Alterung von Brücken

Viele Brücken sind in den 50er, 60er und 70er Jahren gebaut worden. Je nach Belastung, Konstruktionsmethode und Qualität der Arbeit werden nun viele davon reparaturbedürftig oder müssen ersetzt werden. Oder man verzichtet auf sie. In seltenen und tragischen Fällen, wie jetzt in Genua, stürzen Brücken sogar ein.

Andererseits wäre das auch eine Chance, Fehlentwicklungen zu korrigieren, die viel zu wenig genutzt wird.

Ein paar Fragen, die man sich stellen könnte:

  • Reicht es eventuell aus, statt eines kompletten Brückeneubaus eine zweispurige Brücke für Lkws und Busse daneben zu bauen und die alte Brücke nur mit Fahrzeugen bis zu wenigen Tonnen Gewicht noch viele Jahre sicher zu betreiben?
  • Kann man auf weniger verkehrsreichen Strecken eine Brücke sparen, wenn man darauf verzichtet, eine Straße für den MIV durchgängig kreuzungsfrei zu halten, und sie durch einen Kreisel oder eine Ampel ersetzen?
  • Kann man in Verbindung mit einer kapazitätsoptimalen Geschwindigkeitsbeschränkung die Anzahl der Spuren verkleinern statt vergrößern und dadurch Kosten sparen?
  • Kann man schmalere Spuren bauen und eine niedrigere Geschwindigkeitsbeschränkung festlegen, um bei gleichem Sicherheitsniveau Kosten zu sparen?
  • Kann man beim Brückenneubau moderne, umweltfreundliche und energieeffiziente Fahrzeuge wie Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel stärker berücksichtigen? Also auf jeden Fall eine Nutzung für Radfahrer auf dem Radweg oder auf der Fahrbahn berücksichtigen und wo sinnvoll Gleise für Bahn oder Straßenbahn aufnehmen?

Luzern Tiefbahnhof und Gotthard-Anbindung

Die Schienenanbindung des neuen Gotthard-Basistunnels sieht auf den ersten Blick so aus, dass man einfach die vorhandenen Strecken beibehalten hat. Auf den ersten Blick klingt das plausibel, ist doch die neue Strecke zweigleisig und die Zufahrtsstrecken nach Norden und nach Süden haben zusammen auch mindestens zwei Gleise. Die Bergstrecke wird nur noch als Ausweichstrecke, für Regionalverkehr und für touristische Züge benutzt, trägt aber nur noch einen sehr kleinen Teil des Durchgangsverkehrs, den man fast vernachlässigen kann.

Da der Tunnel aber eine Sprachgrenze ist, gibt es naturgemäß südlich und nördlich davon relativ dichte und dicht befahrene Netze von Regionalverkehr, deren Dichte jeweils in Richtung Alpen abnimmt. So teilen sich Fernverkehr und Güterverkehr die Zulaufstrecken mit vielen S-Bahnen, Regionalzügen oder auch Fernzügen, die auf ihrer Seite der Alpen bleiben, z.B. die Interregio-Linie von Basel nach Erstfeld.

Man sollte nicht vergessen, dass diese Nord-Süd-Verbindung nicht nur den Reiseverkehr beschleunigt und verbessert hat, sondern auch zu einem sehr großen Teil dem Güterverkehr dient. Dieser profitiert wegen der höheren Zugmasse besonders von den gesparten Höhenmetern.

Nun sieht man, dass die Güterzugstrecke (rot) von Basel bis zum Gotthardbasistunnel einen anderen Weg nimmt als der Fernverkehr (blau) von Basel:

Schienenanbindung Basel – Gotthard

Die Güterzugstrecke ist durchgängig zweigleisig, macht einige Umwege, aber die Trennung von Güterverkehr und Reisezugverkehr bringt bei der hohen Zahl von Güterzügen Vorteile, zumal die Route über Luzern für Güterverkehr wegen fehlender Verbindungskurven und extrem knapper Kapazität im Raum Luzern für Güterverkehr völlig ungeeignet ist. Die Güterzugstrecke ist aber andererseits auch nicht ausschließlich dem Güterverkehr vorbehalten. Überall verkehren außerdem Regionalzüge oder Interregios, aber man führt z.B. die schnellsten Züge von Zürich nach Basel über den Umweg (fast) via Olten und damit praktisch komplett getrennt von dieser Route.
Basel – Zürich

Nun ist die zweitwichtigste, im Reisezugverkehr wohl sogar die wichtigste Verbindung nach Zürich. Diese trifft sich in Arth-Goldau mit der Verbindung von Basel (sowohl Güter- als auch Fernverkehr).

Zürich – Gotthard

Wie sehen nun die Fernverkehrstrecken aus? Diese haben einige Engpässe. Die Strecke von Basel nach Arth-Goldau wird zwischen Basel und Olten gemeinsam vom relativ dichten Regionalverkehr und vom Fernverkehr von Frankreich/Deutschland/Basel in Richtung Bern, Zürich und Luzern/Gotthard/Tessin/Italien benutzt. Zwischen Luzern und Olten fahren dort auch die Züge von Bern nach Luzern. Wirklich eng wird es in Luzern, wo die Zulaufstrecke bis kurz vor dem Bahnhof zweigleisig bleibt und die Einmündungen der Bahnstrecken von Langau, Lenzburg, Zürich und Arth-Goldau (und weiter durch den Gotthardbasistunnel ins Tessin und nach Italien) sind alle höhengleich, also ohne Brücken. Das macht den Luzerner Bahnhof, der selbst mit 16 Gleisen, wovon 14 in Benutzung sind, sehr großzügig angelegt ist, zu einem Engpass wegen der Zulaufstrecken. Ab Luzern ist die Strecke in Richtung Arth-Goldau dann zunächst eingleisig und später wird sie wiederum mit dem Güterverkehr und mit dem Verkehr aus Zürich auf zwei Gleisen gemeinsam geführt, in einem Bereich, wo der reine Nordalpenverkehr noch relativ dicht ist.

Die Zulaufstrecke von Zürich ist bis Thalwil insgesamt mit vier Gleisen gut ausgestattet, auch wenn diese von diversen S-Bahn-Linien und dem Verkehr in Richtung Graubünden noch genutzt werden. Ab dort ist die Strecke bis Baar überwiegend eingleisig. Es gibt mit der Sihltalbahn eine zweite Strecke, die wie die N 4 durch das Sihltal verläuft. Diese hat aber ein anderes Stromsystem und wird in ihrem südlichsten Abschnitt seit etwa 12 Jahren nicht einmal planmäßig befahren. Eine dritte Strecke verläuft von Zürich durch das Knonauer Amt nach Zug und wird nur von der S-Bahn genutzt. Südlich von Zug ist die Strecke bis Arth-Goldau wiederum überwiegend nur eingleisig. Die eingleisigen Streckenabschnitte sind sicher mindestens fragwürdig, zumal die Parallelstrecken für den Fernverkehr wegen Fahrtrichtungswechseln, dichtem S-Bahn-Verkehr und im Fall der Sihltalbahn wegen des Stromsystems für den Fernverkehr ungeeignet sind. Zwischen Zug und Zürich ist Abhilfe zumindest geplant, weil der sogenannte Zimmerberg-Basistunnel ab Thalwil fertiggestellt werden könnte und dann gäbe es durchgängig von Zürich bis Zug mindestens zwei und überwiegend drei bis vier Gleise auf dieser Route und es ließe sich noch eine weitere Fahrzeitverkürzung von Zürich nach Luzern und in Richtung Italien erreichen.

