In Europa gibt es viele Bahngesellschaften, sagen wir mal in jedem größeren Land mindestens eine.
Nun sagt die reine Lehre der Marktwirtschaft, dass man sich Wettbewerb zwischen diesen Bahngesellschaften wünschen soll. Dass jede ihre eigene Bahnstrecke parallel zur anderen baut, so absurd hat man es in Nordamerika wohl getrieben, in Europa wird es dazu aber wohl nicht kommen.
Man nimmt die Schienen hier als Verkehrswege gegeben an, analog zu den Straßen, die ja auch von staatlichen und staatsnahen Organisationen gebaut und betrieben werden.
Aber wir dürfen nicht vergessen, die „reine Lehre“ der Marktwirtschaft ist sicher eine tolle Sache, die in anderen Bereichen für faszinierende Fortschritte gesorgt hat. Aber doch ist sie nur ein Mittel zum Zweck, um den Menschen zu dienen und nicht Selbstzweck. Wie den Menschen gedient werden soll, was wünschenwert, was gerecht ist, das muss man letztlich definieren und das Wirtschaftssystem dient diesem Ziel dann, mehr oder weniger erfolgreich.
Wenn nun verschiedene Bahngesellschaften konkurrierend Züge anbieten, dann kann man ja als Fahrgast vom Wettbewerb profitieren und vielleicht günstigere Fahrkarten oder besseren Service bekommen. Oft in einer frühen Phase, in der ausgefochten wird, wer welche Strecke fahren darf. Danach sind die Preise dann oft wieder hoch…
Interessant für die Fahrgäste ist es aber auch, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel also ein Gesamtsystem funktionieren:
- Anschlüsse sind aufeinander abgestimmt, vom ÖPNV bis zum internationalen Verkehr
- Man kann einfach eine Fahrkarte für die Gesamtreise buchen und muss nicht an verschiedenen Stellen kaufen (und umtauschen).
- Wenn es nicht klappt, sieht sich die Bahn für die gesamte Reisekette verantwortlich.
Zur Erläuterung des dritten Punkts ein Erlebnis: Ich fuhr im Zug von Karlsruhe nach Olten, musste in Basel SBB umsteigen. Es war eine der letzten Verbindungen am Tag und der Zug hatte fast eine halbe Stunde Verspätung. Die Frage kam auf, was aus meiner Gesamtreise wird. In der Regel kümmert sich die Bahn um die Fahrgäste:
- Anschlüsse warten oder Ersatzverbindungen werden vorgeschlagen
- Beim letzten Zug warten die Anschlüsse besonders lange
- Wenn es nicht möglich ist, organisiert die Bahn Übernachtung oder Weiterreise mit anderen Verkehrsmitteln oder mit zusätzlichen Zügen (habe ich alles schon erlebt)
Nun habe ich für die Schweiz ein sogenanntes „Generalabonnement“, das etwa der deutschen „BahnCard100“ oder der früheren „Jahresnetzkarte“ entspricht, also nur eine deutsche Fahrkarte bis Basel gehabt. Der Kommentar des Kondukteurs war nun, ich hätte halt trotz Generalabonnement eine Fahrkarte für die Gesamtstrecke kaufen sollen und nun sei halt mein Pech, wenn ich in Basel strande. Es gab noch einen Zug eine halbe Stunde später und alles war gut. Aber ist es wünschenswert und richtig, dass die Bahnen hier jede ihren Garten haben und sich nicht für die Gesamtreisekette verantwortlich fühlen?
Insgesamt bin ich ja bisher recht glücklich gewesen, dass die verschiedenen Bahnen sich quasi als ein europaweites System gesehen haben, so ist es jedenfalls bei mir als Fahrgast und Kunde angekommen. Man kauft Fahrkarten bis ans Ziel europaweit, solange keine Fahrradreserverierungen dabei sind. Züge fahren durchgängig über die Grenze.
Ein System ist aber auch nützlich, wenn man auf einer Verbindung alle Züge nutzen kann und nicht auf die selten fahrenden Verbindungen der Bahngesellschaft angewiesen ist, mit der man zufällig die Fahrkarte gekauft hat. So kann man sich bei Fahrkarten ohne Zugbindung, die der Normalfall sein sollten, immer noch spontan für einen anderen Zug entscheiden.
Ich denke, dass das so bleiben sollte und uns als Fahrgästen mehr nützt als temporär 5% billigere Fahrkarten zu bekommen. Auch wenn man nicht mit Geld um sich werfen kann.