Covid-19-Impfung Priorisierung

Vorab: Ich gehe davon aus, dass Covid-19 wirklich eine sehr gefährliche Krankheit ist und dass die Impfstoffe wirklich nützlich sind, um diese Krankheit zu bekämpfen. Und Priorisierung ist immer dann wichtig, wenn das Impfen selbst langsam voran geht. In Israel schafft man anscheinend, die Impfwilligen so schnell zu impfen, dass die Priorisierung unrelevant ist. Das ist leider in Deutschland und in der Schweiz überhaupt nicht der Fall.

Ich befürworte Freiwilligkeit bei der Impfung. Ein Impfzwang ist ein massiver Eingriff, der nur gerechtfertigt ist, wenn man mit einem sehr guten Impfstoff die Krankheit wirklich aus der Welt schaffen kann. Die heutigen Impfstoffe müssten erst beweisen, dass sie dafür ausreichend sind, zumal noch Tiere als Zwischenwirt für das Virus zu existieren scheinen. Aber sie werden es zumindest erlauben, mit der Krankheit wieder zu halbwegs normalen Lebensverhältnissen zurückzukehren. Vermutlich wird man mit der Zeit noch bessere Impfstoffe entwickeln und so wie man z.B. die Pocken ausrotten konnte, kann man auch andere gefährliche Krankheiten aus der Welt schaffen. Konkret sind wahrscheinlich in Mitteleuropa etwa 60 bis 70 % der Menschen bereit, sich impfen zu lassen. Vielleicht steigt die Akzeptanz mit der Zeit, wenn man beobachtet, dass es den Geimpften gut geht und sie tatsächlich profitieren.

Es wurde jetzt mit dem Impfen gegen Covid-19 begonnen. In Deutschland wurde publikumswirksam eine über 100-jährige Seniorin als erste geimpft. Und Senioren haben absolute Priorität bei den Impfungen. Nun scheint es sich noch herauszustellen, dass es schwierig ist, die älteren Senioren zu impfen, weil die z.T. in Pflegeheimen sitzen und nicht zu Impfzentren kommen können und andererseits der Impfstoff nicht lange haltbar ist und bei sehr tiefen Temperaturen gelagert und transportiert werden muss.

Senioren zu impfen ist letztlich ein Luxus, wohlgemerkt ein sehr sehr wünschenswerter Luxus. Aber auch Senioren sind darauf angewiesen, dass das „System“ funktioniert, von dem sie leben. Wenn man nun versteht, dass Covid-19 eine wirklich schwere Krise bedeutet, sollte man vielleicht zuerst diejenigen impfen, die berufsbedingt mit vielen Menschen arbeiten müssen und die nicht die Möglichkeit haben, „remote“ zu arbeiten. Zuerst die Mitarbeiter des Gesundheitssystems und dann Verkäufer, Busfahrer, Bahnschaffner, Flugbegleiter, Kindergärtner u.s.w. Unter Umweltgesichtspunkten ist es dringend nötig, die öffentlichen Verkehrsmittel auch unter dem Aspekt des Ansteckungsrisikos attraktiver zu machen. Also zuerst deren Mitarbeiter mit Publikumskontakt impfen und dann diejenigen, die berufliche bedingt vor Ort arbeiten müssen und z.T. öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder nutzen könnten.

Man weiß schon, dass die Impfung hilft, den Ausbruch der Krankheit sehr viel unwahrscheinlicher zu machen. Man weiß aber noch nicht genau, ob auch die Infektion selbst und die Weitergabe der Infektion dadurch unwahrscheinlicher wird. Solange man das nicht weiß, ist es vernünftig, anzunehmen, dass dies der Fall ist. Das spricht dafür, „Multiplikatoren“, also Leute die mit anderen Menschen arbeiten, bevorzugt zu impfen. Und diese Fragestellung natürlich zu erforschen und gegebenenfalls auf die Resultate zu reagieren. Und ja, solange man es nicht weiß, sollte man auch sicherheitshalber von Geimpften verlangen, dass sie weiterhin „Social Distancing“ und „Maskentragen“ einhalten.

Natürlich sollte man Senioren impfen. Aber bitte dann, wenn diejenigen Impfwilligen geimpft wurden, die zur Weiterverbreitung der Krankheit potentiell am meisten beitragen und die unbedingt benötigt werden, damit medizinische Versorgung, Logistik und mittelfristig auch das Wirtschaftssystem funktionsfähig bleiben. Vielleicht sollte man dann auch Eltern minderjähriger Kinder relativ früh die Impfung anbieten, denn wenn Kinder in jungem Alter beide Eltern verlieren, ist das ein schlimmes Unglück für die Kinder und letztlich auch für die Gesellschaft. Außerdem kann man jüngere Kinder nicht so leicht dazu bewegen, Masken konsequent zu tragen und konsequent Abstand zu halten. Und die Kinder selbst können noch nicht geimpft werden, weil der Impfstoff erst für über 16-jährige zugelassen ist. Aber es hilft schon, wenn die Kette zumindest außerhalb der Gruppe der Kinder unterbrochen wird, also bei Eltern, Lehrern und Kindergärtnern.

