SBB stellt Mobil-App für viele Mobiltelefone ein

Gemäß SBB werden anscheinend ab 9. Dezember 2012 für viele Typen von Mobiltelefonen (z.B. Symbian, Blackberry) die SBB-Apps nicht mehr unterstützt. Damit steht die SBB-Mobile-App vor allem für Nokia- und Blackberry-Telefone ab diesem Datum nicht mehr zur Verfügung. Die Seite, auf der das expliziter stand, gibt es nicht mehr. Man konnte mit diesen Apps eine Fahrplanauskunft einholen und Fahrkarten kaufen. Für Android wird es weiterhin angeboten, aber eben z.B. Symbian- und Blackberry-Telefone nicht mehr, wenn ich die Seite richtig verstanden habe. Für die Fahrplanauskunft gibt es eine auf Mobiltelefone optimierte Webseite, so dass dafür die App eigentlich überflüssig ist:
www.sbb.ch
Alternativ kann man auch eine SMS mit Start und Ziel der Reise an die Nummer 222 schicken und erhält die Verbindungen per SMS, nur leider sind diese SMS teurer als normale SMS, weil man für den Service noch etwas dazuzahlt. Dafür funktioniert es auch aus dem Ausland und mit schlechtem Netz, man braucht aber ein Schweizer Mobiltelefon, weil diese dreistelligen SMS-Nummern immer ins Heimnetz des Mobiltelefons gehen und der Service nur bei den Schweizer Mobiltelefonie-Anbietern existiert.

Aber wer Fahrkarten bisher mit der SBB-App für Symbian oder Blackberry kauft, sollte vielleicht vorher nachschauen, ob die noch funktioniert und sonst rechtzeitig den Automat, die Webseite und den Drucker oder den Fahrkartenschalter in Anspruch nehmen, um die Fahrkarte zu kaufen. Oder ein Generalabonnement kaufen, dann entfällt das Fahrkartenkaufen für die einzelnen Fahrten natürlich auch.

Es wäre natürlich schön, wenn die SBB nach und nach die Funktionalität der App komplett in die mobile Webseite einbaut, insbesondere die Möglichkeit, mit dem Mobiltelefon Fahrkarten zu kaufen und die Personalisierung, die gerade mit der Mäusetastatur der Mobiltelefone die dauernde Eingabe der häufigsten Reiseziele vereinfacht. Das ist sowieso auf die Dauer sinnvoller als Apps für 6-8 verschiedene Mobiltelefontypen zu entwickeln.

Für Symbian-Telefone gibt es aber vielleicht auch hier einen Ersatz:
RailTeam Mobile.

Eine kleine Anmerkung ein gutes Jahr danach: Die Symbian-App ist tatsächlich verschwunden. Natürlich sind auch Symbian-Telefone seither zu einem Teil durch Android-Telefone ersetzt worden.

Hat jemand Erfahrung mit der Android-SBB-App auf Jolla-Telefonen sammeln können?

Signale oder Ampeln?

Wer mit offenen Augen im Zug unterwegs ist, wird sicher irgendwann gesehen haben, dass neben den Gleisen Signale stehen, die oft ein bisschen ähnlich wie Ampeln aussehen und mindestens die Farben Rot und Grün auch verwenden. Im Gegensatz zum Straßenverkehr fährt man bei der Bahn aber fast nie „auf Sicht“, sondern ein Zug bekommt immer einen gewissen Streckenabschnitt exklusiv zugewiesen. Das nennt sich Blocksystem..

In einer einfachen Form kann man bei einer zweigleisigen Strecke annehmen, dass jedes Gleis für eine Richtung vorgesehen ist. Auf der Strecke werden Züge erkannt und wenn ein Zug sich in einem solchen Streckenabschnitt befindet, wird dieser und der vorhergehende Streckenabschnitt für nachfolgende Züge gesperrt. Es gibt verschiedene Arten von Signalen, hier relevant sind Vorsignale und Hauptsignale. Das Vorsignal steht in einem definierten Abstand vor dem Hauptsignal, in Deutschland auf Hauptstrecken normalerweise 1000 m. Es kündigt an, wie die Stellung des nachfolgenden Hauptsignals sein wird, bei dem der Zug gegebenenfalls anhalten muss. Also ein gelbes Vorsignal steht für ein rotes Hauptsignal. Da die normale Höchstgeschwindigkeit für Hauptstrecken 160 km/h ist, sofern nicht das Gelände oder der Streckenzustand zu niedrigeren Geschwindigkeiten zwingt, müssen Züge so gebaut sein, dass sie bei 160 km/h zuverlässig auf einem Bremsweg von einem Kilometer zum Stehen kommen, sonst dürfen sie nicht so schnell fahren. Außerdem wird die Stellung der Signale mit einem Elektromagneten an den Zug übermittelt und wenn der Lokführer auf ein Signal nicht reagiert, wird automatisch eine Schnellbremsung ausgelöst. Solange diese Systeme alle zuverlässig funktionieren, kann also nichts passieren. Häufig sind auf viel befahrenen Strecken die Hauptsignale auch im Abstand von einem Kilometer aufgestellt, so dass immer ein Vorsignal und ein Hauptsignal nebeneinander oder nahe beieinander stehen. Im Vereinigten Königreich hat man eine britische Meile als Abstand favorisiert. Das hat es erlaubt, mit dem vorhandenen Signalsystem 200 km/h zu fahren. Weil die Streckenkapazität durch die längeren Abstände auch entsprechend geringer war, hat man dort schon im 19. Jahrhundert einen größeren Teil der Strecken als anderswo in Europa viergleisig ausgebaut.

Nun werden heute zweigleisige Strecken häufig im Gleiswechselbetrieb verwendet. Das bedeutet, dass beide Gleise für beide Richtungen genutzt werden können und entsprechende Signale aufgestellt sind. Trotzdem fahren die meisten Bahnen in Europa normalerweise im „Linksverkehr“, nur in Deutschland fährt die Bahn rechts. Der Gleiswechselbetrieb ist also eher für das Ausweichen bei Störungen oder für einzelne gleichzeitig fahrende Züge gedacht als für eine wilde Mischung nach dem Zufallsprinzip. Nun hat man bei eingleisigen Strecken oder bei Strecken im Gleiswechselbetrieb das Problem, dass ein Abschnitt der Strecke für eine Fahrtrichtung reserviert werden muss. In der Gegenrichtung ist dann alles rot und in der freigegebenen Richtung kann es grün sein, soweit die Strecke frei ist. Noch komplizierter wird es bei Bahnhöfen und bei Abzweigungen, wo viele Weichen involviert sind. Aber auch hier kommt das Prinzip zum Einsatz, dass man für einen Zug eine „Fahrstraße“ reserviert und die Weichen entsprechend stellt und alle damit kollidierenden Fahrten auf „rot“ stellt. Wenn das alles funktioniert kann also auch in diesen komplexen Situationen nichts passieren. Man sieht allerdings oft eine Situation, wo auf Sicht gefahren wird. Wenn im Kopfbahnhof ein Zug die Richtung wechselt und dafür eine neue Lok bekommt, fährt oft die abghängte Lok, die den Zug in den Bahnhof gezogen hat, unmittelbar nach Abfahrt des Zuges diesem hinterher und wartet dann aber am Ende der Bahnsteige auf ihre eigene Fahrstraße.

Diese Mechanismen konnte man schon in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts mit reiner Mechanik umsetzen und die letzten mechanischen Stellwerke in der Schweiz und in Deutschland waren zumindest vor wenigen Jahren noch zu sehen. Neuere Stellwerke funktionieren elektronisch, aber man treibt dabei einen extrem hohen Aufwand, um die Zuverlässigkeit dieser Systeme zu erhöhen.