Es bleibt die Frage des Fernverkehrs von Basel über Luzern. Dieser macht einen erheblichen Umweg. Man hat in den 70er Jahren einen Fahrradverbotstunnel und eine westliche Umfahrung für unsere autofahrenden Freunde auf dem kürzesten Weg von Basel und Luzern zur Gotthard-Route gebaut (braun). Der schnellste Weg für Radfahrer ohne Fahrradverbote war die N2 und hat einen ähnlichen Verlauf wie die Bahnstrecke (grün). Ein Gebiet westlich des Vierwaldstätter Sees ist damit zur reinen Autozone gemacht worden, wie z.B. Öland oder Kristiansund. Eventuell könnte man durch eine Stillegung oder Kapazitätsreduzierung dieser Route die Stausituation auf der Gotthardroute entschärfen. Das wäre natürlich zu analysieren.

Straßen von Basel zum Gotthardgebiet

Nun gibt es zwischen Göschenen und Andermatt die Schöllenenschlucht, die Radfahrer befahren konnten, um Fahrradverbotstunnel zur Querung der Alpen zu umfahren, aber nun hat man für dieses Teilstück auch ein Fahrradverbot verhängt, an das sich zum Glück kaum ein Radfahrer zu halten scheint. Aber damit könnte man als Radfahrer die Alpen in der Schweiz nur noch mit zusätzlichen 100 km Umweg queren, wenn es beachtet würde. Und es gäbe auch auf der Nordrampe von Gotthardpasses, Furkapass und Oberalppass eine reine Autozone.

Es wurde einmal diskutiert, auch die Bahnstrecke von Basel zum Gotthard-Basis-Tunnel für den Fernverkehr und eventuell für einen Teil des Güterverkehrs westlich am Vierwaldstättersee vorbeizuführen. In Verbindung mit einem Ausbau in Luzern, wie z.B. Tiefbahnhof Luzern könnte der Fernverkehr erheblich beschleunigt werden, weil eine langsame und auf der ganzen Länge überlastete Strecke durch eine kürzere und durchgängig für Geschwindigkeiten >= 180 km/h befahrbare Strecke ersetzt würde. Und es könnten Kapazitäten zwischen Luzern und Erstfeld besser für Güter- und Regionalverkehr sowie den Verkehr von Zürich genutzt werden. Im Moment setzt man aber auf einen verstärkten Ausbau der vorhandenen Strecke.

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Die Karten wurde von Openstreetmap gewonnen und durch Einzeichnen von Routen geringfügig modifiziert. Sie unterstehen der Lizenz CC BY-SA 2.0 (Create Commons).

Ländervergleich Investitonen Schiene

Es ist interessant, wie verschieden die Priorität des Schienenverkehrs bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in verschiedenen Ländern ist.

Hier kam mal wieder ein Vergleich der Allianz pro Schiene, bei dem Deutschland ziemlich mittelmäßig abschneidet… Oder man kann statista.com anschauen… Auch die NZZ äußert sich dazu.

Man sollte immer beachten, dass Investitionen in Verkehrsinfrastruktur in der Regel für eine Zeit von vielen Jahrzehnten genutzt werden, gewisse Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen vorausgesetzt. Es ist also interessant, was in den letzten Jahrzehnten gelaufen ist.

Die Bahnnetze in Europa und Nord- und Südamerika sind zu einem großen Teil im 19. Jahrhundert gebaut worden, zum Teil noch in bis in die 20er Jahre, aber danach gab es jahrzehntelang nur noch minimale Erweiterungen. Nun eignen sich Bahnstrecken aus dem 19. Jahrhundert durchaus dazu, dort 200 km/h oder mehr zu fahren, wenn man sie entsprechend ausbaut und wenn damals vorausschauend gebaut worden ist oder es wegen des Geländes einfach war, geradeaus und mit großen Kurvenradien und geringen Steigungen zu bauen.

Aber im 19. Jahrhundert saß auch der eine oder andere Onkel General mit am Tisch, als die Bahnstrecken geplant wurden und man baute nicht unbedingt so, wie es für den Verkehr optimal war, sondern musste auch „strategische“ Gesichtspunkte berücksichtigen. Ein krasses Beispiel dafür ist das Bahnnetz in Schweden, wo viele wichtige Strecken nicht an der Küste verlaufen, wo die meisten Menschen wohnen, sondern weit im Landesinnern.

Außerdem haben sich Siedlungs- und vor allem Wirtschaftsstrukturen seitdem geändert.

Nun baut man einerseits Hochgeschwindigkeitsstrecken neu, andererseits S-Bahn-Systeme. Gelegentlich entstehen auch Güterzugstrecken. Von der Streckenlänge ist das aber nur ein Bruchteil des vorhandenen Netzes, von Ausnahmen wie z.B. Spanien oder China abgesehen, wo man quasi in den letzten Jahrzehnten daran ist, ein komplett neues Bahnnetz auf Hochgeschwindigkeitsstandard zu bauen.

Im Straßenbau wurde etwa seit den 20er Jahren viel Geld aufgewendet. Und es wurden großzügige Straßen zu einer Zeit gebaut, als die Anforderungen noch niedrig waren und man kostengünstig bauen konnte.

Andererseits unterscheiden sich Länder darin, wie gut die Bahnnetze vor dem zweiten Weltkrieg ausgebaut wurden. Italien hat schon in den 20er und 30er Jahren Hochgeschwindigkeitsstrecken im damaligen Sinne gebaut, die sich mit 180 km/h und vielleicht mit etwas Verbesserungen auch mit 200 km/h befahren ließen, wohlgemerkt in gebirgigem Gelände, wo es nicht automatisch so herausfällt. Großbritannien hatte im 19. Jahrhundert sehr viel Geld und eine sehr starke Wirtschaft und man hat das Bahnnetz sehr großzügig ausgebaut. Die Strecken sind sehr gerade und oft viergleisig. In anderen Ländern waren und sind durchaus wichtige Hauptstrecken über längere Strecken nur eingleisig. Dafür finden sich einige Beispiele in Deutschland, z.B. zwischen Münster und Dortmund oder zwischen Stuttgart und Zürich. In der Schweiz ist das sehr häufig der Fall. Dort sind viele wichtige Strecken über längere Strecken nur eingleisig, z.B. Zürich-Schaffhausen, Zürich-Chur, Zürich-Zug, Zug-Arth-Goldau, Zug-Luzern, Bellinzona-Locarno, Visp-Spiez, Bern-Neuenburg, um einige Beispiele zu nennen. Auch hat man in anderen Ländern die Standardgeschwindigkeit von etwa 160 km/h für normal ausgebaute Hauptstrecken vorgesehen, natürlich nur dort, wo Gelände, Trassierung und Ausbau es erlauben. In der Schweiz findet man Geschwindigkeiten über 160 km/h fast nur auf den wenigen komplett neu gebauten Strecken und über 140 km/h auch nur auf einigen wenigen Streckenabschnitten, wie man bei Openrailwaymap sehen kann. Andererseits hat man in der Zeit, als die Bahnstrecken im großen Stil gebaut wurden, eindrucksvolle Bahnstrecken über die Alpen gebaut. Und damals war die Schweiz eines der ärmeren Länder in Europa.

