Bahnprojekte in Nordskandinavien

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Die Region nördlich des Polarkreises in Finnland, Norwegen und Schweden wird oft Nordkalotte genannt. Die Region ist überwiegend recht dünn besiedelt, allerdings gibt es doch einige Orte mit jeweils einigen 10’000 Einwohnern und einem etwas dichter besiedelten Umland, z.B. Tromsø, Narvik, Alta, Harstad und Kiruna. Ich möchte hier nicht den Polarkreis als harte Grenze nehmen, aber doch etwas über Bahnprojekte im Norden dieser drei Länder schreiben, worüber ich Kenntnis erlangt habe. Motivation für Bahnbau in dieser Region war und ist hauptsächlich der Güterverkehr. So wurde die Erzbahn von Luleå an der nordschwedischen Ostseeküste (aber schon südlich des Polarkreises) nach Narvik in Norwegen gebaut, um die riesigen Erzvorkommen in Nordschweden, vor allem in Kiruna, abbauen, transportieren und verkaufen zu können. Nun gibt es in Nordschweden außer bei Kiruna noch weitere Erzvorkommen. Auch Finnland scheint viele große Erzlagerstätten im Norden zu haben und wurde deshalb schon auf manchen Webseiten als das „neue Australien“ bezeichnet. Und in Nordnorwegen findet sich auch noch die eine oder andere Lagerstätte, vor allem bei Kirkenes in der Nähe der norwegisch-russischen Grenze. Diese Mine ist Grund für die nördlichste Bahnstrecke in Norwegen, die nur ein paar Kilometer bis zum Hafen von Kirkenes verläuft. Wegen sinkender Rentabilität war die Mine und die Bahnstrecke schon stillgelegt worden, aber heute ist die Nachfrage nach Eisenerz auf dem Weltmarkt so gestiegen, dass sich eine Wiederinbetriebnahme anscheinend gelohnt hat.

Die Bahnstrecke nach Narvik ist auf norwegischer Seite nicht mit dem restlichen Bahnnetz des Landes verbunden. Die Nordlandbahn verläuft von Trondheim nach Bodø, das recht genau in der Mitte von Norwegen liegt, wenn man es der Länge nach von der schwedischen Grenze südlich von Oslo bis zu russischen Grenze östlich von Kirkenes durchfährt. Nun gab es in den 20er Jahren Pläne, diese Bahn überhaupt zu bauen und zwar nicht nur bis Bodø, sondern auch die Polarbahn bis Kirkenes und Vadsø ganz im Nordosten des Landes. Im zweiten Weltkrieg ist der Bau dieser Strecke beschleunigt worden und Teile der heutigen Strecke bis Bodø entstanden dabei, auch wenn sie erst 1962 fertiggestellt wurde. Weiter nördlich in Richtung Narvik entstanden schon Tunnel, Brücken und Trassierungen, die zum Teil später in den Bau der Europastraße integriert wurden. Heute kann eine Bahnstrecke durch Norwegen bis nach Kirkenes und Vadsø nicht mehr als realistisch angesehen werden, weil die Gegend inzwischen sehr gut mit Straßen, Häfen und sogar ein paar Flugplätzen erschlossen ist. Die Einwohnerzahl ist zu klein, um in einer Situation, wo die Bahn nicht das einzige Verkehrsmittel ist, täglich verkehrende Züge zu füllen. Und für den Güterverkehr parallel zur Küste reichen Schifffahrt und Lastwagen wohl auch aus. Wegen der geringen Einwohnerzahl trägt der Teil von Norwegen, der nordöstlich von Tromsø liegt, auch nur zu einem kleinen Teil der verkehrbedingten Luftverschmutzung des Landes bei.

Eine andere Frage ist eine Verlängerung der Nordlandbahn von Fauske nach Narvik, Harstad und Tromsø. In dem Fall gäbe es wohl eine Bahnstrecke von Trondheim nach Tromsø, mit Verbindungen nach Bodø, Narvik und Harstad. Dieses Projekt wird in Norwegen immer wieder einmal diskutiert, scheint aber keinerlei Priorität zu genießen. Da man in diesem Fall mittelgroße Städte anbinden würde, wäre sicher das Potential vorhanden, um mehrmals täglich sowohl Güterzüge als auch Reisezüge mit einer akzeptablen Auslastung fahren zu lassen. Problematisch ist jedoch, dass zwischen Fauske und Narvik der Tysfjord im Weg ist. Trotz fast unbegrenzter Ressourcen für den Straßenbau hat man es dort noch nicht geschafft, die E6 fährenfrei zu machen. Für die Bahnstrecke gibt es im Prinzip drei Szenarien:

  • Fährroute: Die Bahnstrecke wird zum Tysfjord geführt, wahrscheinlich nach Drag, und mit einer Eisenbahnfähre übergesetzt. Man könnte dabei wahlweise nach Narvik und nach Lødingen fahren und hätte so auch die Möglichkeit, Harstad anzubinden. Nachteil ist aber, dass eine Bahnstrecke mit Fähre zu unattraktiv ist, um mit dem Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr konkurrieren zu können. Diese Variante ist wohl auch nicht mehr vorgesehen, falls überhaupt etwas gebaut wird.
  • Fjordroute: Die Bahnstrecke verläuft am östlichen Ufer des Tysfjords, mit einem hohen Tunnelanteil.
  • Bergroute: Die Bahnstrecke verläuft in der Nähe der schwedischen Grenze über die Berge. Bei Bjørnfjell wird die Strecke von Luleå und Kiruna nach Narvik gekreuzt und damit eine Anbindung von Narvik ermöglicht.

