Wir wissen noch nicht, was eine Analyse in ein paar Jahren zu der ganzen Geschichte ergeben könnte.
Aber vielleicht sollte man sich einmal Gedanken machen, welche Restriktionen sinnvoll sind und welche man eher hinterfragen sollte.
Es gibt einige Maßnahmen, die sinnvoll und nützlich sind und die sich für eine längere Zeit durchhalten lassen.
Man kann sich daran gewöhnen, im Bahnhof, im Zug, in anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, im Laden oder auch zu Fuß auf der Straße, wenn viele Leute unterwegs sind, eine Maske zu tragen und soweit möglich, etwas Abstand zu halten. Das bringt etwas und schadet nur relativ wenig. Wenn der Zug sehr voll ist, kann man eine besser Maske tragen, die auch dem Träger mehr Schutz bietet. Ich habe von den besseren Masken eine kleine Anzahl gekauft und trage sie, wenn z.B. im Zug fast alle Plätze besetzt sind. Normalerweise sitzen die Leute aber so, dass von vier Plätzen in einer Sitzgruppe nur zwei belegt werden, wenn das möglich ist. Die Masken wurden in Japan und einigen ostasiatischen Ländern schon vorher getragen, wenn z.B. jemand erkältet war und das Risiko, andere anzustecken, verringern wollte.
Bei Berufen und Tätigkeiten, die Homeoffice zulassen, sollte man das zumindest für einen Teil der Tage praktizieren. Es geht dabei nicht nur um das Ansteckungsrisiko am Arbeitsplatz selbst, sondern auch um die Arbeitswege. Wenn jemand in einer Tätigkeit, die sich prinzipiell für Homeoffice eignet, zuhause nicht sehr effizient arbeiten kann, sollte man auch die Option anbieten, im Büro zu arbeiten. Schon wenn ein größerer Teil der Leute Homeoffice macht, ist viel gewonnen für alle.
Mit den Schulen ist es ein bisschen ein trauriges Kapitel gewesen. Natürlich geht es auch darum, andere Kinder zu treffen. Aber nach dem, was ich gehört habe, haben es einige wenige Schulen, in der Regel teure Privatschulen, geschafft, das der Unterricht über das Internet einigermaßen effizient stattfinden konnte. Viele Lehrer und wohl auch ganze Schulen haben das nicht auf die Reihe bekommen und praktisch fast nichts gemacht in der Zeit. Ein Problem ist, dass es zwar viele gute Video-Software gibt, aber dass diese häufig mit den Datenschutzbestimmungen, an die Schulen gebunden sind, nicht vereinbar ist, so dass nur wenige Softwarelösungen übrig bleiben. Und die müssen dann bei Schülern und Lehrern laufen. Das ist lösbar, aber wie es scheint, nur von einem kleineren Teil der Schulen wirklich gut gelöst worden. Hinzukommt, dass dieses Thema noch äußerst emotional ist, weil es unserem Weltbild entspricht, dass Kinder ordentlich zur Schule gehen müssen. Die teuren Privatschulen haben hier natürlich im Vergleich noch einen Vorteil, weil dort bei den Familien meistens auch ein eigenes Zimmer für jedes Kind und ein eigener Computer für jedes Kind und eine gute Internetanbindung verfügbar ist oder gekauft werden kann. Und die Schule hat Geld für die Investitionen auf ihrer Seite. Trotzdem denke ich, dass dort noch Potential ist und man auch Lösungen finden könnte, bei denen die Kinder in der Schule vor Ort lernen, bei denen der Unterricht via Internet nicht gut funktioniert hat. Die Frage ist allerdings auch aufgetaucht, ob Schüler überhaupt viel zur Verbreitung der Krankheit beitragen, was angeblich nicht der Fall sein soll. Zu gewinnen gibt es aber auch etwas, wenn die Lehrer von zuhause arbeiten können und wenn die Schüler weniger Plätze in den öffentlichen Verkehrsmitteln belegen und dadurch für Berufspendler, die vor Ort arbeiten müssen, mehr Platz ist, um größere Abstände zu halten.
Wie sieht es aus mit Veranstaltungen und Orten, wo viele Leute aufeinander treffen? Sollen Kinos, Restaurants, Fitnessstudios, Sportarenen, Diskotheken, Karneval, Demonstrationen, Konferenzen, Festivals,… stattfinden? Oder gibt es Leute, die sich freuen, wenn man das Demonstrationsrecht einschränkt und vielleicht auch vergisst, die Restriktionen wieder aufzuheben? Ich denke, dass Restriktionen in diesem Bereich weh tun, weil es für einige Leute ein wichtiger Teil des Lebens ist oder weil die dahinter stehendes Businesse nicht beliebig lange ohne Einnahmen überleben können. Das sind also schmerzhafte Einschränkungen, die man sich gut überlegen sollte. Für typische Großveranstaltungen sehe ich tatsächlich im Moment keine Grundlage, aber es scheint sinnvoll, dass man z.B. Kinos, Restaurants oder Fitnessstudios erlaubt, offen zu haben, solange gewisse Sicherheitsregeln eingehalten werden.