Es wurde sicher viel getan, um den Bahnverkehr in der Schweiz zu verbessern, und die Projekte, in die investiert wurde, wurden durchaus in den meisten Fällen sinnvoll gewählt. Aber verglichen mit England und Italien hat die Schweiz aus der Zeit bis etwa 1930 ein in vielen Aspekten bescheideneres Bahnnetz geerbt.

Die Zahlen für die einzelnen Länder sind sicher nicht so einfach zu vergleichen, aber es bleibt die Gesamtaussage, dass in fast allen Ländern Europas die Investitionen in Verkehrsinfrastruktur sehr einseitig für Straßen und dort wiederum speziell für Autos aufgewendet wurden, wenn man einen Zeitraum von etwa 50-100 Jahren betrachtet, was man tun sollte.

Nahverkehr in Köln

Der Nahverkehr in Köln ist interessant, gerade weil viele Fehler gemacht wurden und so recht viel Geld aufgewendet wurde, ohne den maximalen Gegenwert dafür zu erzielen. Es gibt aber andererseits auch Projekte, die durchaus interessant und vielversprechend für die Zukunft sind.

Modal Split sieht so aus, dass etwa 40% der Wege mit dem MIV zurückgelegt werden. Das ist etwa Mittelfeld für deutsche Großstädte und z.B. schlechter als die Werte von Zürich oder Bern. Millionenstädte haben oft Schwierigkeiten, die großen Verkehrsmengen mit dem MIV zu bewältigen oder schaffen dies nur durch exzessive Inanspruchnahme von Fläche und mit vielen Staus zur Hauptverkehrszeit. Andererseits haben sie oft exzellenten ÖPNV und es lohnt sich bei der Größe ein guter schienengebundener ÖPNV und insbesondere ein Metro-System. Es besteht die Möglichkeit dazu, ÖPNV auf sehr hohem Niveau anzubieten, vor allem, wenn man durch ein bisschen Raumplanung oder einfach durch historische Gegebenheiten exzessive Zersiedlung vermieden hat. Gemäß Köln Mobil 2025 ist die Stadt offiziell bestrebt, den MIV-Anteil bis 2025 auf unter ein Drittel zu bringen. Man sieht aber zumindest, dass luxuriöse Straßen für den MIV gebaut werden und dass diese sehr oft Fahrradverbote aufweisen, die das Fahrrad durch zusätzliche Ampeln und Umwege stark verlangsamen. Der Stadtplan sieht aus genügend Entfernung ein bisschen ähnlich wie der von Kiew aus. Es gibt einen Fluss und die Altstadt ist auf der Westseite konzentriert, während auf der Ostseite neuere Stadtteile sind, die hauptsächlich zum Wohnen dienen. Es gibt am Westufer eine Straße parallel zum Flussufer und ein paar Halbkreisbögen. Nun ist Kiew dreimal so groß wie Köln, das Straßennetz in Kiew ist viel besser durchdacht, der Dnjepr in Kiew ist viel größer als der Rhein in Köln und Kiew ist noch ziemlich hügelig, während Köln flach ist. Und Kiew ist eine sehr fahrradfreundliche Stadt, was man über Köln sicher nicht sagen kann, auch wenn es im Vergleich mit anderen deutschen Städten noch relativ gut abschneidet. Aber heute geht es um Köln. Hier die Stadtpläne von Köln und Kiew, nur für die optische Ähnlichkeit.

Open Streatmap Köln

Openstreetmap Kiew
Openstreetmap Kiew

Wie sieht es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aus? Man hat hier zu einem großen Teil auf unterirdische Straßenbahnen gesetzt, die dann als „U-Bahn“ bezeichnet werden, aber keine echte Metro sind. Meistens sind die Linien gemischt, es gibt also Abschnitte, die unterirdisch oder aufgeständert oder sonstwie komplett vom restlichen Verkehr getrennt gebaut sind und andererseits ebenerdige normale Tram-Abschnitte. Das ganze Netz wird als Stadtbahn Köln bezeichnet.

Das bauen der Tunnel oder teilweise aufgeständerter Abschnitte kostet sehr viel Geld und macht die Tramlinien erheblich schneller. Aber es hat auch Nachteile: Der Zugang zu den Stationen ist zeitaufwändiger, weil man über Treppen überhaupt nur zur Haltestelle gelangt, die sonst ebenerdig sein könnte. Allerdings ist auch das nicht immer so gut. Ich habe schon einen vermeitlich sicheren Anschluss an einer Kreuzung, wo sich zwei ebenerdige Tramlinien kreuzen, verpasst, weil die Wartezeiten an den Ampeln zu lang waren. In der Zeit wäre man leicht in einem oberflächennahen Tunnel gewesen, natürlich nicht einer der bis zu 160 Meter unter der Erde liegenden Metrostationen in Kiew. Die Kapazität der Tunnelstrecken ist kleiner, weil man nicht mehr oder nicht mehr so gut wie an der Oberfläche auf Sicht fahren kann und so größere Abstände zwischen den Fahrzeugen und ein Signalsystem benötigt werden. Andererseits werden aber Züge wie auf normalen Tramlinien eingesetzt, die im Vergleich zu den meisten Metro-Zügen relativ kurz und schmal sind. Es ging Flexibilität bei der Gestaltung des Liniennetzes verloren, was das normale Liniennetz und auch Störungen betrifft. Während ein komplett überirdisches Tramnetz typischerweise bei der Kreuzung von zwei Strecken alle sechs Fahrkombinationen ermöglicht, so dass man auf andere Strecken ausweichen kann, wenn es nötig ist oder die Linien leicht ändern kann, sind diese Verknüpfungsmöglichkeiten unterirdisch sehr teuer zu bauen, so dass man nur die konkret unmittelbar benötigten Äste baut. Zwischen überirdischen und unterirdischen Linien, die sich kreuzen, gibt es gar keine Verbindungen. So muss man bei einer Störung einen sehr weiträumigen Umweg fahren.