Es spricht dann einiges dafür, die jüngeren zuerst zu impfen. Jüngere Menschen bewegen sich im Durchschnitt mehr, es ist anzunehmen, dass sie im Schnitt mehr Kontakte pro Tag treffen. Allerdings würden mich dazu konkrete Daten natürlich interessieren. Es wird allgemein angenommen, dass die Impfung bei Jüngeren besser wirkt. Und die Altersgruppe von 16 bis 30 ist im Allgemeinen dabei, die Basis für das zukünftige Leben zu legen, z.B. mit der Berufsausbildung und mit der Orientierung und Suche von Partnern. Ein Jahr mit starken Einschränkungen dürfte da bei vielen große Löcher reißen, die sich das Leben lang auswirken können. Außerdem ist es sinnvoll, anzunehmen, dass die Impfung bei Senioren weniger gut anspricht und häufiger zu Nebenwirkungen führt. Ob zehn oder mehr Menschen in norwegischen Pflegeheimen, wie im Artikel geschrieben, durch die Impfung gestorben sind, kann man natürlich anzweifeln oder glauben. Bei älteren Menschen können nun einmal leider viele Todesursachen mit höhere Wahrscheinlichkeit eintreffen oder es wirkt sich etwas gefährlich aus, was jüngere Menschen meistens eher „wegstecken“. In Indonesien wird damit argumentiert, dass die Studie mit der Altersgruppe von 18 bis 59 gemacht wurde und dass man deshalb den Impfstoff nur für diese Altersgruppe zulässt.

Ich glaube nach wie vor, dass es vorteilhaft ist, sich impfen zu lassen. Das heißt, dass das Risiko durch die Impfung Schaden zu nehmen, das natürlich nicht 0.0000% ist, kleiner ist als das ohne Impfung erhöhte Risiko, krank zu werden und einen schweren oder tödlichen Verlauf zu haben. Das gilt sicher für die Altersgruppen, die primär in der Studie berücksichtigt wurden. Ich würde annehmen, dass es auch für Hochbetagte gilt. Hat jemand dazu genauere und idealerweise belastbare Informationen?

Um es klarzustellen: Ich möchte wirklich nicht, dass Senioren die Krankheit bekommen, sondern nur, dass sie ein paar wenige Wochen oder Monate länger damit leben müssen, Kontakte zu potenziell infizierten Personen zu minimieren und so zu gestalten, dass das Ansteckungsrisiko möglichst klein bleibt.

Ein sinnvolles Ziel könnte sein, dass es in den nächsten zwölf Monaten möglichst wenige Todesfälle durch die Krankheit gibt, daher ist es wahrscheinlich am besten, die größten Multiplikatoren zuerst zu impfen.

Also, kurz gefasst: Eine sinnvolle Priorisierung unter den Impfwilligen wäre etwa die folgende:

  1. Ärzte, Pflegepersonal und sonstiges Personal im medizinischen Bereich und in Pflegeheimen
  2. Verkäufer, Mitarbeiter von Bahn und öffentlichen Verkehrsmitteln mit Publikumskontakt, Mitarbeiter von anderen Transportunternehmen mit Publikumskontakt
  3. Andere Berufe mit Publikumskontakt (Kindergärtner, Lehrer, Polizei,…)
  4. Menschen die beruflich überwiegend vor Ort arbeiten müssen mit weniger Publikumskontakt oder die beruflich viel reisen müssen
  5. Eltern minderjähriger Kinder
  6. Menschen die durch private Umstände viel reisen müssen: getrennte Paare mit Kindern, Fernbeziehungen etc. Das lässt sich sinnvoll definieren und Missbrauch ist kein Problem. #loveisnottourism
  7. alle anderen, gerne nach Altersgruppen gestaffelt und die Jüngeren zuerst
  8. besonders gefährdete Personen z.B. in Krankenhäusern, Altersheimen und Pflegeheimen vorübergehend durch Schnelltests für Besucher und Mitarbeiter schützen
  9. Die Wirkung von Impfstoffen und die Ausbreitung der Krankheit weiter beobachten und erforschen und auf neue Erkenntnisse reagieren.

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