Diese Signalsysteme haben sich eigentlich bewährt, aber es gibt doch einige gravierende Nachteile:

  • Jedes Land hat sein eigenes System und Loks, die in verschiedenen Ländern unterwegs sind, müssen alle Systeme für die Übertragung der Signalstellung (z.B. für Deutschland: Indusi) beherrschen.
  • Durch die starren Streckenblöcke wird die Streckenkapazität nicht optimal ausgenutzt
  • Man möchte gerne mit manchen Zügen schneller als 160 km/h fahren

Herausgekommen sind Systeme, die die Signale nicht mehr am Streckenrand positionieren, sondern auf einem Anzeigegerät in der Lok. Dadurch kann man die Mindestabstände zum vorigen Zug abhängig von der Geschwindigkeit festlegen. So etwas haben viele Länder in Europa selber entwickelt, z.B. LZB in Deutschland. Seit einigen Jahren gibt es aber auch endlich ein EU-weit genormtes System, ETCS, das ironischerweise ausgerechnet von der Schweiz zur Serienreife entwickelt wurde, weil die Schweiz noch kein eigenes System für Geschwindigkeiten über 160 km/h zur Verfügung hatte, als die Neubaustrecken von Bern nach Olten und durch den neuen Lötschbergtunnel eröffnet wurden. So war es eine vernünftige Entscheidung, das theoretisch fertige, aber noch nicht hinreichend praxiserprobte ETCS zu verwenden. Es gab dann die witzige Situation, dass die Schweiz der deutschen Bahn Geld dafür gegeben hat, um ICE-Züge für das EU-konforme Signalsystem auszurüsten, damit sie von Berlin über Basel nach Interlaken-Ost fahren können. Inzwischen werden aber nach und nach Strecken damit ausgerüstet oder sogar umgerüstet. Ein schmerzhafter Rückschlag war die neu gebaute Betuweroute von der deutschen Grenze nach Rotterdam, wo man sich ganz auf das neue ETCS verlassen hat und dann in der ersten Zeit keine Signale zur Verfügung hatte. So erklärte man die ganze 160 km lange Strecke zu einem Block und es konnte immer nur ein Güterzug pro Richtung unterwegs sein. Alle Strecken auf das neue System umzubauen kostet Milliarden (nicht Millionen) und bringt dem Bahnreisenden keinen unmittelbaren Vorteil, deshalb wird der Umbau sich wohl über Jahrzehnte hinziehen, dann aber Rationalisierungspotential bringen, weil nur noch ein Signalsystem für einen großen Teil von Europa (EU+Schweiz+weitere Länder) unterstützt werden muss und weil die Strecken besser ausgenutzt werden können.

Welcher Zug hält an welchem Bahnhof

Es gibt sicher Bahnstrecken, auf denen alle Züge an allen Bahnhöfen halten. Bei den meisten U-Bahnen und S-Bahnen ist das so üblich.

Interessant sind aber die Strecken, wo ein Teil der Züge einen Teil der Bahnhöfe ohne Halt durchfährt. Hier gibt es verschiedene Grundmuster, die man beobachten kann. Eine Anmerkung vorweg: Die genauen Zuggattungsbezeichnungen interessieren mich hier nicht, es geht mehr um die Grundprinzipien.

Eilzug und Nahverkehrszug

Neben den Nahverkehrszügen, die an jedem Bahnhof hält, gibt es Schnell- oder Eilzüge (oder wie auch immer die heute genannt werden), die nur bei den wichtigeren Bahnhöfen halten. Zum Teil dann noch einmal noch schnellere Züge, aber es bleibt dasselbe Prinzip. Eine Variante davon ist, daß zwischen zwei großen Städten Eilzüge die ganze Strecke bedienen und Nahverkehrszüge von beiden Seiten jeweils nur 30-40%, so daß im Mittelteil nur die Eilzüge unterwegs sind. Diese beiden Varianten sind sozusagen die klassische Funktionsweise von Bahnverkehr. Es gibt aber bei der S-Bahn in Tokyo und bei der U-Bahn in New York etliche viergleisige Strecken, die auch nach diesem Prinzip betrieben werden, wo also Express-Linien an einem Teil der Haltepunkte durchfahren.
Ein Problem entsteht dabei, wenn man anstrebt, die größere Entfernung mit dem Eilzug zurückzulegen, aber die letzte oder erste Meile mit dem Regionalzug. Gute Anschlüsse zwischen den langsameren und schnelleren Zügen kann es letztlich auf der ganzen Strecke nur an einem Bahnhof oder vielleicht zwei Bahnhöfen geben, außer die Strecke ist sehr lang und die Taktfolge sehr dicht. Im Fall der städtischen Nahverkehrssysteme (U-Bahn in New York) und (S-Bahn in Tokyo) ist das natürlich kein Problem, weil da beim Umsteigen sowieso nach kurzer Zeit ein Anschluß kommt, aber mit Stundentakt muß ja der langsame Zug eine Stunde länger brauchen als der schnellere, bis sich wieder eine günstige Umsteigerelation ergibt.

Alternierende Halte

Ein interessantes Muster, das man aber sehr selten antrifft, sind zwei Nahverkehrslinien, die jeweils 2/3 der Stationen bedienen. An den Stationen, wo beide halten, kann man umsteigen, von den beiden Stationen dazwischen wird abwechselnd die eine und die andere bedient. Für U-Bahnen funktioniert das gut, für selten verkehrende Züge gehen dabei die Verbindungen zwischen den alternierend bedienten Halten verloren. Man spart dabei aber nur 1/3 der Halte ein. Mit drei oder vier Linien läßt sich das entsprechend umsetzen, aber dann wird es selbst auf U-Bahnen kompliziert und langwierig, wenn man zwischen zwei der alternierend bedienten Stationen unterwegs ist.

Monozentrischer Verkehr

In diesem Fall ist der ganze Verkehr auf ein Zentrum ausgerichtet, Fahrten zwischen verschiedenen Bahnhöfen außerhalb des Zentrums spielen nur eine untergeordnete Rolle. So ein System gibt es zum Beispiel bei der S-Bahn in New York und deren Zubringerstrecken (Long Island Railroad). In dem Fall ist es sinnvoll, einen Zug vom letzten Bahnhof des Zentralorts ohne Halt bis in seine Zielregion fahren zu lassen und dann als Nahverkehrszug für einen Teilabschnitt in jedem Bahnhof zu halten. Für die nächsten paar Bahnhöfe gibt es dann wieder einen anderen Zug. So könnte man vielen Fahrgästen eine umsteigefreie Verbindung anbieten, nur muß im Fall von New York auf den außen liegenden Abschnitten mit Diesel und auf den unterirdischen Strecken in New York selber elektrisch gefahren werden, so daß normalerweise einmal Umsteigen erforderlich ist.

Zwei Arten von Nahverkehrszügen

Möglich ist auch ein System, wo die Eilzüge die ganze Strecke ohne Halt fahren, während es zwei Arten von Nahverkehrszügen gibt. Die einen fahren bis zur Hälfte ohne Halt und halten danach überall, die anderen halten auf der ersten Hälfte überall und fahren dann die zweite Hälfte ohne Halt. Sinngemäß mit Interregios und Interregiohalten (statt allen Bahnhöfen) und ICs ist das Prinzip zwischen Bern und Zürich so umgesetzt.