Konkreter ist im Moment aber das Interesse an Bahnverbindungen vom Hinterland zur Küste. Vor allem Finnland hat nach dem Verlust von Petsamo östlich von Kirkenes im zweiten Weltkrieg keinen eigenen eisfreien Hafen mehr. Das ist heute kein großes Problem mehr, weil es sehr gute Eisbrecher gibt, die auch in Häfen der nördlichen Ostsee einen ganzjährigen Betrieb ermöglichen sollen und weil das Verhältnis zwischen Finnland und Norwegen heute gut ist und problemlos norwegische Häfen benutzt werden könnten. Nun eignen sich Lastwagen nicht sehr gut für den Transport großer Mengen Erz. Es gibt wohl derartige Pläne, eine neue Erzgrube bei Pajala in Nordschweden mit 90-Tonnen-Lastwagen an die nächste geeignete Bahnstrecke in Svappavara anzubinden. Das ist wohl schon genehmigt. Nachteil ist aber, dass die Straße und die Brücken bei dieser Belastung in etwa 5 Jahren aufgebraucht sind. Orte, wo es sehr ruhig zu ging und wo nur wenige Autos pro Stunde durchfuhren, brauchen jetzt gute dreifach verglaste Lärmschutzfenster, weil da Tag und Nacht alle 2 Minuten ein 90-Tonnen-Lastzug durchfahren wird. Auf längere Sicht wird hier wohl eine Bahnstrecke die bessere Lösung sein. Im Prinzip gibt es mehrere Möglichkeiten, diese nordschwedischen und nordfinnischen Erzregionen an Bahnstrecken anzubinden, die auch alle in den letzten Jahren diskutiert wurden:

  • Verbindungen nach Süden an das vorhandene Bahnnetz zu den schwedischen und finnischen Ostseehäfen (Kemi, Oulu, Luleå,…)
  • Verbindungen nach Süden oder Osten über das finnische Bahnnetz nach Russland
  • Verbindung von Nordfinnland und Pajala mit Svappavara und damit der Bahnstrecke nach Narvik
  • Neubau einer Bahnstrecke von Pajala und Nordfinnland nach Skibotn in Norwegen
  • Neubau einer Bahnstrecke von Pajala und Nordfinnland nach Kirkenes

Zu beachten ist dabei noch, dass Finnland und Russland Breitspur (1520 mm in Russland, 1524 mm in Finnland) verwenden, während Schweden und Norwegen die Normalspur (1435 mm) einsetzen. Während die 4 mm Unterschied zwischen Russland und Finnland noch im Rahmen der Toleranz liegen, ist für einen größeren Güterverkehr ein Spurwechsel ein kaum akzeptables Hindernis. Erschwerend kommt hinzu, dass die Strecke von Kiruna nach Narvik zur Zeit schon recht gut ausgelastet ist und nur begrenzt zusätzliche Verkehre aufnehmen kann. Sie wird allerdings punktuell ausgebaut, vor allem entstehen mehr Ausweichstellen oder diese werden verlängert, und es werden Anpassungen für höhere Achslasten von 30 Tonnen ermöglicht werden.

Skibotn ist ein Ort mit 700 Einwohnern, der heute nur einen Bootshafen hat. Es ließe sich dort sicher ein Hafen für Großschiffe bauen, aber das wäre ein kompletter Neubau. Außerdem ist die Anbindung wohl schwierig, weil der Anstieg in Richtung Finnland recht steil ist, aber so etwas hat man natürlich an anderen Orten auch bewältigt. So sagte man mir zumindest in Skibotn, dass das Projekt einer Anbindung von Finnland über Skibotn nicht weiter verfolgt werde.

In Kirkenes gibt es bereits einen Hafen und die ersten paar Kilometer der Bahnstrecke, die allerdings auf 1524 mm Spurweite umgebaut werden müsste. Die Anbindung soll östlich oder westlich am Inarisee vorbeiführen, wenn sie gebaut wird. Kirkenes könnte im Gegensatz zu Skibotn auch das Potential für einen geringfügigen Personenverkehr haben, vor allem weil es als Ende der Hurtigroute bereits eine viel besuchte Touristendestination ist.

Schon etwas südlich vom Polarkreis ist vielleicht noch erwähnenswert, dass die parallel zur Ostsee verlaufende Bahnverbindung von Boden nach Haparanda im Jahr 2012 durch eine neue Linienführung erheblich verkürzt wurde. Ein Handicap der schwedischen Bahnen nördlich von Sundsvall ist, dass man sie aus militärstrategischen Gründen weit im Landesinnern gebaut hat und damit die Anbindung der küstennahen Städte mehr schlecht als recht über Stichbahnen gelöst ist. Nun hat man zwischen Sundsvall und Umeå mit der 2010 eröffneten Botniabahn eine eingleisige Hochgeschwindigkeitsstrecke entlang der Küste gebaut und erwägt deren Verlängerung als Nordbotniabahn bis nach Luleå.

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