Im Vorgriff auf ein richtiges Metro-System hat man einige Linien konsequent mit Hochbahnsteigen ausgebaut, was das Ein- und Aussteigen beschleunigt und kostengünstigere und wohl auch robustere Fahrzeuge ermöglicht als die Niederflurtechnologie. Das ganze Netz auf diese Technologie umzubauen, wurde dann aber doch zu viel und so entschied man sich, das Tram-Netz bzw. „U-Bahn-Netz“ in zwei verschiedenen Bahnsteighöhen zu bauen. Es gibt Fahrzeuge, die für eine Übergangszeit mit beiden Bahnsteighöhen zurechtkommen, aber das ist für die niedrigen Bahnsteige nicht ideal und man versucht wirklich, Linien mit einheitlichen Bahnsteighöhen zu haben. Nun kann man Linien nicht mehr mischen, was ärgerlich ist, wo sich zwei Strecken treffen und dann wieder auseinander führen, wobei auf jedem der vier Streckenäste zwei Linien verkehren. Es wäre sehr elegant, hier zwei Linien die Strecken tauschen zu lassen, um möglichst viele Verbindungen umsteigefrei anzubieten, insbesondere z.B. vom Norden der Stadt zum Hauptbahnhof und zu den weiter westlich gelegenen „Ringen“. Aber das geht nicht, die Linien berühren sich nur und die beiden Linien des westlicheren Zweiges führen ab der Umsteigestelle Ebertplatz nach Südwesten zu den Ringen, während die beiden Linien des östlicheren Zweiges zum Hauptbahnhof geführt werden. Diese Zweiteilung zieht sich durch das ganze Netz und behindert überall die Erstellung eines optimalen Liniennetzes. Und sie erschwert nochmal mehr Umleitungen bei Baustellen und Störungen.

Beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn ist die Tunnelbaustelle eingestürzt und es gab dabei einige Todesopfer. Die Folgekosten liegen bei fast einer Milliarde EUR und die Nord-Süd-Stadtbahn wird nun auch erst etwa 10 Jahre später fertig, als ursprünglich geplant. Auf jeden Fall hat man sehr fleißig oberirdische Tramlinien abgebaut, die irgendwann Jahrzehnte später durch eine Tunnellösung ersetzt werden oder ebenerdig wieder neu aufgebaut werden. So ist das Netz heute insgesamt viel kleiner und grobmaschiger, als es in früheren Zeiten war, aber man ist heute ganz klar dabei, es (wieder) zu erweitern. Tramstrecken reichen bis zu abgelegenen eingemeindeten Stadtteilen im Norden. Im Osten und Westen werden Nachbarorte erreicht und im Süden reichen zwei Linien sogar auf verschiedenen Wegen bis nach Bonn. Sie verlaufen beide westlich des Rheins, die Rheinuferbahn in der Nähe des Ufers und die Vorgebirgsbahn über einen Bogen nach Westen via Brühl. Eine dritte Tram-Verbindung nach Bonn wird ernsthaft diskutiert (Generalanzeiger, Rhein-Sieg-Anzeiger, Rhein-Sieg-Anzeiger: Routenvarianten). Diese sollte dann östlich des Rheins verlaufen. Eine Schwierigkeit ist nur, dass die Linie, die auf dem Ostufer am weitesten nach Süden läuft, die falsche Technologie bezüglich Bahnsteighöhen hat und so wird eher eine neue kombinierte Brücke im Süden Kölns in Betracht gezogen, die dann eine Linie mit der richtigen Bahnsteighöhe ermöglicht. Die Geschichte der Kölner Straßenbahn zeigt, dass das Liniennetz bis in die 50er Jahre viel dichter war und dann 1960 schon viele Stillegungen erfahren hatte. Hier sieht man die Tramnetze von 1960 und heute im Vergleich:

Kölner Tramnetz 1960
Kölner Tramnetz 1960
Kölner Tramnetz heute
Kölner Tramnetz heute

Ein bisschen unverständlich wirkt der erwogene Umbau der Ost-West-Linie, die heute oberirdisch verläuft, in eine Tunnelstrecke. Diese Ost-West-Linie ist heute oberirdisch gut ausgebaut und man kommt auf ihr einigermaßen schnell voran.

Es zeichnet sich ab, dass die Nord-Süd-Strecke wieder weitergebaut werden kann. Sie soll dann irgendwann mit neuen oberirdischen Gleisen wieder südliche Stadtteile erschließen, die einmal Straßenbahnen hatten. Und sie soll der Uferlinie, die bis nach Bonn führt, eine schnellere Anbindung in Richtung Hauptbahnhof ermöglichen.

Interessanterweise hört man nicht viel davon, dass in Richtung Norden, also nach Düsseldorf, Straßenbahnstrecken kommen sollen. Dort ist die Gegend auch dicht besiedelt und man hätte unterwegs viele Einwohner, denen man eine bessere ÖV-Anbindung schaffen könnte.

Das zweite System des Schienenverkehrs sind die S-Bahnen. Diese fahren bis weit ins Umland oder in die großen Nachbarstädte und sind innerstädtisch sehr schnell, wenn man zufällig in der Nähe eines der Bahnhöfe positioniert ist und sich auf die Zeiten einrichten kann. Das ganze zusammen mit dem sonstigen Regionalverkehr der Bahn und den Linienbussen ist Teil des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg, der insbesondere auch Bonn umfasst.

Was offensichtlich sehr hilfreich wäre, wäre ein einheitliches Tramsystem, bei dem alle Fahrzeuge uneingeschränkt auf allen Linien bzw. an allen Haltestellen verkehren können. Und nach Abschluss des Nord-Süd-Tunnels wohl eher ein Ausbau der oberirdischen Tramlinien, außer man entschließt sich, ein richtiges Metrosystem zu bauen, bei dem die einzelnen Züge mehr Leute befördern können und das auch tendenziell etwas höhere Geschwindigkeiten erlaubt.

Etwas bizarr ist, dass zu Tagen mit sehr hohem Verkehrsaufkommen, wie z.B. bei Karneval, nachts nur selten gefahren wird und man zum Teil eine halbe Stunde auf die nächste Straßenbahn warten muss, die dann eventuell noch so voll ist, dass man sowieso nicht mehr mitkommt. Wieso kann man bei solchen Gelegenheiten nicht nachts so häufig fahren wie tagsüber?

Ortsübliche Kündigungstermine

Eine Merkwürdigkeit aus der Schweiz sind „ortsübliche Kündigungstermine“ für Wohnungen. Man kann also normalweise Mietwohnungen in einigen Kantonen nur auf vier Termine im Jahr kündigen. Mich hat das zum Glück nie betroffen und das gilt auch nicht in allen Kantonen und für jede Wohnung. Aber es bleibt eine Absurdität mit vielen schwerwiegenden Nachteilen und kaum ernsthaften Vorteilen. Wir denken nur nicht darüber nach, weil wir es gewohnt sind und einfach nicht darauf gekommen sind, es zu hinterfragen. Ich will hier nicht darauf eingehen, wie absurd es ist, wenn die Umzugsunternehmen viermal im Jahr im Akkord arbeiten und sonst nur Grundlast bewältigen müssen oder wie das überhaupt funktionieren soll, denn damit habe ich zum Glück keine Erfahrung.