Auslassen eines großen Bahnhofs

Man kann bei einem großen Knoten immer annehmen, daß ein Teil der Fahrgäste daran vorbeifahren will. Da die großen Bahnhöfe immer überfüllt sind und auch deren Ein- und Ausfahrten langwierig sind, kommt man schnell auf die Idee, einen Teil der Züge dort vorbeifahren zu lassen. Das gibt es zum Beispiel in Frankreich in Lyon, das ja etwa eine Million Einwohner hat, aber von einigen TGVs umfahren wird. Man kann das aber auch als Spezialfall des monozentrischen Bahnsystem mit Paris als Zentrum verstehen. So ließen sich aber auch in Zürich, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart oder Bremen einzelne Züge um den jeweiligen Hauptbahnhof herumführen. Tatsächlich beobachtet man, daß es diese Züge gibt, aber sie sind eher selten. Problematisch wird dieser Ansatz dann, wenn es keine klare Fortsetzung nach dem großen Knoten gibt. Man braucht dann zu den verschiedenen wichtigen Zielen jenseits des großen Knotens jeweils verschiedene Züge. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der vielleicht noch wichtiger ist. Oft erlaubt das Fahrgastpotential und die Streckenkapazität, zwei, drei oder vier verschiedene Kombinationen von bedienten Unterwegshalten regelmäßig anzubieten. Wenn man nun diesen Spielraum für größten Bahnhof in der Gegend benutzt, dann verliert man ihn auf den restlichen Bahnhöfen. Sagen wir es gibt eine Strecke von A über B nach C mit vielen Unterwegsbahnhöfen. B ist der größte der Orte und man kann einen Halbstundentakt mit zwei verschieden schnellen Zügen anbieten. Im einen Fall kann man mit dem schnelleren Zug zwischen A und B sowie zwischen B und C jeweils einen großen Teil der Halte auslassen. Im anderen Fall ist es schon so, daß die beiden Möglichkeiten, nach B zu wollen oder an B vorbeifahren zu wollen, das Fahrgastpotential etwa halbieren. Man landet also bei zwei halbstündlichen Nahverkehrszügen, von denen einer B ausläßt und der andere nicht. Es läßt sich noch ein bißchen was machen mit alternierender Bedienung von ein paar Haltestelle, aber die Züge werden nicht sehr schnell sein können, weil man fast überall halten muß.

Die Konsequenz aus dieser Überlegung ist, daß es sinnvoll ist, die zentralen Knoten, wie zum Beispiel Paris, Moskau, Stockholm, Zürich, Frankfurt, Stuttgart, Köln, Berlin oder Hamburg gut auszubauen, so daß dort viele Züge halten können und daß die Zufahrten zu dem Bahnhof nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Wie sieht die Realität aus? In Paris und Moskau gibt es jweils viele Bahnhöfe, die nur über U-Bahn oder S-Bahn miteinander verbunden sind. Daher dauert das Umsteigen mit Bahnhofswechsel eher eine Stunde als 5 Minuten und ohne Umsteigen geht es kaum. In Tokyo und Madrid hat man es geschafft, Verbindungen zwischen den einzelnen Bahnhöfen zu bauen, in Wien ist man dabei. Stockholm läßt sich nur sehr weiträumig umfahren, daher stellt sich die Frage dort nicht, aber es gibt auf den Zulaufstrecken einen Kapazitätsengpaß. In Zürich und Frankfurt ist sicher die Bahnhofseinfahrt recht lang und zeitaufwendig. Aber man achtet in Zürich darauf, daß der Bahnhof genügend Kapazität hat und erweitert ihn sogar noch. In Stuttgart will man den umgekehrten Weg gehen und die Zulaufstrecken bis zum Bahnhof sehr beschleunigen, aber dabei einen Kapazitätsengpaß schaffen, der wahrscheinlich zur Umfahrung mit einem Teil der Züge zwingen wird. Vielleicht verbessert man das Konzept noch und legt mehr Gleise an als in der ursprünglichen Planung. Berlin hat einen neuen Hauptbahnhof erhalten, der eine hohe Leistungsfähigkeit aufweist, weil er zwei Stockwerke und damit vier unmittelbare Zufahrtsstrecken besitzt. Hamburg und Köln haben wiederum das Problem, schon heute zu wenige Gleise zu haben, aber dort gibt es zur Zeit keine Erweiterungsprojekte und man behilft sich mit dem mehrfachen belegen eines Gleises durch zwei kurze Züge.

Siehe zum Thema auch Was kosten Halte?

Draining with Osmosis

For a change I am writing this about a non-railroad issue. It is the English translation of the German article Entwässerung mit Osmose.

Osmosis is described quite well in Wikipedia. In short, mixing of salt solutions with different concentrations sets free some energy. For example when mixing fresh water with sea water, this energy is equivalent to a falling height of 270 m (not 2.8!!!). By using a semi-permeable membrane between the two salt solutions, water molecules will diffuse through the membrane until the sea water side is about 270 m higher than the fresh water side, if dilution of sea water during this process is neglected.

About 30 years ago I have heard about the idea of building osmotic power plants at the mouths of rivers to the sea. They seem to have built a prototype of this recently in Norway and intend to produce 10% of the electricity demand of Norway by osmotic power. This indicates that the concept might become mature soon, even though few countries have as much precipation per inhabitant as Norway, so the achievable percentage will be much lower in most countries.

Another interesting use case of this technology could be draining land areas that are below sea level, like part of the Netherlands or New Orleans. I am sure that there are more of these. Today draining is mostly done by using electric pumps, which consume quite a significant amount of energy. As long as the height difference against the lower tide is less than 270 meters, draining could actually be achieved by using some kind of osmotic pumps without using electricity. Since the height difference is less, it would even be possible to produce some surplus electricity.

I expect that we will see this implemented in areas where applicable within the next ten years, since the osmotic power plant shows that the technology needed for this is becoming mature.

Entwässerung mit Osmose

Heute mal etwas anderes als Bahnverkehr, was mir gerade vor ein paar Tagen in den Sinn gekommen ist…

Osmose ist in Wikipedia gut beschrieben. Kurz gesagt wird beim Mischen verschieden konzentrierter Salzlösungen, also zum Beispiel von Süßwasser mit Meerwasser, Energie frei. Bei Meerwasser und Süßwasser entspricht dies etwa einer Fallhöhe von 270 Metern (ja so viel nicht 2.8!!). Legt man zwischen die beiden Salzlösungen eine geeignete Folie (oder Zellmembran), so diffundiert Wasser von der verdünnteren Seite auf die konzentriertere, bis der Höhenunterschied der Wasserstände dieser Fallhöhe entspricht, die wiederum der Mischungsenergie entspricht.

Schon vor 30 Jahren habe ich von der Idee gehört, damit Osmosekraftwerke an geeigneten Flußmündungen zu bauen. Nun scheint es inzwischen in Norwegen so etwas zu geben und wenn man die Technik besser im Griff hat, möchte man in Norwegen bis zu 10% der Stromversorgung aus solchen Osmosekraftwerken gewinnen. In anderen Ländern ist das weniger, weil die Niederschlagsmenge pro Einwohner in Norwegen um einiges größer als zum Beispiel in Deutschland ausfällt. Um die Größenordnung einzuordnen: ein Osmosekraftwerk, das die Elbemündung optimal ausnutzen würde, hätte etwa die Leistung von 1.5 Kernkraftwerken. Bei der Amazonasmündung wäre es mehr als alle Kernkraftwerke der Welt zusammen. Ob man jemals auf umweltverträgliche Art so große Osmosekraftwerke bauen kann, ist natürlich eine andere Frage.

Ein interessanter Anwendungsfall dieser Technik könnte aber die Entwässerung tief gelegener Landschaften sein, wie man sie z.B. an der Nordseeküste, insbesondere in den Niederlanden, in Ostfriesland und in Schleswig-Holstein findet. Ich bin sicher, daß es solche tief gelegenen Gebiete auch anderswo auf der Erde gibt. Heute werden diese Gebiete mit elektrischen Pumpen entwässert, wofür man eine ganze Menge Energie aufwenden muß. Solange der Höhenunterschied weniger als 270 Meter beträgt kann man die Entwäserung aber mit entsprechenden Osmose-Pumpen ganz ohne Stromeinsatz erreichen. Weil der Höhenunterschied wesentlich weniger ist, kann man dabei sogar noch Strom produzieren.

Ich denke, daß in ein paar Jahrzehnten die Entwässerung solcher tiefer gelegener Gebiete in 10-20 Jahren zu einem großen Teil mit solchen osmotischen Entwässerungsanlagen erfolgen wird. Die Osmosekraftwerke zeigen ja, daß die Technik die dafür erforderliche Reife erreichen kann.

P.S. Gelegentlich fällt mir spontan etwas ein, dann schreibe ich es sofort, es bleibt aber dabei, daß ich normalerweise etwa alle 1-2 Wochen etwas in diesem Blog schreiben werde.

