Kupplungen

Loks und Waggons haben Puffer und in der Mitte eine Schraubenkupplung. So werden Züge zusammengehängt.

In Wirklichkeit ist das eine von mehreren Möglichkeiten, die überwiegend in der westlichen Hälfte von Europa verbreitet ist. In Nordamerika und in Russland gibt es eine automatisch einrastende Kupplung, die auf Zug und Schub belastet werden kann. Deshalb haben z.B. Züge in Nordamerika keine Puffer.

Die Schraubenkupplung hat mehrere Nachteile. Man kann nicht so schwere Lasten anhängen, weil die Kupplungen dann reißen. Und es ist sehr viel manueller Aufwand, diese zu verbinden und zu trennen. Dieser manuelle Aufwand muss heute von den Bahngesellschaften bestellt und bezahlt werden, weil man „Profit Center“ hat oder sogar wirklich getrennte Firmen. Mir sind zwar keine Unfallzahlen bekannt, aber es ist doch grundsätzlich eine gefährliche Tätigkeit, die ein gewisses, vermeidbares Unfallrisiko beinhaltet. Ein weiterer Nachteil ist, dass die seitlichen Kräfte bei der Schraubenkupplung auf eine Weise von Wagen zu Wagen übertragen werden, die den Verschleiß an Rädern und Schienen signifikant in die Höhe treiben. Natürlich ließen sich stabilere Schraubenkupplungen entwickeln und bauen, um schwerere Züge damit zu betreiben, aber wenn man sowieso umstellt, sollte man alle diese Probleme lösen.

Nun hat man in Nordamerika und in der damaligen Sowjetunion die Kupplungen normiert und sich jeweils für ein System von automatisch einrastenden Kupplungen entschieden. Damit kann man sehr schwere Züge ziehen, es gibt auf youtube Filme von regulären Güterzügen mit zwölf Loks. Und Nordamerikanische Dieselloks wiegen 180 Tonnen, mehr als doppelt so viel wie typische europäische Loks. Für Erzzüge hat man auch in Deutschland und Schweden zum Teil die automatischen Kupplungen im Einsatz, obwohl die kaum rangiert werden, einfach wegen der Anhängelast. Nun ist der manuelle Aufwand leider nicht ganz verschwunden, weil man noch die Luftschläuche manuell verbinden muss. Das ist eine einfachere Arbeit als die Schraubenkupplung, aber es bleibt das Problem, dass das jemand machen muss. Die Kupplung, die man heute in Europa einführen würde, könnte die Druckluftschläuche in der Kupplung verbinden, so dass dieser manuelle Schritt auch entfiele. Es müssten nur noch bei Reisezugwagen die Böden für die Verbindung heruntergeklappt werden und die Türen aufgeschlossen werden, was die Kondukteure oder bei kurzen Zügen sogar der Lokführer übernehmen könnten, da es keine gefährliche, dreckige und schwere körperliche Arbeit beinhaltet, für die man speziell geeignet, ausgebildet und gekleidet sein muss.

So hat man schon in den 60er die UIC-Mittelpufferkupplung entwickelt, sich aber nie an die europaweite Umstellung herangetraut oder nie den Konsens dafür gefunden. Diese ist inzwischen zur C-AKv-Kupplung weiterentwickelt worden, die mit der russischen (ehemals sowjetischen), ukrainischen und weißrussischen SA-3-Kupplung, der Schraubenkupplung und der für einige Erzzüge eingesetzten UIC-Mittelpufferkupplung ohne Adapter kuppelbar ist. Wenn sie hält, was sie verspricht, wäre damit eine Umstellung möglich, auch wenn nicht alle Bahnen gleichzeitig mitziehen. Nutzen kann man aber nur ziehen, wenn auf gewissen Zügen nur diese Kupplung eingesetzt wird, sonst hat man die Nachteile des schwächsten Wagens im Zug für den ganzen Zug. Es bleibt also ein Kraftakt, wenn es etwas bringen soll.

Ich denke aber, dass die Zeit reif ist, das Projekt konkreter in Angriff zu nehmen. Im Güterverkehr sind die Längen der Züge durch die Ausweichgleise beschränkt, aber es ist sicher eine sinnvolle Idee, auf gewissen Korridoren viel längere Züge zu ermöglichen. Das macht die Güterzüge effizienter und konkurrenzfähiger, vor allem wenn man offen dafür ist, dass sich Bahngesellschaften mit ihren Güterzügen europaweit bewegen. Ich glaube, dass im Güterverkehr im Gegensatz zum Reiseverkehr ein Wettbewerb sinnvoll, möglich und vorteilhaft ist.

