Da ich es liebe, mit Menschen in den Ländern, die ich bereise in deren Sprache zu sprechen, habe ich einige Sprachen gelernt oder zumindest damit begonnen. Oft genug hat man ja auch Gelegenheit, z.B. in der Schweiz Leute aus anderen Ländern zu treffen und mit ihnen ihn ihrer Sprache zu sprechen, was aber schwieriger ist, da die Umgebung nicht umgestellt ist und man erstmal „umschalten“ muss.
Nun habe ich jeweils etwa zwei Jahre Spanisch und zwei Jahre Russisch gelernt. Bei beiden Sprachen ist es hilfreich, dass sie ein ähnliches Alphabet verwenden wie wir im Deutschen. Spanisch hat ein paar zusätzliche Zeichen im lateinischen Alphabet, die auch noch logisch leicht nachvollziehbar sind. Russisch verwendet das kyrillische Alphabet, das grundsätzlich auch buchstabenorientiert ist wie das lateinische und dessen Zeichen sich leichter erschließen, wenn man sich am griechischen Alphabet orientiert, das wir ja zumindest teilweise aus der Mathematik kennen. Aber auch wenn die meisten Zeichen sich damit schnell erschließen und die übrigen auch schnell zu lernen sind, dauert es doch eine Weile, die Routine zu entwickeln, um das (fast) so flüssig wie lateinische Schrift lesen zu können. Bevor Wörterbücher über das Internet überall verfügbar waren, z.B. LEO, war es auch eine Herausforderung, das Alphabet mit seiner Reihenfolge so gut zu kennen, dass man im Wörterbuch schnell etwas findet. Diese Fertigkeit lernt man heute weniger und braucht sie auch weniger. Wie beim Deutschen ist es noch einmal eine Herausforderung, die Schreibschrift zu lernen, was wiederum an Bedeutung verliert, weil wir heute handschriftlich nur noch für uns selber etwas aufzeichnen und alles, was andere lesen sollen, mit dem Computer geschrieben wird. Wie bei uns ist aber die Kursivschrift ein halber Schritt in Richtung der Schreibschrift, weil Buchstaben zum Teil deutlich verändert sind und das in eine ähnliche Richtung.
Wenn man Deutsch, Englisch und Latein gelernt hat, profitiert man beim Spanisch davon, dass die Wörter oft Wörtern aus diesen drei Sprachen (mit aufsteigender Häufigkeit) ähneln und dass die Konjugation eine entfernte Ähnlichkeit zum Deutschen und eine große Ähnlichkeit zum Lateinischen hat. Auf jeden Fall konnte ich Spanisch in zwei Jahren auf ein brauchbares Niveau bringen und kann mich in dieser Sprache mit vielen Fehlern und suboptimaler Aussprache recht gut über viele Themen unterhalten. Andere romanische Sprachen würden auch helfen, aber mein Französisch ist nicht so gut und ich habe es auch erst nach dem Spanisch angefangen.
Beim Russischen ist es eigentlich ähnlich. Die Wörter haben auch Ähnlichkeit mit Wörtern vom Deutschen, Lateinischen, Spanischen, Schwedischen. Die Ähnlichkeit ist oft nicht ganz so nah und es kommen viele Wörter vor, bei denen sie für mich nicht gut genug erkennbar ist, um sie nutzen zu können. Aber bei jeder Sprache muss man Vokabeln lernen und es gibt auch beim Schwedisch, das ja sehr nah mit dem Deutschen verwandt ist, viele Wörter, die spezifisch für Schwedisch oder zumindest für die nordischen Sprachen sind und die man einfach lernen muss. Es ist nur eine Fleißarbeit und leider ist hier anders als in der Informatik Faulheit keine Tugend.
Die Konjugation ist extrem ähnlich mit der vom Lateinischen, Spanischen und Deutschen. Man findet sogar die Besonderheit wieder, dass die Endung für die erste Person Singular im Lateinischen normalerweise ein „o“ ist, aber in manchen Fällen auch ein „m“, z.B. bei „sum“ für „ich bin“, im Deutschen übrigens bei genau diesem Wort auch, nur dass es ein „n“ statt einem „m“ ist. Wenn man großzügig über den Wechsel zu ähnlichen Konsonanten und Vokalen hinwegsieht ist die Konjugation aber sehr ähnlich. Ein Linguist hat mir bestätigt, dass dies auf den gemeinsamen Ursprung der Sprachen zurückzuführen ist.
Wie sieht es bei der Deklination aus? Russisch hat 6 Fälle, wobei wie im Latein ganz selten noch ein Lokativ als 7. Fall vorkommt. Man hat aber fast immer Formen, die zusammenfallen, also jeweils für Singular und Plural nur etwa 5 verschiedene Endungen. Auch hier findet sich Ähnlichkeit mit Deutsch und Lateinisch. Englisch und Spanisch haben die Deklination sehr reduziert und die Kasusendungen aufgegeben, dienen also für diesen Vergleich nicht wirklich. Was aber Spanisch auch hat, ist das „a“ als typische Femininum-Endung. Das hat Russisch auch.