Aber die Regel, dass man Wohnungen nur auf das Monatsende kündigen kann, ist schon unsinnig und kostet rein volkswirtschaftlich auch viel. Sagen wir einmal, dass es 40’000’000 Haushalte in Deutschland gibt (Quelle). Sagen wir, diese ziehen alle zehn Jahre um, auch das ist etwa realistisch (Quelle).

Nun muss die Wohnung leer sein, gereinigt werden u.s.w. und wegen der Kündigung auf den Monatswechsel muss man auch bei hoher Nachfrage damit rechnen, dass die Wohnung etwa einen Monat leer steht. Das sind bei 4’000’000 Umzügen pro Jahr also im Durchschnitt 333’333 Wohnungen, die leer stehen, weil gerade umgezogen wird. Wenn wir mal von 500 EUR Monatsmiete ausgehen (Quelle) oder 6000 EUR Jahresmiete, jeweils kalt, sind das 2’000’000’000 EUR (zwei Milliarden!), die pro Jahr an Miete für solche technisch-umzugsbedingt leeren Wohnungen gezahlt werden, in diesem Fall von den Mietern. Das kann eine große Volkswirtschaft natürlich wegstecken, aber es ist doch eine Menge Geld und eine unnötige Verschwendung. Und es wären (auf Deutschland bezogen) ca. 165’000 zusätzliche Wohnungen im Markt, ohne eine einzige neu bauen zu müssen. Auf die Schweiz bezogen, sind die Zahlen natürlich anders, weil Umzugshäufigkeit, durchschnittliche Miethöhe, Einwohnerzahl und vor allem eben diese teilweise geltenden „ortsüblichen Kündigungstermine“ alle drei Monate statt wenigstens monatlich die Zahlen nochmal ändern.

Wenn man Wohnungen auf ein beliebiges Datum kündigen könnte, könnte dieser Zustand, in dem man alte und neue Wohnung gleichzeitig hat, erheblich verkürzt werden. Nun kann es passieren, dass man schon früher in die neue Wohnung kann, dass man einen Nachmieter findet, der früher in die alte Wohnung kann u.s.w. Aber ich denke, dass durch Kündigung auf ein beliebiges Datum sicher zwei Wochen Doppeltmiete pro Haushalt im Durchschnitt eingespart werden könnten, das wäre also eine Milliarde EUR pro Jahr, die man dadurch gewinnen könnte, dass man es Vermietern erschwert, Kündungsklauseln in Mietverträge zu schreiben, die nur auf Monatsende oder schlimmer noch auf „ortsübliche Kündigungstermine“ fixiert sind. Wir sind das zwar gewohnt, es ist aber Schwachsinn. Ich bin immer dafür, dass der Markt sich möglichst selber regelt. Gewisse Rahmenbedingungen kann man aber gesetzlich vorgeben und das sind wir auch gewohnt. Hier wäre es der Vorschlag, Vermieter von Wohnungen gesetzlich dazu zu verpflichten, Kündigungen auf ein beliebiges Datum zu akzeptieren. Die Miete für den angebrochenen Monat wird dann anteilig gezahlt, das kennt man schon von den Fällen, in denen es heute schon vorkommt, weil man etwa einen Nachmieter gefunden hat oder weil man zu einem krummen Datum in eine bereits leere Wohnung eingezogen ist. Feingranularer als auf Tage genau ist unsinnig, aber auf jeden beliebigen Tag ist sicher sinnvoll. Wer mag kann noch Feiertage und Wochenenden ausschließen, um Wohnungsübergaben am ersten Weihnachtsfeiertag zu vermeiden. Die Kündigungsfrist kann natürlich weiterhin lang sein, das ist eine andere, davon völlig unabhängige Frage. Drei Monate Kündigungsfrist bedeuten, dass man am 23. August eine Wohnung auf den 23. November kündigen kann.

Wir haben viele Dinge festgelegt, die wir so gewohnt sind und die bei genauerer Überprüfung überhaupt keinen Sinn ergeben. Während beliebige Termine für Kündigung von Mietverhältnissen wirklich für den Mieter, für die Wohnungsknappheit und für die Volkswirtschaft signifikante Vorteile bringen, kann man die Frage auch bei anderen Kündigungsterminen stellen. Warum müssen Arbeitsverträge immer auf einen Monatswechsel statt auf ein beliebiges Datum gekündigt werden (wieder mit der entsprechend unverändert langen Kündigungsfrist)? Auch hier könnte ein krummes Datum vorteilhafter sein.

Man kennt beide Modelle bei Jahres-, Wochen-, Monats- und Tageskarten für öffentliche Verkehrsmittel, Schwimmbäder, Museen u.s.w. Es gibt zum Teil die Karte, die ab sofort bis zum Ende des Tages, der Woche, des Monats oder des Jahres gilt, es gibt zum Teil auch die Karte, die ab sofort oder ab einem gewünschten Zeitpunkt 24 Stunden, 7 Tage, einen Monat oder ein Jahr lang gilt. Das zweite Modell ist viel nützlicher und letztlich sinnvoller für beide Seiten. Und doch sieht man das erste Modell noch oft. Ein krass absurdes Beispiel war ein Freibad, das man in Moskau am Ort einer abgerissenen Kirche gebaut hatte. Dort gab es eine Begrenzung des Aufenthaltes im Schwimmbad von ca. einer Stunde und das wurde so gelöst, dass zu jeder vollen Stunde alle draußen sein mussten. Wer kurz vor der vollen Stunde kam, musste warten, wer um halb kam, konnte nur kurz schwimmen und das Schwimmbad war 25-30% der Zeit leer und die Duschen und Umkleideräume ungleichmäßig ausgelastet. So stand es zumindest in der Zeitung, die zugegebenermaßen dem sowjetischen System nicht wohlwollend gegenüber stand. Aber es ist eine sehr milde Variante derselben hirnlosen Idee, die hinter den „Zügelterminen“ in Zürich steckt. Das Freibad ist inzwischen wieder der Kirche gewichen und was keiner für möglich gehalten hatte, ist passiert. Es kamen genug Spenden zusammen, um die Kirche wieder aufzubauen.

Es lohnt sich manchmal, Dinge, die wir nie hinterfragt habe, weil wir sie so gewohnt sind und uns nicht anders vorstellen können, doch zu hinterfragen. Und Gewohnheiten oder Regeln, die nur Nachteile und keine wirklichen Vorteile bringen, einfach abzuschaffen, sogar in manchen Fällen um den Preis einer neuen Regeln, die z.B. in Mietverträgen zwingend krumme Kündigungstermine erlaubt.