Einige Länder haben Bahnverkehr und ÖPNV für einige Monate komplett eingestellt. Das sollte man nicht tun. In der Schweiz wurde vorbildlich der ÖPNV und der Bahnverkehr aufrechterhalten, aber zu den Zeiten, wo sehr viel weniger Fahrgäste unterwegs waren, um ca. 30% reduziert. Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in dieser schwierigen Zeit eine sehr wichtige Funktion für das Funktionieren des Landes wahrgenommen haben. Die Einnahmen sind aber naturgemäß sehr viel tiefer gewesen. Schwarzfahrer haben die Chance gesehen, ohne Fahrkarte zu fahren, weil zeitweise Fahrkarten überhaupt nicht kontrolliert wurden. Die Züge fuhren mit sehr viel weniger Fahrgästen und das war ja sogar erwünscht, um mehr Abstand zu ermöglichen. Vielleicht könnte man die Bahnen und die ÖPNV-Betreiber für diese Einnahmeverluste einmalig finanziell unterstützen, was sich z.B. mit einer Mineralölsteuererhöhung finanzieren ließe.
Es gibt Länder wie Neuseeland, die lange Zeit fast gar keine Fälle hatten. Es ist mehr als verständlich, dass diese Länder Einreise aus anderen Ländern erschweren. Generell sehe ich aber keinen Nutzen darin, Einreise aus Ländern und Regionen, die ein ähnliches Niveau an Infizierten aufweisen, zu verbieten, wie es zum Teil gemacht wurde und immer noch gemacht wird. Das ist Aktionismus, der Eindruck macht und einigen Leuten sogar gefällt, aber nichts bringt. Für Einschränkungen von Reisen aus Ländern mit sehr viel höherem Niveau habe ich Verständnis. Hier stellt sich aber die Frage, warum man z.B. in der Schweiz die Dauer der Quarantäne nicht verkürzen kann, wenn man einen Test macht. Auch wenn es ein Restrisiko gibt, dass der Test ein falsches Ergebnis liefert, so ist dieses Risiko im Vergleich zu dem Grundrisiko, das man bei verantwortungsbewusstem Leben sowieso hat, verhältnismäßig klein. Und jede unnötige Restriktion kostet auch etwas. 10 oder 14 Tage zuhause zu sitzen, kann Leute auch krank machen, zumindest wenn es ihnen schon vorher etwas schlecht geht.
Generell neige ich inzwischen dazu, das viel geschmähte schwedische Modell positiver zu sehen. Natürlich sollte man Maßnahmen, die viel bringen und wenig schaden, praktizieren. Auch in Schweden herrschte im Juni und Juli, als ich dort war, keine Normalität, sondern man lebte vorsichtiger, auch wenn es wenige konkrete harte Restriktionen und mehr Appelle an die Eigenverantwortung gab. Als großer Vorteil könnte es sich erweisen, dass die Menschen und auch die Ökonomie in Schweden noch nicht so „müde“ sind, wie in anderen Ländern. Es gibt also noch Spielraum für temporäre oder auch längerfristige Einschränkungen, wo das nötig ist und für mehr eigenverantwortliche Vorsicht. Wenn man dagegen in Ländern, die monatelang fast komplette „Lockdowns“ hatten, sieht, wie die Masken zwar getragen werden, aber als Kinnschutz, stellt sich die Frage wirklich, ob Schweden nicht am Ende mit am besten abschneiden wird. Eigenverantwortung wird und sollte immer die wichtigste Komponente bleiben, denn viele Dinge lassen sich nicht mit starren Regeln erfassen, aber man kann sie „richtiger“ machen. Nur als Beispiel, man kann täglich einkaufen oder einmal pro Woche oder vielleicht sogar nur alle 2 oder 3 Wochen. Man kann Homeoffice praktizieren, wo es möglich ist, effizient zuhause zu arbeiten und die Verkehrsmittel und Büros für diejenigen entlasten, die unbedingt vor Ort arbeiten müssen oder wollen.
Was auf jeden Fall vernünftig ist, ist auf konkrete Fälle reagieren. Mit genügend Tests wäre es eine Strategie, die Krankheit so auf Null zu bringen. Das scheint aber nicht dir reale Strategie der meisten Länder zu sein, mit wenigen Ausnahmen. Realistisch ist wohl heute, die Krankheit auf einem insgesamt erträglichen Niveau zu halten und auf die Verfügbarkeit eines Impfstoffes zu setzen, der gegen Ende dieses Jahres oder im ersten Quartal des nächsten Jahres kommen könnte.
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