Wie geschrieben wurde, wird das Projekt der Bahnstrecke von Rovaniemi nach Kirkenes „auf Eis gelegt“. Man erwartet zu wenig Frachtvolumen, um die Investition rechtfertigen zu können und es gibt anscheinend enormen Widerstand von der Sámi-Bevölkerung, wobei krasse Aussagen gebracht werden, dass diese Bahn einen Genozid an der Sámi-Bevölkerung verursachen würde, weil die traditionelle Lebensweise komplett zerstört würde.
Eines vorweg: Es wird sicher nicht das Ergebnis dieses Projekts sein, dass „die Chinesen“ ihren gesamten Güterverkehr mit Europa auf diese Route legen, sondern sie wird primär dem Handel von Finnland und nördlichen Gebieten von Schweden und Norwegen sowie vielleicht dem Baltikum für den Handel mit anderen Kontinenten dienen. Es würden also primär genau die Länder profitieren, auf deren Territorium die Strecke errichtet wird. Slogans, die vom „neuen Rotterdam des Nordens“ sprechen, sind entweder stark übertrieben oder man muss sie lesen, dass Kirkenes für Nordeuropa das werden soll, was Rotterdam für das restliche Europa ist und noch lange bleiben wird. Wenn es sich lohnt, eine lange Schiffsstrecke durch eine Bahnfahrt zu ersetzen, dann ist die transsibirische Eisenbahn eine viel bessere Variante. Rotterdam und Antwerpen liegen relativ nah an den dicht besiedelten Frachtmärkten in Mitteleuropa, wogegen Finnland keine so gut mit den Weltmeeren verbundenen Häfen hat und diese zum Teil im Winter mit zusätzlichem Aufwand mit Eisbrechern offen gehalten werden müssen.
Natürlich sollte man die Lebensgrundlagen einer einheimischen Bevölkerung nicht zerstören.
Aber wieso sollte das eine Bahnstrecke tun, nachdem dort doch schon eine ganze Menge Straßen existieren und auch eine zur Zeit nicht sehr durchlässige Grenze zwischen Norwegen bzw. Finnland und Russland. Eine Bahnstrecke kann man auch ohne durch Gebirge bedingte Notwendigkeit für kurze Abschnitte in Tunnel legen, damit sie von Tieren und auch von den Rentieren der Sámi-Bevölkerung gequert werden können. Das sollte man tatsächlich tun, wenn man in dieser Gegend baut, allerdings verläuft weder die Grenze noch irgendeine Straße in der Gegend zu diesem Zweck in einem Tunnel. Nun können Straßen einfach gequert werden und man muss damit rechnen, dass dort Rentiere auftreten und dass ein paar Tiere jedes Jahr bei Straßenunfällen sterben, während man eine Bahnstrecke wohl einzäunen würde, weil ein Lokführer nicht auf Sicht anhalten kann, wenn Tiere auf dem Gleis sind. Leider ist in der Hinsicht keine Kompromissbereitschaft zu erkennen. Mir ist aber auch nicht bekannt, ob solche Tunnel bei der Verhandlung mit der Sámi-Bevölkerung angeboten oder in Betracht gezogen wurden.
Nun findet der Güterverkehr, den die Bahnstrecke tragen könnte, anderswo statt, zum Teil mit Lastwagen auf Straßen und zum Teil auf anderen Bahnstrecken. So ein ausgebauter Hafen von Kirkenes könnte einen hohen Bahnanteil bei der landseitigen Anbindung haben, einfach weil es sich für die großen Entfernungen anbietet. Und die seeseitigen Verbindungen könnten kürzer als von anderen Häfen sein, wenn man die Nordostpassage fährt oder den Nordatlantik überquert.
Viele Faktoren lassen sich schwer vorhersagen und viele ändern sich auch immer wieder mal. So könnte sich auch einmal herausstellen, dass sich diese Projekt doch für Finnland und Norwegen lohnt.
Eine kleine Anmerkung zu der Vermutung, dass Kirkenes das neue Rotterdam werden könnte und ein großer Teil des Güterverkehrs für ganz Europa durch Finnland laufen könnte: Das halte ich für unwahrscheinlich. Kirkenes wird ein Hafen für Export und Import aus Finnland, Nordnorwegen und Nordschweden sein. Vielleicht noch für das Baltikum, weil dies dieselbe Spurweite verwendet. Wir sprechen also von einem Einzugsgebiet mit etwa 10 bis 15 Millionen Einwohnern. Das sind 2% der Einwohner Europas, wenn auch eine riesige Fläche und relativ wirtschaftsstarke Länder. Für den Rest von Europa wird der Güterverkehr andere Wege verwenden oder weiterhin verwenden, insbesondere die bewährten Häfen in Rotterdam und Antwerpen. Man hat ja sogar Zweifel, ob das Frachtvolumen für die Strecke nach Kirkenes ausreicht, ob man also überhaupt einen hinreichend große Teil des finnischen Güterverkehrs dorthin bekäme.
