NoCovid / ZeroCovid

Vor allem in Deutschland gibt es eine große Gruppe von Anhängern von „NoCovid“ und „ZeroCovid“.

Beide verfolgen das Ziel, die Zahlen der Covid19-Fälle durch sehr weitgehende Restriktionen auf Null zu bringen und dann bei jedem einzelnen Fall, der trotzdem auftritt, durch Tests und exzessive Lockdowns zu verhindern, dass sich daraus wieder eine Ausbreitung ergibt. Vorbilder sind Neuseeland und Australien und vielleicht unausgesprochen auch China.

Bei „ZeroCovid“ ist zusätzlich noch das Ziel dabei, den Kapitalismus gleich mit zu beerdigen, während es bei NoCovid nur um die Krankheit geht.

Mir scheint die Idee von NoCovid bzw. ZeroCovid in Deutschland sehr populär zu sein, aber in den meisten anderen Ländern viel weniger Anhänger zu haben.

Dazu ein paar Gedanken. China und Neuseeland haben diese Strategie sehr früh angewendet, als Impfstoffe noch in weiter Ferne waren und als die Fallzahlen noch tief waren. Australien ist etwas später dazugekommen. Aber diese Länder haben verglichen mit typischen europäischen Ländern eine Art Insellage. Die nächsten Nachbarländern sind entweder weit weg, viel kleiner oder die Grenzen sind auch ohne Corona viel undurchlässiger als in Europa. Ich denke, von dem Prinzip, dass jedes Land oder z.T. sogar jede Region ihre eigene Corona-Politik macht, sollte man nicht zugunsten einer wie auch immer gearteten „WHO-Corona-Diktatur“ abweichen, denn die regionalen und nationalen Regierungen haben eine viel größere Legitimation, insbesondere wenn sie von der eigenen Bevölkerung gewählt worden sind. Außerdem ist es gerade in einem Bereich, wo man nicht wirklich wusste, was die richtige Lösung ist, gesund, dass es einen Wettbewerb zwischen Ländern und Regionen gab und gibt, um die besten Rezepte zu finden.

NoCovid halte ich in Neuseeland und Australien schon für hochgradig problematisch und bezweifle inzwischen, dass es für diese Länder wirklich die beste Strategie war. Heute leben wir in einer internationalen Welt. Viele von uns haben Partner, Eltern, Kinder, Geschwister, Verwandte, Freunde u.s.w. die in einem anderen Land wohnen. Und viele Menschen gehen sogar zum Arbeiten regelmäßig über die Grenze, in Europa oft sogar täglich, wo es weitere Entfernungen sind, vielleicht jedes Wochenende oder jedes zweite Wochenende oder einige Male im Jahr. Mit NoCovid muss man im Grunde genommen die Grenzen monatelang oder vielleicht jahrelang fast komplett schließen oder deren Überquerung mit unrealistischen Hürden belegen. Ich denke, dass die offenen Grenzen in Europa vor Corona eine sehr wertvolle Errungenschaft ist, die auch ein gewisses Risiko wert ist. Und während Länder wie die Schweiz oder die Vereinigten Staaten inzwischen schrittweise zur völligen Normalität zurückkehren, dürfte es für Länder mit NoCovid-Strategie schwierig sein, den Absprungspunkt zu finden, um zur Normalität zurückzukehren, weil sich die tiefen Zahlen nicht halten lassen würden.

Es wird oft das Argument gebracht, dass „NoCovid“ wirtschaftlich vorteilhafter sei, weil man anonsten andauernd immer wieder Lockdowns machen müsste, die der Wirtschaft mehr schaden. Man sieht aber, dass Länder wie die Schweiz oder Schweden gar nicht so extreme Maßnahmen wie die Ausgangssperre in Deutschland anwenden und es mit ziemlicher Sicherheit in dieser Pandemie nie tun werden. Der Wirtschaft schadet so eine Holzhammermethode wie in Deutschland sicher mehr als eine moderate Strategie wie in der Schweiz. Für die Covid-Fallzahlen und Todesfälle in den letzten Monaten gibt es keine signifikanten Vorteile von Deutschland gegenüber der Schweiz.

Das wichtigste Argument gegen NoCovid ist aber, dass sich bereits im Frühling 2020 abzeichnete, dass es wahrscheinlich im vierten Quartal 2020 funktionierende, zugelassene Impfstoffe geben würde. Das hat sich bewahrheitet, wenn auch die größeren Mengen erst im zweiten Quartal 2021 in Europa zur Verfügung standen. Es war auch immer damit zu rechnen, dass die Impfstoffe nicht nur schwere Ausbrüche, sondern auch die Weitergabe der Krankheit unwahrscheinlicher machen. Unwahrscheinlicher heißt nicht unmöglich, auch das war eigentlich immer klar. Natürlich haben sich die Impfstoffe als wirkungsvoller erwiesen als man erwartet hat. Aber als die sinnvollste Strategie ist es seit über einem Jahr erkennbar, auf möglichst frühe Beschaffung von möglichst viel Impfstoffen zu setzen. Was eine neue Erkenntnis ist: Die Impfstoffe sind verschieden gut. Während einige Impfstoffe durch die bisher bekannten Mutationen kaum in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt werden, hat man z.B. in Chile auf Impfstoffe gesetzt, die sich als weniger wirkungsvoll herausstellten und so hat man trotz hoher Impfquote noch viele Fälle. Heute kann man also sagen, die beste Strategie ist es, möglichst wirksame Impfstoffe in hinreichender Menge zu beschaffen und zu verimpfen. Natürlich ohne Impfpflicht.

Man musste und muss wegen der Impfstoffe also als Ziel statt „NoCovid“ nur das „FlattenTheCurve“ verfolgen und ein exzessives Wachstum der Fälle verhindern. So extreme Maßnahmen wie Ausgangssperren, die im ersten Halbjahr 2020 mit den Impfstoffen noch in weiter Ferne und mit viel geringerem Wissen noch verständlich waren, lassen sich 2021 eigentlich nicht mehr rechtfertigen. #NoNoCovid #NoZeroCovid

Schaut man sich Europa in der Impfstatistik an, so sieht man, dass die meisten größeren Länder (und die meisten kleineren Länder erst recht) schon sehr weit gekommen sind oder zumindest wie Russland und Weißrussland Zugang zu Impfstoffen haben. Nur die Ukraine hat es immer noch praktisch verpasst, Impfstoffe überhaupt in größerer Menge zu beschaffen. Da ja Europa offene Grenzen und viele Interaktionen über die Grenzen hat, wäre es wohl sinnvoll, die Ukraine dabei zu unterstützen, wirkungsvolle Impfstoffe zu beschaffen, damit das dortige Impfprogramm nicht zu sehr ins Hintertreffen gerät.

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