Nun haben wir schon auf Deutsch und auch auf Lateinisch ein Muster, das sich häufig findet. Der Genitiv Singular hat oft Ähnlichkeit mit dem Nominativ Plural. Und der Nominativ Plural vom Neutrum und Maskulinum hat oft Ähnlichkeit mit dem Nominativ Singular vom Femininum. Oder der Genitiv Singular vom Neutrum und Maskulinum hat Ähnlichkeit mit dem Nominativ Singular vom Femininum. Diese Muster finden sich in allen drei Sprachen in unterschiedlichen Kombinationen wieder und helfen dabei, die betreffenden Endungen „ungefähr“ zu lernen. Es muss aber Routine werden und vom Sprachgefühl ohne Überlegung kommen, sonst kann man keine Unterhaltung führen. Ob dieses Muster von der gemeinsamen Herkunft stammt oder sich zufällig ergeben hat, weiß ich nicht, es hilft aber ein bisschen beim Lernen.
Diese Kasusendungen von Substantiven und Adjektiven und die Konjugationsendungen von Verben fühlen sich wie eine Schikane an, weil man unheimlich viel lernen muss, um sie zu können. Offensichtlich funktionieren ja z.B. Schwedisch und Englisch mit sehr viel weniger Formen als z.B. Lateinisch und Russisch auch. Finnisch, Estnisch und Ungarisch haben sogar noch mehr unterschiedliche Kasusendungen für die jeweils selben Substantive. Um eine Sprache zu verstehen, müssen wir aber die Sammlung von Wörtern irgendwie einordnen und kombinieren. Sie spielen verschiedene Rollen im Satz. Welche Rolle ein Wort spielt, kann durch die Endung ausgedrückt werden. Oder durch die Position im Satz. Oder durch Wörter in der unmittelbaren Umgebung, meistens Präpositionen. Präpositionen sind ein unheimlich interessantes und mächtiges Mittel von Sprachen und sie bilden mit dem nachfolgenden Substantiv und eventuell weiteren Wörtern zusammen einen Satzteil, den man auch relativ unabhängig von der Position richtig einordnen kann, solange die Anordnung der Wörter und eventuell die Kasusendung innerhalb dieses Satzteils stimmen. Und Präpositionen sind auch etwas, was mir bei Sprachen, die ich schon gut kann, immer noch Schwierigkeiten bereitet, weil sie ja nicht 1:1 übersetzt werden können, sondern je nach Anwendungsfall in der jeweiligen Sprache die richtige Präposition verwendet werden sollte.
Auf jeden Fall sind Sprachen mit einigermaßen eindeutiger Kasuskennzeichnung wie Latein und Russisch und sogar Deutsch in der Lage, mit der Anordnung von Satzteilen flexibler umzugehen, während die Reihenfolge in Sprachen wie Schwedisch oder Englisch stärker dem Standardmuster folgen muss, um eine schnelle und zuverlässige Einordnung zu erlauben. Anscheinend funktioniert beides gut genug für den praktischen Gebrauch. Die Abstützung mit Endungen scheint mir robuster zu sein und ich denke, dass es auch einfacher ist, damit eine Sprache gut zu lernen. Der Einstieg ist natürlich viel leichter, wenn die Sprache über die Position im Satz arbeitet.
Was macht es nun aus, dass Russisch mir schwerer fällt als Spanisch? Ich glaube nicht, dass es sich an einem Punkt festhalten lässt. Es ist eine Kombination von vielen Punkten, die für sich genommen relativ wenig ausmachen.
- Spanisch ist näher an Latein als Russisch. Und Latein habe ich nun einmal recht gut gelernt.
- Die kyrillische Schrift ist zwar relativ einfach, aber doch eine zusätzliche Hürde. Schwierig wäre die arabische Schrift ohne Vokalisierung oder gar einige ostasiatische Schriften.
- Die Wörter haben viel Ähnlichkeit mit denen aus anderen Sprachen, die ich kenne, aber doch weniger als z.B. bei Spanisch oder Schwedisch
- Die Sonderfälle bei der Konjugation und Deklination sind etwas schwieriger zu greifen als bei anderen Sprachen, die ich kenne. Es gibt sie überall, außer bei Esperanto.
- Ja, die Deklination muss man lernen und sie muss zur Routine werden. Das hilft später, aber am Anfang nicht. Und ich bin am Anfang….
- Es gibt oft recht lange Wörter, was den Lernaufwand für die Vokabeln vergrößert.
- Bei Verben gibt es meistens zwei und manchmal mehr verschiedene Verben, die jeweils eine Gruppe bilden, (fast) dasselbe bedeuten, aber sich im „Aspekt“ unterscheiden. Das Konzept ist man in der durchgängigen expliziten Form nicht gewohnt, wenn es auch in anderen Sprachen bei Bedarf irgendwie ausgedrückt wird.
- Ich war insgesamt fünf Mal in Spanien und insgesamt vielleicht 9 Wochen. In Russland nur etwas weniger als eine Woche.
- In Russland war ich überwiegend mit dem Fahrrad unterwegs, in Spanien überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Da trifft man mehr Leute und redet mehr.
Auf jeden Fall ist es eine Bereicherung, eine Sprache mehr zu lernen. Es ist interessant, wie die Sprache funktioniert, aber es ist auch interessant, mit Menschen in ihrer Sprache reden zu können und deren Kultur besser zu verstehen. Und Russisch erschließt die Kommunikation mit vielen (älteren) Menschen aus dem ehemaligen Einflussbereich der Sowjetunion, hilft aber auch dabei, irgendwann eine andere slawische Sprache zu lernen. Aber nun werde ich Russisch weiterhin lernen, bis ich dort mit etwas mehr Aufwand als bei Schwedisch oder Spanisch auch in der Lage bin, mich über interessante Themen zu unterhalten.