Tarifsysteme und Fahrpreisgestaltung

Wir alle wünschen uns möglichst tiefe Fahrpreise, die aber trotzdem nicht mehr Leute bezahlen als es im Zug Sitzplätze gibt,
wenn wir Fahrgäste sind.
Und möglichst hohe Fahrpreise, die aber trotzdem möglichst viele Fahrgäste bezahlen, wenn wir eine Bahngesellschaft besitzen.

Ja, viele von uns sind Bürger eines Staates, der eine Staatsbahn betreibt, und damit Mitbesitzer einer Bahngesellschaft.

Etwas komplizierter wird es dann noch, wenn wir es aus der Sicht eines Bewohners dieser Erde sehen und vielleicht eine möglichst umweltgerechte Gestaltung des Verkehrs wünschen. Soll dann das Bahnfahren billig sein, damit möglichst viele Fahrten mit der Bahn statt mit anderen Verkehrsmitteln durchgeführt werden? Oder soll es im Sinne einer Kostenwahrheit teurer sein, dann aber vielleicht Autofahren und Fliegen auch noch wesentlich teurer als heute? Darüber kann man viel schreiben und ich werde es vielleicht auch noch tun, mich aber heute auf pragmatischere und banalere Aspekte beschränken.

Letztlich ist die ungefähre Höhe der Fahrpreise durch politische und ökonomische Prozesse vorgegeben und es geht mehr um Fragen wie die Berechnung des Fahrpreises für eine einzelne Fahrt.

Es gibt sehr einfache Systeme, z.B. hatte die U-Bahn in New York in den 80er Jahren (und wahrscheinlich heute noch) ein System, bei dem man vor der Fahrt beim Betreten der Station eine Art Eintritt bezahlen muß. Danach kann man beliebig im Netz herumfahren, bis man irgendwann an einer Station das System wieder verläßt. Für eine kombinierte Bus- und U-Bahnfahrt mußt man also zweimal bezahlen. Das System versteht jeder und es ist auch gerecht, wenn die gefahrenen Entfernungen sich nicht so sehr unterscheiden und wenn die Höhe des Eintritts Ermäßigungen für jüngere Reisende kennt.

Ein anderes einfaches System ist ein reiner Entfernungstarif. Man zahlt pro Kilometer einen bestimmten Betrag. Auch das wirkt auf den ersten Blick gerecht, aber es gibt ein paar kleine Probleme: Oft gibt es mehrere Wege zwischen zwei Bahnhöfen. Welchen man fährt, weiß man vielleicht vorher nicht, will es vielleicht auch gar nicht wissen, solange die Fahrzeit stimmt. Bei der Reinform dieses Tarifs muß man es aber wissen. Ein weiterer Nachteil ist, daß bei diesem System Fahrkarten für sehr kurze Strecken tendenziell zu billig und für sehr lange Strecken tendenziell zu teuer werden. Allein die Ausstellung der Fahrkarte und deren Kontrolle kosten ja Geld und zwar (fast) gleich viel, egal wie lang die Strecke ist.

Reale Tarife sind wesentlich komplizierter als das, bauen aber oft auf dem Entfernungstarif auf. So wird zum Teil so etwas wie eine Tarifentfernung ins Spiel gebracht, die für eine gut ausgebaute und bediente Strecke vielleicht länger als die reale Entfernung ist. Oder für eine Strecke mit einem ungewöhnlichen Umweg kürzer als die reale Strecke, da die Fahrgäste schon durch den zeitaufwendigen Umweg genug gestraft werden. Man kann hier Luftlinienentfernungen ins Spiel bringen oder die Topografie des durchfahrenen Gebiets. Komplizierter wird es noch, wenn Fahrgäste einen solchen Umweg fahren, aber auf der Umwegstrecke die Fahrt unterbrechen. Dann ist es für sie eventuell kein Umweg mehr. Soll man beim Fahrkartenkauf schon angeben müssen, wo man die Fahrt zu unterbrechen gedenkt? Noch komplizierter wird es, wenn die Tarife Tageszeiten, Zuggattungen oder sogar einzelne Fahrten teurer oder billiger machen. Oft gibt es ab einer gewissen Entfernung einen Rabatt, zum Beispiel kosten die ersten 200 km jeweils 0.20 EUR/km und dann jeder weitere km nur noch 0.18 EUR/km. Was passiert aber, wenn man eine Hin- und Rückfahrkarte kauft, wobei Hinweg und Rückweg einzeln unter 200 km lang sind, zusammen aber über 200 km? Gibt es da denselben Rabatt? Wenn nicht, wie sieht es aus, wenn man drei Orte A, B und C hat, die auf einer Strecke liegen und zwar sind A und B 190 km voneinander entfernt und B und C 10 km. Wenn man nun die Fahrkarte von B nach C mit dem Umweg über A kauft, sind das 390 km einfache Fahrt, also 74.20 EUR. Wenn man aber die Hin- und Rückfahrkarte von B nach A kauft, sind es zweimal 190 km, also 76 EUR. Gibt es eine logische und tragfähige Definition, was als Hin- und Rückfahrt zählt und was als einfache Fahrt zählt?

Letztlich zeigt sich an diesen einfachen Beispielen, daß es nicht so einfach ist, einen funktionierenden und gerechten und ökonomnisch sinnvollen und politisch akzeptierten Tarif zu definieren. Es bleibt eine erhebliche Komplexität, die aber im Alltag nicht störend sein muß, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Fahrgäste empfinden das Preissystem überwiegend (subjektiv) gerecht
  • Die Komplexität wird durch das „System“ abgefangen

Zu den beiden Punkten eine kurze Erklärung: Natürlich finden Fahrgäste fast immer die Fahrpreise zu hoch, aber hier geht es mehr darum, ob das System in sich, also die Relation der verschiedenen Fahrpreise untereinander, als gerecht empfunden wird.

Zum Verstecken der Komplexität fange ich mal mit einem Negativbeispiel an. Ich wollte an einem Samstag in Kiel Hbf am Automaten eine Fahrkarten für den folgenden Sonntag nach Hamburg kaufen. Erstmal fragte mich der Automat, ob ich SH-Tarif oder DB-Tarif will. Das interessiert mich als Fahrgast nicht, das soll der Automat mir sagen und für meine Fahrt die günstigste Variante ausgeben. Nun gut, Hamburg liegt nicht in Schleswig-Holstein, also wählte ich DB-Tarif. Da ließ sich Hamburg nicht eingeben oder zumindest die Fahrkarte dann nicht wählen, ging einfach nicht. Also doch SH-Tarif und dann ging es. Schon ungünstig, daß ich jetzt den Automat für zwei Minuten unnötig belegt hatte, nur um rauszufinden, daß es SH-Tarif ist. Nach ein paar weiteren Minuten stellte sich heraus, daß ich nicht die Fahrkarte für ein Datum in der Zukunft bekommen konnte. Also kaufte ich sie schließlich am Fahrkartenschalter, der zum Glück noch existierte und offen war. Sonst gibt es bei Bahnhöfen ohne geöffneten Schalter eine Telefonnummer, die man anrufen kann und nach ein paar Minuten Musik kommt dann auch eine nette Reiseberaterin oder ein Reiseberater ans Telefon… Schlimm ist es auch, wenn das Tarifsystem so kompliziert oder die Software so schlecht ist, daß die Leute, die am Schalter arbeiten, überfordert sind, wenn man eine Fahrkarte bei ihnen kaufen will.

In diesem Punkt kann ich die Schweizerische Bahn (SBB) als postives Beispiel aufführen. Man kann dort eine Fahrkarte zwischen zwei Orten kaufen, die in verschiedensten Verkehrsverbünden, Bahngesellschaften u.s.w. zugehören. Der Automat übernimmt aber diese ganze Komplexität und ich muß mich als Fahrgast um den Tarifdschungel nicht kümmern, nur das Geld einwerfen und die Fahrkarte mitnehmen. Bei anderen Vertriebskanälen funktioniert es auch entsprechend gut.