Fernheizung

Fernheizungsnetze zu bauen ist im Vergleich zu anderen Leitungsnetzen in einem Punkt anspruchsvoll: Man braucht eine gute Wärmeisolation, sonst wird das System witzlos. Man braucht im Wärmetauscher beim Konsumenten etwa eine Temperatur oberhalb von 333 K (60°C / 140°F), um auf thermischem Wege Legionellenbefall des Wassers zu verhindern, was Leitungsnetze erfordert, die mit entsprechend höheren Temperaturen arbeiten. Nun möchte man aber die Temperaturdifferenz zur Umgebung möglichst klein halten, damit die Wärmeverluste im Leitungsnetz und die Isolationskosten nicht zu hoch werden. Es gibt durchaus Möglichkeiten, mit niedrigeren Temperaturen zu arbeiten, was aber entsprechenden Mehraufwand bedingt und für gelegentlich benötigte höhere Temperaturen am Zielort zusätzliches Aufheizen oder eine Wärmepumpe erfordert.

Es verursacht schon einigen organisatorischen Aufwand solche Netze zu bauen, aber es ist in dicht besiedelten Gebieten sinnvoll. Warum?

Wenn in Kern- oder Verbrennungskraftwerken Wärmeenergie in mechanische Energie umgesetzt wird, hat man mit der thermodynamisch bedingten Begrenzung des Wirkungsgrades zu tun. Diese sind Wärmekraftmaschinen und es gilt für den Wirkungsgrad rein von der Thermodynamik her der Maximalwert:

    \[\eta_\text{Carnot} = \frac{T_\mathrm{max}-T_\mathrm{min}}{T_\mathrm{max}} = 1 - \frac{T_\mathrm{min}}{T_\mathrm{max}}\]

Real verschlechtert sich dieser noch, aber Wasserturbinen und Generatoren kann man vom Wirkungsgrad sehr weit in die Nähe von 100% bringen, was bei dem Schritt der Wandlung von Wärme in mechanische Energie hier nicht möglich ist. So haben Wärmekraftwerke reale Wirkungsgrade von 30 bis 45 %. Es gibt völlig andere Ansätze, wie Brennstoffzellen, die nicht dieser Begrenzung unterliegen, aber die sind keine Lösung für heutige Großkraftwerke und wir werden noch sehen, was für Wirkungsgrade sich damit erzielen lassen. Für Kernkraftwerke bringen Brennstoffzellen auch keine Verbesserung.

Die restliche Energie verschwindet als Abwärme über Kühlwasser in Flüssen und anderen Gewässern oder über Kühltürme in der Atmosphäre. Sie wird weggeworfen, wenn man mal von der möglichen erheblichen Umweltschädigung durch die Abwärme absieht, vor allem wenn Gewässer erheblich aufgeheizt werden.

Mit Fernwärme kann man diese Abwärme nutzen, mit relativ geringen Abstrichen beim elektrischen Wirkungsgrad des Kraftwerks. Heizt man mit Gas, wird dieses idealerweise zu einem sehr hohen Prozentsatz für die Wärmegenerierung genutzt. Heizt man elektrisch, nutzt man z.B. bei Strom aus einem Gaskraftwerk nur jene bis zu 45% für die Heizung, von Leitungsverlusten etc. einmal abgesehen. Nun kann der Strom aus Wasserkraft, Windenergie oder Sonnenenergie stammen. Aber wenn man ihn zur Wärmeerzeugung nutzt, verhindert man, dass dieser „Ökostrom“ Strom aus Kohlekraftwerken ersetzen kann, solange es in Europa noch erhebliche Mengen an Kohlestrom gibt. Deshalb gilt das auch in Ländern, die fast nur Ökostrom haben. Wenn auch dort mit Ausnahme von Island mit seiner geothermischen Energie keine Fernwärmenetzen sinnvoll mit Abwärme gespeist werden können, ist es doch für die Gesamtbilanz nützlich, wenn man in Ländern wie Norwegen mit Gas und nicht mit Strom heizt und einen Stromüberschuss exportiert. Dasselbe gilt erst recht für Kantone mit hohem Wasserkraftanteil in der Schweiz.

Fernwärmenetze kann man bis etwa 20-30 km Leitungslänge bauen, wenn die Besiedlungsdichte im Zielgebiet hoch genug ist. Z.B. könnte man in der Schweiz Abwärme von Kernkraftwerken nutzen, um die nahe gelegenen Orte mit Fernwärme zu versorgen. Es gibt Fernwärmenetze, die von der Abwärme von Kernkraftwerken gespeist werden und man braucht sich keine Sorgen zu machen, dass im Heizkörper radioaktives Wasser landet. Es finden sich in dem Fall zwei Wärmetauscher zwischen dem Reaktorkern und dem Heizkörper, einer im Haus und einer im Kernkraftwerk. Auch die Kühltürme verdampfen nicht radioaktives Wasser aus dem Primärkreislauf, das wäre sonst wahrscheinlich schädlicher als ein normalerweise abgeschlossener Heizkörper.

Interessant ist die Verbreitung von Fernwärme in verschiedenen Ländern. In den Vereinigten Staaten wurde dieser Energieträger schon früh benutzt und es gibt in einigen Städten entsprechende, inzwischen leicht veraltete Netze. Aber dort ist der Anteil der Fernwärme nur bei 5%, während Russland, Lettland, die Ukraine und Dänemark auf über 60% kommen. Deutschland liegt mit etwa 20% im Mittelfeld.

Es bleibt zu hoffen, dass die Länder mit gut ausgebauten, aber leicht veralteten Netzen diese renovieren und nicht auf ineffizientere Verfahren zurückfallen. Und dass diese umweltfreundliche Energieform auch in dicht besiedelten Gebieten anderer Ländern Zulauf finden wird.

Sprachen lernen mit Apps

Es gibt inzwischen eine Fülle von Software und Webseiten, um Sprachen zu lernen.
Ich verwende zur Zeit die drei Android-Apps

Es gibt noch sehr viel mehr davon, die ich aber nicht kenne.

Diese funktionieren alle als Apps auf meinem Android-Telefon und auf meinem Android-Tablet und ich benutze sie in der Form, weil ich hauptsächlich unterwegs damit lerne.

Grundsätzlich sollte man immer daran denken, dass es schwierig ist, alleine mit so einer App eine Sprache zu lernen, einfach weil das einseitig ist und letztlich das Lesen, Schreiben, Verstehen, aber nicht das Sprechen geübt werden kann. Sprechübungen könnten einige der Apps auch, aber das macht man im Zug unterwegs nicht und es soll auch nicht sehr gut funktionieren. Auch Grammatik lernt man bestenfalls anhand vieler Beispiele, wie es wohl ungefähr gehen könnte, aber die Systematik fehlt. Ob man die überhaupt braucht, um die Sprache zu lernen, sei dahingestellt, aber es ist doch interessant und manchmal hilfreich.

