicher Freiheitsgrad für die Optimierung sein.
Um zu den Anschlüssen zurückzukommen: Diese müssen natürlich auch mit den realen Fahrzeiten noch funktionieren oder es muß bei Verspätungen entschieden werden, ob es möglich ist und sich lohnt, Anschlüsse abzuwarten. Bei Reißverschluß-Anschlüssen kann man auf den gleichmäßigen Abstand zwischen den beiden Linien achten, was insbesondere dann sinnvoll ist, wenn die beiden Linien für eine längere Strecke gemeinsam verlaufen. Sonst gibt es den Effekt, den man auch mit einer Linie z.B. mit 10 min-Takt beobachten kann. Wegen des dichten Takts kommen die Fahrgäste überwiegend kontinuierlich und nicht auf einen bestimmten Zug. Der verspätete Zug hat nun jeweils mehr Fahrgäste einzusammeln, und wird dadurch noch mehr verspätet, während der nachfolgende Zug jeweils nur wenige Fahrgäste mitnehmen muß und seinen Fahrplan spielend halten kann. Bei Linienbussen im 8-min-Takt habe ich so schon den Fall gesehen, daß zwei aufeinanderfolgende Busse gleichzeitig an derselben Haltestelle hielten.
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