Bahnprojekte in Nordskandinavien

English

Die Region nördlich des Polarkreises in Finnland, Norwegen und Schweden wird oft Nordkalotte genannt. Die Region ist überwiegend recht dünn besiedelt, allerdings gibt es doch einige Orte mit jeweils einigen 10’000 Einwohnern und einem etwas dichter besiedelten Umland, z.B. Tromsø, Narvik, Alta, Harstad und Kiruna. Ich möchte hier nicht den Polarkreis als harte Grenze nehmen, aber doch etwas über Bahnprojekte im Norden dieser drei Länder schreiben, worüber ich Kenntnis erlangt habe. Motivation für Bahnbau in dieser Region war und ist hauptsächlich der Güterverkehr. So wurde die Erzbahn von Luleå an der nordschwedischen Ostseeküste (aber schon südlich des Polarkreises) nach Narvik in Norwegen gebaut, um die riesigen Erzvorkommen in Nordschweden, vor allem in Kiruna, abbauen, transportieren und verkaufen zu können. Nun gibt es in Nordschweden außer bei Kiruna noch weitere Erzvorkommen. Auch Finnland scheint viele große Erzlagerstätten im Norden zu haben und wurde deshalb schon auf manchen Webseiten als das „neue Australien“ bezeichnet. Und in Nordnorwegen findet sich auch noch die eine oder andere Lagerstätte, vor allem bei Kirkenes in der Nähe der norwegisch-russischen Grenze. Diese Mine ist Grund für die nördlichste Bahnstrecke in Norwegen, die nur ein paar Kilometer bis zum Hafen von Kirkenes verläuft. Wegen sinkender Rentabilität war die Mine und die Bahnstrecke schon stillgelegt worden, aber heute ist die Nachfrage nach Eisenerz auf dem Weltmarkt so gestiegen, dass sich eine Wiederinbetriebnahme anscheinend gelohnt hat.

Die Bahnstrecke nach Narvik ist auf norwegischer Seite nicht mit dem restlichen Bahnnetz des Landes verbunden. Die Nordlandbahn verläuft von Trondheim nach Bodø, das recht genau in der Mitte von Norwegen liegt, wenn man es der Länge nach von der schwedischen Grenze südlich von Oslo bis zu russischen Grenze östlich von Kirkenes durchfährt. Nun gab es in den 20er Jahren Pläne, diese Bahn überhaupt zu bauen und zwar nicht nur bis Bodø, sondern auch die Polarbahn bis Kirkenes und Vadsø ganz im Nordosten des Landes. Im zweiten Weltkrieg ist der Bau dieser Strecke beschleunigt worden und Teile der heutigen Strecke bis Bodø entstanden dabei, auch wenn sie erst 1962 fertiggestellt wurde. Weiter nördlich in Richtung Narvik entstanden schon Tunnel, Brücken und Trassierungen, die zum Teil später in den Bau der Europastraße integriert wurden. Heute kann eine Bahnstrecke durch Norwegen bis nach Kirkenes und Vadsø nicht mehr als realistisch angesehen werden, weil die Gegend inzwischen sehr gut mit Straßen, Häfen und sogar ein paar Flugplätzen erschlossen ist. Die Einwohnerzahl ist zu klein, um in einer Situation, wo die Bahn nicht das einzige Verkehrsmittel ist, täglich verkehrende Züge zu füllen. Und für den Güterverkehr parallel zur Küste reichen Schifffahrt und Lastwagen wohl auch aus. Wegen der geringen Einwohnerzahl trägt der Teil von Norwegen, der nordöstlich von Tromsø liegt, auch nur zu einem kleinen Teil der verkehrbedingten Luftverschmutzung des Landes bei.

Eine andere Frage ist eine Verlängerung der Nordlandbahn von Fauske nach Narvik, Harstad und Tromsø. In dem Fall gäbe es wohl eine Bahnstrecke von Trondheim nach Tromsø, mit Verbindungen nach Bodø, Narvik und Harstad. Dieses Projekt wird in Norwegen immer wieder einmal diskutiert, scheint aber keinerlei Priorität zu genießen. Da man in diesem Fall mittelgroße Städte anbinden würde, wäre sicher das Potential vorhanden, um mehrmals täglich sowohl Güterzüge als auch Reisezüge mit einer akzeptablen Auslastung fahren zu lassen. Problematisch ist jedoch, dass zwischen Fauske und Narvik der Tysfjord im Weg ist. Trotz fast unbegrenzter Ressourcen für den Straßenbau hat man es dort noch nicht geschafft, die E6 fährenfrei zu machen. Für die Bahnstrecke gibt es im Prinzip drei Szenarien:

  • Fährroute: Die Bahnstrecke wird zum Tysfjord geführt, wahrscheinlich nach Drag, und mit einer Eisenbahnfähre übergesetzt. Man könnte dabei wahlweise nach Narvik und nach Lødingen fahren und hätte so auch die Möglichkeit, Harstad anzubinden. Nachteil ist aber, dass eine Bahnstrecke mit Fähre zu unattraktiv ist, um mit dem Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr konkurrieren zu können. Diese Variante ist wohl auch nicht mehr vorgesehen, falls überhaupt etwas gebaut wird.
  • Fjordroute: Die Bahnstrecke verläuft am östlichen Ufer des Tysfjords, mit einem hohen Tunnelanteil.
  • Bergroute: Die Bahnstrecke verläuft in der Nähe der schwedischen Grenze über die Berge. Bei Bjørnfjell wird die Strecke von Luleå und Kiruna nach Narvik gekreuzt und damit eine Anbindung von Narvik ermöglicht.

Konkreter ist im Moment aber das Interesse an Bahnverbindungen vom Hinterland zur Küste. Vor allem Finnland hat nach dem Verlust von Petsamo östlich von Kirkenes im zweiten Weltkrieg keinen eigenen eisfreien Hafen mehr. Das ist heute kein großes Problem mehr, weil es sehr gute Eisbrecher gibt, die auch in Häfen der nördlichen Ostsee einen ganzjährigen Betrieb ermöglichen sollen und weil das Verhältnis zwischen Finnland und Norwegen heute gut ist und problemlos norwegische Häfen benutzt werden könnten. Nun eignen sich Lastwagen nicht sehr gut für den Transport großer Mengen Erz. Es gibt wohl derartige Pläne, eine neue Erzgrube bei Pajala in Nordschweden mit 90-Tonnen-Lastwagen an die nächste geeignete Bahnstrecke in Svappavara anzubinden. Das ist wohl schon genehmigt. Nachteil ist aber, dass die Straße und die Brücken bei dieser Belastung in etwa 5 Jahren aufgebraucht sind. Orte, wo es sehr ruhig zu ging und wo nur wenige Autos pro Stunde durchfuhren, brauchen jetzt gute dreifach verglaste Lärmschutzfenster, weil da Tag und Nacht alle 2 Minuten ein 90-Tonnen-Lastzug durchfahren wird. Auf längere Sicht wird hier wohl eine Bahnstrecke die bessere Lösung sein. Im Prinzip gibt es mehrere Möglichkeiten, diese nordschwedischen und nordfinnischen Erzregionen an Bahnstrecken anzubinden, die auch alle in den letzten Jahren diskutiert wurden:

  • Verbindungen nach Süden an das vorhandene Bahnnetz zu den schwedischen und finnischen Ostseehäfen (Kemi, Oulu, Luleå,…)
  • Verbindungen nach Süden oder Osten über das finnische Bahnnetz nach Russland
  • Verbindung von Nordfinnland und Pajala mit Svappavara und damit der Bahnstrecke nach Narvik
  • Neubau einer Bahnstrecke von Pajala und Nordfinnland nach Skibotn in Norwegen
  • Neubau einer Bahnstrecke von Pajala und Nordfinnland nach Kirkenes

Zu beachten ist dabei noch, dass Finnland und Russland Breitspur (1520 mm in Russland, 1524 mm in Finnland) verwenden, während Schweden und Norwegen die Normalspur (1435 mm) einsetzen. Während die 4 mm Unterschied zwischen Russland und Finnland noch im Rahmen der Toleranz liegen, ist für einen größeren Güterverkehr ein Spurwechsel ein kaum akzeptables Hindernis. Erschwerend kommt hinzu, dass die Strecke von Kiruna nach Narvik zur Zeit schon recht gut ausgelastet ist und nur begrenzt zusätzliche Verkehre aufnehmen kann. Sie wird allerdings punktuell ausgebaut, vor allem entstehen mehr Ausweichstellen oder diese werden verlängert, und es werden Anpassungen für höhere Achslasten von 30 Tonnen ermöglicht werden.