Deshalb ist es sinnvoll, gelegentlich Sprachunterricht dazu zu nehmen. Für mich hat sich bewährt, etwa einmal im Monat Einzelunterricht zu nehmen. Mal öfter, mal seltener, mal einen ganzen Tag oder mal nur eine Stunde. So kann man vermeiden, in die Sackgasse zu lernen, weil man immer mit einem qualifizierten Menschen überprüfen und korrigieren kann, um keine Fehler einzuschleifen und um die Lücken, die die App lässt zu schließen.

Was natürlich auch hilft, ist zu lesen. Das ist aber erst ab einem gewissen Level sinnvoll möglich, weil die meisten Sprachen Unregelmäßigkeiten in der Rechtschreibung haben, die es erschweren, unbekannte Wörter richtig vorzulesen. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl, der Anteil der unbekannten Wörter wird kleiner und man kann sogar die Aussprache von unbekannten Wörtern oft richtig raten. Bei Chinesisch ist das schwierig, bei Arabisch auch noch recht anspruchsvoll und auch Englisch ist sehr sehr unregelmäßig. Aber auch bei halbwegs regelmäßigen Sprachen gibt es Ausnahmen und einzelne Aspekte der Aussprache, die vom Wort oder sogar von der Wortform abhängen und sich nicht aus dem geschriebenen Wort erschließen.

Hören kann man leicht üben, es gibt in Youtube und anderen Video-Seiten beliebig viel Material, aber auch das ist schon für den Anfang noch etwas schwierig. Und ja, man kann auch Bücher über Grammatik lesen. Ich habe mal damit angefangen und einige gekauft. Und ein paar Seiten gelesen.

Letztlich ist das, was man meistens zu wenig macht, Vokabeln lernen. Vielleicht gibt es mal eine Phase mit hoher Motivation, aber so auf längere Sicht bleiben die Vokabeln auf der Strecke oder kommen langsam mit der Zeit, wenn man mal so weit ist, die Sprache real zu verwenden. Aber um Vokabeln und deren Rechtschreibung zu lernen sind die Apps gut. Vielleicht ist das sogar das einzige, was sie wirklich können. Das liegt daran, dass es in gewisser Weise gamifiziert wird.

Nun zu den Apps, die oben erwähnt wurden. Duolingo benutze ich schon am längsten, aber es hat vor ein paar Wochen ein Update gegeben und seither funktioniert es anders als früher. Bei aller Skepsis kann man diese Änderung als Verbesserung begreifen. Duolingo hat verschiedene Arten von Übungen, man muss etwas hören und schreiben, etwas übersetzen oder Wörter zuordnen. Es kommen viele Sätze und nicht nur Wörter dran, wodurch man Formen und Grammatik implizit etwas mitbekommt. Die meisten Sprachen kann man nur von Englisch als Basissprache lernen, aber gelegentlich kann es mal interessant sein, so etwas wie Spanisch für Russischsprachige zu machen. Generell ist das Umschalten der Basissprache etwas aufwändiger und man will das nicht andauernd machen. Das heutige Duolingo kann einen recht lange beschäftigen. Jede Sprache hat einen „Baum“ mit 50 bis 100 Kreisen. Jeder Kreis hat 1 bis 20 Lektionen, die jeweils etwas 20 Übungen enthalten. Übungen, bei denen man Fehler macht, werden einfach so lange immer wieder vorgesetzt, bis man sie einmal richtig hatte. Die Kreise stehen in Reihen mit je ein bis drei Kreisen und man kommt an die tieferen Reihen nur, wenn man die vorige Reihe gemacht hat. Hat man alle Lektionen eines Kreises gemacht, steigt dieser auf das nächsthöhere Level auf. Es gibt davon insgesamt fünf und sie werden immer schwieriger und umfangreicher. Man kann also mit Level eins einen Baum abschließen, aber man kann auch auf höhere Level gehen und sich so mit einer Sprache sehr lange beschäftigen. Es gibt noch „Clubs“, die man zu jeder Sprache gründen kann oder zu denen man beitreten kann. Man kann den High-Score im Club haben u.s.w. Die bezahlte Version von Duolingo hat den Vorteil, dass man auch offline etwas machen kann, aber in der Praxis bringt das relativ wenig, weil zumindest die höheren Level nur online funktionieren.

Memrise hat den Gamification-Aspekt noch mehr integriert und die Übungen sind noch prägnanter und machen vielleicht noch mehr Spaß. Es gibt nur Vokabeln und kurze Phrasen und Sätze, die man wort- bzw. buchstabengenau kennen muss, bis sie als gelernt gelten. Es wird sehr viel wiederholt. Man lernt als eine kleine Menge von hoffentlich wichtigen Vokabeln sehr gut. Wenn man eine Sprache sucht und bei Duolingo nicht findet, kann es sein, dass man bei Memrise etwas findet. Umgekehrt mag es auch vorkommen, aber das habe ich noch nicht gesucht. Interessant ist z.B., dass Duolingo „Norwegisch“ anbietet, aber dabei auf Bokmål setzt, während man bei Memrise auch Nynorsk findet. Das finde ich für nützlicher, weil näher an der gesprochenen Sprache liegt, vor allem in Westnorwegen.

„Russian Fun Easy Learn“ bietet 6000 Wörter, die nach Themenbereichen gegliedert sind. Während also Duolingo und erst recht Memrise sozusagen einen „Grundwortschatz“ bedienen, ist hier eher ein „Aufbauwortschatz“ das Thema. Man hat Bereiche von 20 bis 120 Wörtern zu einem Thema und verschiedene Durchläufe, um mit Multiple-Choice o.ä. die gehörten oder gelesenen Wörter in der anderen Sprache zu finden. Es hilft vor allem für den passiven Wortschatz. Es gibt dasselbe auch für Sätze und auch für andere Sprachen. Ich finde es nützlich, aber es gefällt mir etwas weniger als Memrise und Duolingo.

Insgesamt möchte ich sagen, dass das, was diese Apps versprechen, übertrieben ist. Man kann nicht einfach x mal so schnell lernen wie in einem Kurs, aber die Vokabeln lernt man so viel besser und dass es nicht genau diejenigen sind, die im Kurs drankamen, ist nicht so schlimm. Wenn man einen regulären Kurs macht, muss man natürlich die dortigen Vokabeln auf klassische Weise anschauen, um die wichtigsten Wörter, die nicht in der App dabei sind, auch im Griff zu haben. Aber etwas Mut zur Lücke darf man immer haben, denn man wird ja in jeder Sprache damit umgehen müssen, gelegentlich ein Wort nicht zu kennen oder es durch mehrfaches Hören aus dem Kontext kennenzulernen. Die klassischen Vokabelhefte, in denen man sich die Wörter aufschreibt und dann lernt, benutze ich seit langem nicht mehr.

