Braunkohleausstieg vor Kernenergieausstieg

Wir haben in Deutschland trotz des „Atomausstieg“ noch einige Kernkraftwerke in Betrieb, die (Stand Mai 2019) zusammen 9’444 GW intallierte Leistung aufwiesen.

Anstatt den Ausstieg aus der extrem umwelt- und klimaschädlichen Braunkohle zu forcieren, sollen diese letzten Kernkraftwerke innerhalb der nächsten drei Jahre außer Betrieb genommen werden. Kernenergie ist auch nicht komplett \mathrm{CO}_2-neutral, aber sie ist in dieser Hinsicht auf jeden Fall besser als Kohle, insbesondere als Braunkohle.

Sinnvoll wäre es, erst einmal den Braunkohleausstieg in den nächsten 3-4 Jahren zu forcieren und wenigstens die noch vorhandene, in Betrieb befindliche und verfügbare Kernkraftwerkskapazität noch mindestens bis nach dem Braunkohleausstieg zu betreiben, um nicht durch unnötige Engpässe den Braunkohleausstieg zu verzögern. Genau das passiert nämlich im Moment, wo man den Braunkohleausstieg bis 2038 hinauszögern will. So werden weiter Dreck und Treibhausgase produziert, Dörfer und Kulturlandschaft vernichtet und Flächen auf Jahrzehnte hinaus verwüstet. Deutschland generiert mehr \mathrm{CO}_2 pro Jahr als Frankreich und Italien zusammen. Es gibt daher leider keinen Anlass, sich selbst wegen Fortschrittlichkeit im Umweltschutz selbst auf die Schulter zu klopfen.

Über Sinn und Unsinn des Kernenergieausstiegs will ich mich hier nicht äußern, das habe ich bereits getan. Man kann durchaus Kernenergie und Kohlegegner gleichzeitig sein. Und fast jeder wird regenerative Energiequellen (Wasserkraft, Wind, Solarenergie) vor Kernenergie und Kohleenergie bevorzugen, wenn sie nur einigermaßen vernünftige Voraussetzungen erfüllen. Aber man sollte die Klimakrise ernst nehmen und die Priorität auf den Kohleausstieg, besonders den Braunkohleausstieg, legen.

Ich weiß, dass das Thema in Deutschland emotional sehr aufgeladen ist. Die Bekämpfung der Kernenergie war jahrzehntelang das bei weitem dominierende Thema in großen Teilen der deutschen Umweltbewegung. Man könnte meinen, dass es als eine Art „Honeypot“ gewirkt hat, um von anderen Umweltproblemen (z.B. Verkehr, Kohlekraftwerke) abzulenken. Gerade der Verkehrsbereich ist bei der Schweizerischen Umweltbewegung ein großes Thema, in Deutschland aber höchstens sehr am Rande. Beim Kernenergieausstieg bis 2022 einen Rückzieher zu machen, wäre sicher ein Prestigeverlust für die deutschen Kernenergiegegner. Aber man sollte auch als „Umweltbewegung“ vielleicht einmal die richtigen Prioritäten überdenken. Umweltschutz und dessen richtige Priorisierung sollte vor Prestige kommen.

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