Skibotn ist ein Ort mit 700 Einwohnern, der heute nur einen Bootshafen hat. Es ließe sich dort sicher ein Hafen für Großschiffe bauen, aber das wäre ein kompletter Neubau. Außerdem ist die Anbindung wohl schwierig, weil der Anstieg in Richtung Finnland recht steil ist, aber so etwas hat man natürlich an anderen Orten auch bewältigt. So sagte man mir zumindest in Skibotn, dass das Projekt einer Anbindung von Finnland über Skibotn nicht weiter verfolgt werde.

In Kirkenes gibt es bereits einen Hafen und die ersten paar Kilometer der Bahnstrecke, die allerdings auf 1524 mm Spurweite umgebaut werden müsste. Die Anbindung soll östlich oder westlich am Inarisee vorbeiführen, wenn sie gebaut wird. Kirkenes könnte im Gegensatz zu Skibotn auch das Potential für einen geringfügigen Personenverkehr haben, vor allem weil es als Ende der Hurtigroute bereits eine viel besuchte Touristendestination ist.

Schon etwas südlich vom Polarkreis ist vielleicht noch erwähnenswert, dass die parallel zur Ostsee verlaufende Bahnverbindung von Boden nach Haparanda im Jahr 2012 durch eine neue Linienführung erheblich verkürzt wurde. Ein Handicap der schwedischen Bahnen nördlich von Sundsvall ist, dass man sie aus militärstrategischen Gründen weit im Landesinnern gebaut hat und damit die Anbindung der küstennahen Städte mehr schlecht als recht über Stichbahnen gelöst ist. Nun hat man zwischen Sundsvall und Umeå mit der 2010 eröffneten Botniabahn eine eingleisige Hochgeschwindigkeitsstrecke entlang der Küste gebaut und erwägt deren Verlängerung als Nordbotniabahn bis nach Luleå.

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Was kosten Halte?

Vorweg sei gesagt, dass es hier nicht darum geht, das Abhängen von Orten vom Bahnverkehr zu propagieren. Ich möchte aber dazu anregen, über rationale Kriterien darüber nachzudenken, welche Züge welche Bahnhöfe bedienen sollten.

Grundsätzlich hat man bei einem gut ausgebauten Streckennetz immer die Möglichkeit, dass man in gewissen Grenzen mit mehr Energieeinsatz kürzere Fahrzeiten erzielen kann oder mit Inkaufnahme von etwas längeren Fahrzeiten Energie sparen kann.

Das Beispiel ist ein Hochgeschwindigkeitszug, z.B. ein ICE. Es lässt sich aber sinngemäß auch für andere Zuggattungen, Distanzen und Geschwindigkeiten rechnen, mit Ergebnissen, die quantitativ ganz anders aussehen, aber qualitativ in dieselbe Richtung deuten.

Wenn man nach rationalen Kriterien Fahrpläne für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gestaltet, könnte man sich von Überlegungen der Art leiten lassen, dass man eine Fahrzeit x mit einem minimalen Stromverbrauch y erzielen will oder eine minimale Fahrzeit x mit einem vorgegebenen Stromverbrauch y. Die Sache wird in der Wirklichkeit komplizierter, man will auch dichte Taktfolgen erzielen, obwohl lange Züge etwas weniger Strom pro Fahrgast verbrauchen als kurze Züge. Und man will Anschlüsse haben und die Streckenbelegung beachten. Aber hier kann man ja erst einmal mit einem vereinfachten Modell anfangen.

Wir haben als Beispielszenario eine Strecke von A nach C mit Zwischenhalt B, die für 280 km/h ausgebaut ist. B hat eine Umgehungsstrecke, die ohne Verminderung der Geschwindigkeit befahren werden kann. Sagen wir einmal A — C ist 100 km lang und A — B und B — C sind jeweils 50 km, B liegt also genau in der Mitte.

Sehen wir uns im Kursbuch die Fahrzeiten des ICE an, von Kassel nach Göttingen (ca. 44 km) und von Kassel nach Fulda (88 km). Für die 88 km nach Fulda werden ca. 30 min benötigt. Für die ca. 44 km nach Göttingen sind es ca. 19 min. Die ersten 44 km dauern also 19 min, die zweiten 44 km nur 11 min. Daraus kann
man schließen, dass der Halt mit Abbremsen und Beschleunigen etwa 8 min benötigt und auf der freien Strecke eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 240 km/h gefahren wird. Es sind nicht die erlaubten 280 km/h, weil man im Fahrplan gewisse Reserven für Verspätungen eingebaut hat.

Wenn man diese Daten auf unser hypothetisches Beispiel anwendet, braucht man bei den heute üblichen Geschwindigkeiten für die 100 km von A nach C ohne Halt in B

    \[ 8 \mathrm{min} + {60 \cdot \frac{100}{240} \mathrm{min} \;=\; 8 \mathrm{min} + 25 \mathrm{min} \;=\; 33 \mathrm{min}. \]

Mit Halt bei B sind es 8 Minuten mehr, also 41 min.

Dass man wegen der zusätzlichen Beschleunigung bei dem zusätzlichen Halt etwas mehr Strom verbrauchen würde als wenn man durchfährt, soll hier einmal vernachlässigt werden.

Nun kann man sagen, dass 8 min nicht viel sind, aber wenn man annimmt, dass der Zug einige 100 Fahrgäste hat und dass pro Tag viele Züge dort fahren, sind es aufaddiert durchaus pro Tag 2500 Stunden oder mehr. Hinzu kommt, dass es auf einer längeren Strecke mehrere Halte gibt, die man auslassen könnte oder nicht.
Der Wunsch nach einer Gesellschaft, in der es nicht so wie heute auf die Minute ankommt, ist sicher etwas, worüber man nachdenken kann und soll, aber wenn die Bahn Vorreiter dafür ist, ohne dass das gesellschaftlicher Konsens ist, führt das nur zu einer unnötigen Verlagerung von Verkehr von der Bahn weg auf andere
Verkehrsmittel.

Wenn wir aber ohne weiteres bereit sind, die zusätzlichen 8 Minuten zu spendieren, dann können wir so fahren, dass die Umgehungsstrecke benutzt wird und dass trotzdem 41 Minuten gebraucht werden. Das würde eine ganze Menge Strom sparen. Darüber müssten wir einmal zu einer Abschätzung kommen. Wie wir gesehen haben, brauchen Beschleunigung und Abbremsvorgang zusammen 8 Minuten zusätzlich, sagen wir einmal der Einfachheit halber 120 sec für den eigentlichen Halt, 180 sec für die Beschleunigung und 180 sec für das Bremsen. Immer zusätzlich zu dem, was man an Zeit sowieso benötigen würde, wenn man mit hohem Tempo auf freier Strecke fährt.

Aber man könnte die Bildchen ja selber malen. Gefragt ist ein s-t-Diagramm. Von links nach rechts werden die Sekunden gezählt, so von 0 bis 2500. Und von oben nach unten die Kilometer, so von 0 bis 100. Zur Zeit 0 fährt ein ICE bei A (Kilometer 0) los, der bei B hält. 8 min später fährt ein zweiter Zug los, der aber B auf der Umgehungsstrecke umfährt, so dass beide Züge genau gleichzeitig bei C ankommen. Dank mehrgleisiger Strecke und Gleiswechselbetrieb können die beiden Zügen gleichzeitig fahren. Vielleicht schaffe ich es auch irgendwann, ein SVG dazu zu malen oder eine Zeichnung von Hand zu machen und einzuscannen.