Der andere Vorteil ist aber heute schon sehr wichtig. Man verzichtet auf den Komfort von durchgängigen Zügen mit Kurswagen und lässt die Fahrgäste lieber umsteigen, unter anderem, weil man den Aufwand für das Rangieren scheut. Die Nachtzüge sind quasi zwingend auf Kurswagen angewiesen und müssen dann für relativ viel Geld nachts und an Systemwechselstellen (Diesel/Elektrisch oder verschiedene Stromsysteme) teures Personal in Anspruch nehmen, das nur für diese wenigen Züge gebraucht wird. Da die Nachtzüge wohl kostendeckend fahren können, aber doch knapp kalkulieren müssen, ist das ein gravierender Nachteil, der es erschwert, ein gutes Angebot an Nachtzügen zu haben. Eventuell kann man es schaffen, dass einer der Kondukteure die Züge umkuppeln kann, aber dann muss man die Personaleinsatzpläne so gestalten, dass jemand mit dieser Zusatzausbildung immer dabei ist. Man sieht aber auch bei Tageszügen, dass es oft günstiger zu sein scheint, nicht benutzte Wagen abzuschließen und mitlaufen zu lassen als sie abzuhängen. Dies kann aber auch nötig sein, um sie zu überführen, weil sie am Zielort des Zuges gebraucht werden.

Aber auch im Güterverkehr scheut man zunehmend das Rangieren, sicher teilweise weil es personalintensiv ist, und legt Gleisanschlüsse und ganze Güterbahnhöfe still, um nur noch ein grobes Netz an Zugangspunkten zu betreiben oder sich gar vermehrt auf Container und Ganzzüge, die reine Punkt-zu-Punkt-Verbindungen herstellen, zu konzentrieren. Mit einer automatischen Kupplung könnte das Rangieren wieder effizienter werden und damit der Rückzug des Güterverkehrs aus der Fläche gebremst oder vielleicht sogar einmal umgekehrt werden.

Der Vorteil der Kompatibilität mit der russischen und ukrainischen SA-3-Kupplung relativiert sich wegen der unterschiedlichen Spurweite. Ich denke, dass der Schienenverkehr zwischen Europa und Ostasien ein großes Potential hat und heute schon eine gewisse Bedeutung. Die Frage, ob der Systemwechsel durch Umladen der Ware, durch einzelne Verlängerungen des Breitspurnetzes nach Westen, durch Einsatz von Containern oder durch den Wechsel der Drehgestelle an der Grenze bewerkstelligt werden soll, sollte man nach ökonomischen und technischen Gesichtspunkten entscheiden. Ich glaube, dass mittelfristig der Container die sinnvollste Lösung ist, weil man ihn mit heutiger Technologie einigermaßen effizient zwischen normalspurigen und breitspurigen Güterzügen umladen kann. Aber für langlaufende Reisezüge ist es sicher vorteilhaft, wenn man die Möglichkeit des Drehgestellwechsels nutzt, um mit demselben Zug von Mitteleuropa bis nach Russland oder in die Ukraine durchzufahren, vor allem wenn der Systemwechsel in die Nacht fällt. Hier hätte ein etwa 500 bis 1000 km breiter Streifen, in dem es zumindst ein sehr grobmaschiges Netz in beiden Spurweiten gibt, den Vorteil dass man das Umsteigen in jedem Fall auf den Tag legen könnte, aber die Investitionen sind einfach zu hoch, um das in den nächsten Jahrzehnten umzusetzen. Nun ist man anscheinend in Russland, Weißrussland und der Ukraine in der Lage, einzelne Reisezüge zu betreiben, die eine für diese Länder nicht-standardisierte Kupplung haben und z.B. von Warschau, Paris, Prag, Budapest, Belgrad, Wien oder Berlin nach Moskau, Kiew oder Sankt Petersburg fahren. Das würde aber einfacher werden, wenn es eine zur SA-3 kompatible Kupplung in ganz Europa gäbe. Das ist jedoch ein kleiner Vorteil, den man „mitnehmen“ kann, der aber nicht den Aufwand für die Umstellung rechtfertigen kann.

Für Triebzüge von der Straßenbahn bis zum ICE setzt sich anscheinend weltweit die sogenannte Scharfenbergkupplung durch. Diese sind also untereinander kuppelbar, aber nicht mit den Einzelwagen. Dass man diese beiden Arten von Rollmaterial nicht mehr mischen kann, ist ein ärgerlich, aber in der Praxis keine sehr relevante Einschränkung, weil man sie sowieso praktisch nie mischt.

Es gab 2013 einen Artikel in der NZZ der noch weitere Vorteile der automatischen Kupplung aufzählt, die den Verschleiß an den Gleisen betreffen, und der Angaben zu den Konsten der Umstellung macht.
Auch dort wird empfohlen, das Projekt in Angriff zu nehmen.

Also, kurz gesagt, es wird Zeit, auf die automatische, neue Kupplung umzustellen.

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