Links
Dieser Blog:
- Bahnstrecke von Finnland nach Kirkenes auf Eis gelegt
- Neue Diskussion über Bahnstrecke von Finnland nach Kirkenes
- New Discussions about Rail Connection from Finland to Kirkenes
- Neue Überlegungen für Bahn in Nordnorwegen
- Tunnel von Helsinki nach Tallinn
- Bahnprojekte in Nordskandinavien
- Rail Projects in Northern Scandinavia
- Nordostpassage und Nordwestpassage
- NEU 2020-07-30: Arctic Railway Rovaniemi – Kirkenes: Neuer Investor?
Externe Links:
- Wikipedia: Arctic Railway
- Bahnstrecke Kirkenes–Bjørnevatn (Wikipedia)
- OBOR (One Belt – One Road)
- Wikipedia: Lapin rautatiesuunnitelmat (Finnisch)
- arcticcorridor.fi
- Arctic Railway
- Arctic Railway: no time to lose
- Arctic Railway i stor reportasje på finsk TV. (norwegisch)
- Planning of the Arctic Railway route has started
- Norge og Finland er enige: Jernbanen til Kirkenes er mest realistisk
- Slides of Actic Corridor Workshop Kirkenes
- Norconsult: Arctic Railway
- Transport infrastructure needs top investment (Daily Finland)
- Forstudie Jernbaneforbindelse Kirkenes – Rovaniemi (PDF, Norwegisch)
- Kirkenes kan bli et arktisk Rotterdam
- Der Traum von der arktischen Eisenbahn Rovaniemi-Kirkenes
- Finnland setzt auf die Bahn – nach Süden und Norden
- Polarkreisportal: Nord-Bahn — Entscheidung für Rovaniemi-Kirkenes
- Обходят с севера (Russisch)
- Wikipedia: Järnväg mellan Finland och Ishavet (Schwedisch)
- Norway positive to Finland’s Arctic railway plan
- Finland says new Arctic railway should lead to Kirkenes
- Finland: Study on the Arctic rail line completed: Kirkenes routing to be examined further (UIC)
- Report on the Arctic railway completed
- Durch die wilde Arktis
- finnmark.no: Jernbane Kirkenes – Rovaniemi? (Norwegisch)
- Finnish-Norwegian Working group on the Arctic railway routing releases its report in January
- Ministry of Transport and Communications and Sámi Parliament discussed again the Arctic railway report
- Finnisches Verkehrsministerium: Study on the Arctic rail line completed: Kirkenes routing to be examined further
- Report on the Arctic railway completed
- NRK: Finland positiv til jernbane (Norwegian)
- Finland and Norway want to build first Arctic railway (RailFreight.com)
- Finland – Norway Arctic rail link to be studied further (International Railway Journal)
- Finland to explore rail link between Oulu and Norway (Railway Technology)
- Finland and Baltics Gear Up Rail and Arctic Infrastructure Projects to Connect With China, Russia, and EU OBOR Trade
- AEC Finland supports the Arctic railway feasibility study
- Finland could serve as China’s Arctic gateway for Obor
- Finland zeroes in on €2.9bn railway to the Arctic (Global Construction Review)
- Finnish transport minister confirms Rovaniemi – Kirkenes rail survey
- Finns Bring Railway Discussion to Arctic Business Forum (High North News)
- Finland commissions study on new Arctic railway
- Finland takes another step towards building Arctic rail link
- Norwegen und Finnland planen erste Arktis-Bahn (Spiegel)
- Arctic railway not commercially viable: working group
- Report claims that Arctic Railway is not viable
- Arctic Railway Project Encounters Financial Obstacles
- Unwirtschaftlich: Bahn-Plan Rovaniemi-Kirkenes wird auf Eis gelegt (Polarkreisportal)
- Arctic railway not commercially viable, report says
- Arctic railway not viable, says binational report
- Thumbs Down for the Arctic Railway
- Proposed Arctic Railway Would Cut Through Lapland Reindeer Habitat
- «Njet» til jernbane [fra Nikel] til Kirkenes (2007, Norwegisch)
- No business case for Finland – Norway Arctic rail link, says study
- Arctic Ocean railway plan put on ice
- Railway Gazette: Arctic Ocean railway plan put on ice
- Report: Arctic Ocean Railway plan a commercial non-starter
- Arctic railway not viable, says binational report
- No business case for Finland – Norway Arctic rail link, says study
- Railway linking Barents Sea coast to Arctic Finland not commercially viable, report says
- “The Arctic Railway and the Sámi: Reconciling national interests with indigenous rights”, Agne Cepinskyte (FIIA, Finland)
Schreibe einen Kommentar