Der Beschleunigungsvorgang ist eigentlich nicht gleichförmig. Bei den hohen Geschwindigkeiten wird die Leistung zu einem größeren Teil für das eigentliche Fahren benötigt, so dass weniger Beschleunigung stattfindet. Auch ist die Leistungsfähigkeit der Elektromotoren nicht bei allen Geschwindigkeiten gleich und die Kraftübertragung beim Rad setzt auch Grenzen, sonst drehen die Räder durch. Der Einfachheit wird hier aber gleichförmige Beschleunigung angenommen, was sicher zulässig ist, weil der Unterschied im Stromverbrauch zwischen den beiden Möglichkeiten dadurch nur abgeschwächt wird. Geschwindigkeiten sollten jetzt in Meter pro Sekunde gerechnet werden, speziell sind 240 km/h 66\;\frac{2}{3}\;{\mathrm m / \mathrm{sec}}. Zeiten sind Sekunden, Entfernungen Meter. Einheiten werden weggelassen. Der Ort, wo der in B haltende Zug den durchfahrenden Zug eingeholt hat und die Geschwindigkeit von v \;=\; 66 {2\over 3} \mathrm{m} / \mathrm {sec} erreicht hat, ist s (in Metern) von B entfernt. Es gelten für den Streckenabschnitt von B nach C die Formeln:

Durchfahrender Zug: (1)

    \[ s \;=\; (t - 180) \cdot v$ \]

haltender Zug, a ist die Beschleunigung: (2)

    \[ s \;=\; \frac{1}{2} a t^2 \]

gleichförmige Beschleunigung: (3)

    \[ v \;=\; at \]

Also folgt aus (3): (4)

    \[ a \;=\; \frac{v}{t} \]

Aus (2) und (4) folgt: (5)

    \[ s \;=\; \frac{vt}{2} \]

Aus (1) und (5) folgt: (6)

    \[ v t \;-\; 180 v \;=\; \frac{vt}{2} \;\implies\; t \;=\; 360. \]

Aus (4) und (6) folgt: (7)

    \[ a \;=\; \frac{v}{t} \;=\; 0.185 \frac{\mathrm m}{\mathrm{sec}^2} \]

Aus (2) und (6) folgt: (8)

    \[ s \;=\; 12000 \]

Man kann also einmal sagen, das ungefähr mit 0.185 m/sec² beschleunigt wird, dass dieser Beschleunigungsvorgang 12 km braucht und dass er sich über 6 Minuten hinzieht.

Mit diesen Werten kommen wir nun zu Abschätzungen für die Möglichkeit, mit 80 km/h durch den Bahnhof von B zu fahren, wenn es keine Umgehungsstrecke gibt. Sagen wir einmal, es wird von 240 auf 80 (22.2 m/sec) abgebremst und dann sofort wieder beschleunigt und betrachten wieder nur den Beschleunigungsvorgang. Der braucht 240 Sekunden. In diesen 240 Sekunden werden 240 \cdot 22.2 + \frac{1}{2} \cdot 240^2 \cdot 0.185 \;=\; 10667\; \mathrm m} zurückgelegt, was mit 240 km/h nur 160 Sekunden brauchen würde. Man braucht also 80 Sekunden mehr, beim Bremsen entsprechend. Sagen wir drei Minuten, unter Berücksichtigung von einer gewissen Strecke, die tatsächlich langsam gefahren wird, bevor wieder beschleunigt wird.

Bei maximaler Geschwindigkeit kostet also ein Halt in B 8 Minuten, wenn es eine Umgehungsbahn gibt und 5 Minuten, wenn man sowieso durch den Bahnhof durchfahren muss.

Nun will ich einmal ausrechnen, wie schnell man fahren muss, um in 41 Minuten (2460 Sekunden) unter Benutzung der Umgehungsbahn von A nach C zu kommen. Die Zeit zum Beschleunigen ist t, die dabei zurückgelegte Strecke ist s. Die Beschleunigung a ist 0.185.

Mittlerer Teil wird mit voller Geschwindigkeit v befahren: (1)

    \[ (100000 \;-\; 2 s) \;=\; v \; (2460 \;- \; 2  t) \]

Geschwindigkeit nach Beschleunigungsvorgang: (2)

    \[ v \;=\; a  t \]

Weg nach Beschleunigungsvorgang: (3)

    \[ s \;=\; \frac{a  t^2}{2} \]

Einsetzen von (2) und (3) in (1) ergibt eine quadratische Gleichung: (4)

    \[ (100000 - a t^2) \;=\; a  t (2460 - 2  t) \]

Oder umgeformt: (5)

    \[ a  t^2 - 2460  a  t + 100000 \;=\; 0 \]

Beschleunigung eingesetzt: (6)

    \[ t^2 - 2450 t + 540000 \]

Damit kann man t ermitteln:

    \[ t \;=\; 244 \]

Und v:

    \[ v \;=\; 45 \quad (162 \mathrm{km}/\mathrm{h}) \]

Und s:

    \[ s \;=\; 5496 \]

Weil der Energieverbrauch etwa mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt, hat man bei dieser Lösung die Fahrzeit von 41 Minuten mit einer um Faktor 2.2 geringeren Energieverbrauch für den Teil der Strecke, der mit Höchstgeschwindigkeit befahren wird. Weil der Beschleunigungsvorgang von diesen 88 Kilometern nur einen kleinen Teil der Strecke und der Zeit verbraucht und auch von Zügen bewältigt werden kann, die gar nicht die Leistung installiert haben, mit der man 280 km/h fahren kann, bleibt festzuhalten, dass der Halt in B den Energieverbrauch für die Fahrt von A nach C satt verdoppelt. Die Variante mit der Bahnhofsdurchfahrt in B liegt irgendwo dazwischen, ich spare mir jetzt die Rechnung.

Man könnte den Stromverbrauch für die Fahrt von A nach C ohne Fahrzeitverlängerung halbieren. Man könnte aber sogar noch etwas besseres machen oder doch etwas, was als besser bewertet wird. Man kann auf einen Teil der Stromersparnis verzichten und die Fahrzeit um bis zu 7 Minuten senken. Vor die Wahl gestellt, wird man diesen Weg wählen.

Für die Strecke Frankfurt Hamburg hat der ICE eine Fahrzeitverkürzung von einer knappen Stunde gebracht. Eine Vervollständigung der Neubaustrecken (Frankfurt — Umgehung Fulda, Umgehung Göttingen, Hannover — Hamburg) würde noch einmal eine knappe Stunde Fahrzeitverkürzung ermöglichen. Oder etwas weniger Fahrzeitverkürzung und gewaltige Stromeinsparungen.

Die Franzosen führen uns vor, wie man so etwas machen kann.

Für unseren konkreten Fall ist es sinnvoll und möglich, dass man in Bahnhöfen wie Göttingen oder Fulda regelmäßig genug hält, um mindestens stündliche schnelle Verbindungen nach Frankfurt, Würzburg, Kassel, Braunschweig und Hannover zu bieten, aber darüber hinaus auch mindestens stündlich mit Zügen fährt, die viel seltener halten, z.B. nur in Frankfurt, Kassel und Hannover.

Diese Überlegungen gelten natürlich für beliebige Bahnstrecken. Genauere Rechnungen sind da hoffentlich bei den Bahnen Routine und man weiß auch, wie man fahren muss, um eine bestimmte Fahrzeit mit minimalem Stromverbrauch zu bewältigen, was nicht ganz mit dem vereinfachten Ansatz übereinstimmt.

Warum immer um x:00 und x:30

Warum werden Termine immer so gerne auf die Zeiten x:00 und x:30 gelegt? In der Schweiz kommt ein sehr großer Teil der Leute mit öffentlichen Verkehrsmitteln und da sind die Ankunftszeiten in großen Bahnhöfen oft kurz vor der vollen oder kurz vor der halben Stunde. Vielleicht wären in solchen Orten Sitzungstermine um x:15 und x:45 besser, auch um die knappen Sitzungszimmer besser auszulasten. An manchen Orten sind die Termine um x:00 und x:30 natürlich auch optimal, weil die Entfernung zum Bahnhof größer ist oder weil dort die Züge um kurz vor x:15 und kurz vor x:45 eintreffen.

Stuttgart 21

Bei dem Projekt Stuttgart 21 möchte man bekanntlich ein komplett neues innerstädtisches Bahnnetz mit einem Durchgangsbahnhof unterhalb des heutigen Hauptbahnhofs bauen, den jetzigen oberirdischen Hauptbahnhof mitsamt dem größten Teil der Gleisanlagen abbauen und das freiwerdende Gelände verkaufen. Ursprünglich hoffte man, dass die Verkaufserlöse die Maßnahme komplett finanzieren könnten. Das scheint heute nicht mehr zu gelten, ist aber doch ein Nebenschauplatz, da die immensen Baukosten doch im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Großraums Stuttgart oder zu den sonstigen Staatsausgaben nicht wirklich so immens sind, wenn man es als Investition für mehrere Jahrzehnte betrachtet. Natürlich ist es schade um das viele Geld, wenn dabei kein Nutzen entsteht.

Die Frage ist, was bringt diese Maßnahme an Verbesserungen oder Verschlechterungen für den Bahnbetrieb.

Verbesserungen durch Stuttgart 21

Durch relativ schnelle Neubaustrecken bis zum neuen Hauptbahnhof wird der Bahnverkehr massiv beschleunigt, soweit diese Strecken passen und nicht neue große Umwege nötig werden, wie z.B. bei der Anbindung in Richtung Konstanz.  Außerdem gibt es bei einem Durchgangsbahnhof Einfahrten in zwei Richtungen, was die Kurven verkürzt, die man benötigt, um eine Strecke in den Bahnhof einzufädeln und was auch die Komplexität und damit die Länge der nur langsam befahrbaren Gleisanlagen verkürzt.  Dieser Gewinn fällt recht groß aus, weil in der Nähe von großen Bahnhöfen oder auch nur in dicht besiedeltem Gebiet die Bahnstrecken aus dem 19. Jahrhundert oft über recht lange Strecken kurvenreich und nur langsam befahrbar sind, so dass man hier den größten Beschleunigungseffekt erzielen kann.  Hinzu kommt noch, dass wegen des Durchgangsbahnhofs weniger Richtungswechsel notwendig sind, was auch heute noch etwas Zeit spart, obwohl sich das durch Triebzüge und Steuerwagen relativiert hat. Man könnte einen ähnlichen Fahrzeitgewinn erzielen, indem man eine Umgehungsbahn für Stuttgart baut und etwa ein Drittel bis die Hälfte der Züge über diese führt.  Wenn genügend viele Züge fahren, kann man für Stuttgart eine sehr gute Bedienungshäufigkeit durch ICEs erzielen und zusätzlich stündlich schnelle ICEs haben, die Stuttgart auslassen.  Dieser Ansatz ist möglich, aber auf das Gesamtnetz bezogen nicht optimal.  Darauf möchte ich systematisch in einem eigenen Artikel in den nächsten Wochen oder Monaten eingehen.

Verschlechterungen durch Stuttgart 21

Die Schweizer machen es uns vor, wie gut ein Fahrplansystem sein kann, bei dem man in bestimmten Bahnhöfen zu bestimmten Zeiten eine Vielzahl von Anschlüssen hat.  In den sogenannten Taktknoten, wie z.B. Bern oder Zürich (oder vielen anderen) kommen die meisten Züge kurz vor der vollen und kurz vor der halben Stunde an und fahren kurz nach der vollen und der halben Stunde ab.  Es gibt auch Taktknoten, die mit „viertel vor“ und „viertel nach“ arbeiten.  Das System ist ein möglicher Ansatz zur optimalen Vernetzung der Zugangebote miteinander.  Auch das wird wohl einmal Thema eines eigenen Artikels sein.  Nun setzt dieses Taktknotensystem aber voraus, dass der Bahnhof sehr viele Gleise hat, weil jeweils zweimal in der Stunde fast alle Züge im Bahnhof stehen, alle Leute umsteigen und dann ist der Bahnhof wieder für 20 Minuten einigermaßen leer.  Um das zu schaffen, möchte man in einigen Bahnhöfen der Schweiz gerne die Anzahl der Gleise erhöhen oder zumindest gleich lassen, auch wenn Kopfgleise durch leistungsfähigere Durchgangsgleise ersetzt werden.  In Zürich werden für 2 Milliarden CHF (ca. 1.7 Milliarden EUR) vier Kopfgleise im Hauptbahnhof durch vier unterirdische Durchgangsgleise ersetzt und der Stadtteilbahnhof Oerlikon von sechs auf acht Gleise erweitert und dazu unterirdische Verbindungen und Zufahrtsstrecken gebaut.  In Bern möchte man gerne etwa eine Milliarde CHF für eine Erweiterung des Bahnhofs durch mehr Gleise aufwenden.  Nun ist der Hauptbahnhof von Zürich fast so groß wie der von Frankfurt, in einer Stadt mit nominell ca. 390’000 Einwohnern und ca. 1’000’000 in der Agglomeration. In Bern ist der Hauptbahnhof quasi eine Kopie des Hamburger Hauptbahnhofs in einer Stadt mit 125’000 und ca. 400’000 in der Agglomeration.  Durch das Taktknotenkonzept und die intensivere Bahnnutzung in der Schweiz braucht man tendenziell größere Bahnhöfe.

Nun haben wir das Taktknotenprinzip in Deutschland nicht, höchsten für ICs und ICEs untereinander und einzelne aufeinander abgestimmte Anschlüsse.  Aber es gab natürlich Bestrebungen, so etwas für Stuttgart einzuführen und zumindest gibt es heute doch einige gut funktionierende Anschlüsse.  Wenn es nur noch acht Gleise für den Fernverkehr und dazu die bestehenden S-Bahn-Gleise gibt, kann man prinzipiell nur sehr begrenzt Anschlüsse ermöglichen und einen Taktknoten einzurichten ist auf Jahrzehnte verhindert.  Womöglich muss sogar ein Teil der Züge auf Bahnhöfe am Stadtrand ausweichen.  Und sicher wird es fast nicht mehr möglich sein, auf verspätete Anschlusszüge zu warten.  Das Problem ist also, dass acht Gleise einfach zu wenig sind.  Außerdem zeichnet sich bei den nur zweigleisigen Zufahrtsstrecken ein Kapazitätsengpass bereits ab.

Es ist auch sinnvoll, die Auswahl der Halte so zu gestalten, dass ein Großteil der Züge in Stuttgart im Hbf hält und nicht vorbeifährt. Das spricht gegen die mögliche Idee, einfach nur noch so viele Züge wie nötig in Stuttgart halten zu lassen und möglichst viele Züge einfach den Engpass umfahren zu lassen.

Vorschläge

Sieht man die vorigen Abschnitte als These und Antithese an, stellt sich die Frage, ob es eine Synthese gibt.  Oder in gängigerer Sprache einen Kompromiss, der beide Seiten berücksichtigt.  Ich sehe zwei Ansätze dazu.

Wenn Stuttgart 21 gemäß heutiger Planung zu wenige Gleise hat, dann könnte man statt acht Gleisen zwölf Gleise bauen und die Zufahrtsstrecken viergleisig statt zweigleisig anlegen.

Die zweite Möglichkeit wäre, einen Teil der bestehenden oberirdischen Gleise und Gleisanlagen zu erhalten und auf diesem Weg genügend Kapazität zu gewährleisten.

Eine Kombination wäre auch möglich.

Diese Ansätze machen das Projekt unterm Strich teurer.  Im einen Fall steigt die Investitionssumme noch einmal an, im anderen Fall verringert sich die Dividende durch freigeräumtes Gelände, weil nur eine kleinere Fläche frei wird.  Langfristig gesehen bekommt man aber mit diesen Ansätzen einen Hauptbahnhof mit ausreichender Kapazität für ein zukunftsorientiertes Fahrplanangebot.  Die zusätzlichen Investitionen sind sicher erheblich, bringen aber im Gegensatz zum heutigen Konzept für Stuttgart 21 einen wirklichen Gegenwert in Form von einem verbesserten Bahnangebot, wenn man nur die Infrastruktur mit einem guten Fahrplanangebot nutzt.

Siehe dazu auch