Was hat es gebracht? Ich spreche jetzt Russisch etwa so gut, wie jemand, der Abitur oder Matura gemacht hat und nicht speziell sich in dieser Richtung vertieft hat, Englisch kann. Spanisch und Schwedisch kann ich im Prinzip auch fast so gut, aber ich brauche etwas Zeit in dem Land oder mit Muttersprachlern, um das wieder präsent zu bekommen, weil ich diese Sprachen zur Zeit sehr selten verwende. Ich denke, dass sich die Kombination aus diesen Apps mit Sprachpraxis und Unterricht grundsätzlich bewährt hat.

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Hier sind noch meine Duolingo-Stände. Vielleicht dienen sie der Unterhaltung:

Duolingo Esperanto 2018-05-29
Duolingo Esperanto 2018-05-29
Duolingo Schwedisch 2018-05-29
Duolingo Schwedisch 2018-05-29
Duolingo Russisch 2018-05-29
Duolingo Russisch 2018-05-29
Duolingo Spanisch für Russischsprachige 2018-05-29
Duolingo Spanisch für Russischsprachige 2018-05-29

Trolleybusse

Trolleybusse oder Oberleitungsbusse findet man vor allem in Russland, der Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion und in der Schweiz, aber auch noch relativ häufig z.B. in Italien, der tschechischen Republik, der Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Nordkorea und China. Neben dem „Milizsystem“ scheint es also noch eine andere Gemeinsamkeit zwischen der Schweiz und der ehemaligen Sowjetunion zu geben. 🙂

Auf der Krim gibt es eine Überlandbuslinie mit Oberleitungsbussen, die etwa 86.5 Kilometer lang ist. In der Schweiz gibt es auch eine Überland-Trolleybuslinie am Nordufer des Genfer Sees, aber die ist nur 12.5 km lang.

Auch in der Schweiz wurden in den letzten Jahren einige Trolleybussysteme aufgegeben, z.B. in Basel 2008, wo man diese Entscheidung bewusst getroffen hat, weil man meinte, dass moderne Dieselbusse keine großen Nachteile mehr gegenüber Trolleybussen bieten. Und in La Chaux-de-Fonds hat man sie 2014 aufgegeben, weil für eine Großbaustelle im Bahnhofsbereich die Oberleitungen demontiert werden mussten und dann bei der Gelegenheit entschieden wurde, sie nicht danach wieder aufzuhängen. Anderswo werden aber auch Trolleybussysteme erweitert oder zum Teil (wieder-)eröffnet. Im Gegensatz zur Straßenbahn kann man von einer echten Renaissance aber wohl nicht sprechen.

Es gibt einige Mischformen, die ein bisschen an Straßenbahnen erinnern z.B. das Translohrsystem in Venedig oder das TVR-System in Nancy. Diese Systeme erinnern an Straßenbahnen mit nur einer Schiene, die sowohl der Spurführung als auch als Stromleiter dient, aber das Gewicht ruht wie bei Bussen zumindest teilweise auf Gummirädern, die man wegen der Verkleidung eventuell nicht sieht.

Schon etwa um 1980 herum geisterte die Idee herum, dass man die Oberleitung nur streckenweise bauen müsse und dann auf diesen Teilstrecken Akkus aufladen könnte, mit denen man dann den Rest fahren könnte. Damals waren die Akkus dafür noch nicht wirklich gut genug, sie waren außerdem zu schwer, zu wartungsintensiv, zu teuer und die Zeit zum Aufladen war viel zu lang. Außerdem haben heutige Trolleybusse sicher einigen Aufwand für die „Einfädelung“ am Beginn der Oberleitung, was aber wohl lösbar ist.

Trotzdem kann man heute kann man die Frage aber neu stellen. Sowohl mit Kondensatoren als auch mit Akkus lässt sich einiges machen und die Preise sind realistisch geworden. Vielleicht ist die Zukunft des elektrischen Stadtbusses, dass man Strecken mit hoher Verkehrsdichte mit Oberleitung befährt, aber etwa in den Außenbezirken auf gespeicherten Strom aus Akkus oder vielleicht auch aus Kondensatoren zurückgreift. Man kann auch an den Endstationen Akkus aufladen, aber das zwingt dazu, den teuren Bus relativ lange Zeit ohne Transportfunktion dort stehen zu haben. Wenn sich das Problem der Einfädelung der Stromabnehmer am Anfang eines Abschnitts mit Oberleitung zuverlässig lösen lässt, wäre der nächste logische Schritt, solche Linien zu betreiben, die auf einem Teil ihrer Länge eine Oberleitung haben. Das kann neben häufig befahrenen Abschnitten (z.B. mit Bündelung vieler Linien) auch auf Steigungen und Gefällestrecken sinnvoll sein und auf Strecken mit vielen Ampeln, niedrigerer Geschwindigkeit oder eben auf einem kurzen Abschnitt, der die Endstation einschließt. Dort wird mehr Energie benötigt, Energie beim Bremsen abgegeben oder das Fahrzeug hält sich einfach länger dort auf und kann so seinen Energiespeicher aufladen.

Für Linien mit hohem Verkehrsaufkommen sollte man aber in Betracht ziehen, auf Trams (Straßenbahnen) zu setzen. Ob sich die Trolleybusse auf Dauer in der Nische zwischen Tram und Bus halten können, ob sie ihre Nische wegen der verbesserten Akku-Technik ausbauen können oder ob sie verschwinden, wird die Zukunft zeigen. Heute sind sie sicher eine interessante Lösung für Verkehrsbetriebe oder auch für einzelne Linien, deren Verkehrsaufkommen zwar hoch ist, aber nicht hoch genug für eine Straßenbahnlinie.

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Bahnhöfe in Deutschland, Italien und der Schweiz

Es wird viel über Stuttgart 21 diskutiert, auch in (diesem Blog, 2013, 2013, 2012, 2013,….). Kurz zusammengefasst verspricht man sich von Stuttgart 21, größere Flächen in der Stadt, die heute durch Bahnanlagen belegt werden, städtebaulich nutzen zu können. Ursprünglich glaubte man einmal, dass sich das Projekt dadurch selbst finanzieren könnte. Man kann auch mit einem kleinen Fahrzeitgewinn für die ICE-Züge von Mannheim über Stuttgart nach Ulm argumentieren. Andere Verbindungen werden eher langsamer, z.B. von Zürich nach Stuttgart wegen des spitzwinkligen Umweges über den Flughafen. Außerdem ist die Frage, ob die Kapazität mit acht Gleisen und nur zweigleisigen Zufahrtsstrecken ausreichen wird, um einen guten und stabilen Zugverkehr mit guten Anschlüssen überhaupt zu ermöglichen, was mit dem jetzigen Stuttgarter Hauptbahnhof mit 16 Gleisen plus zwei unterirdischen S-Bahn-Gleisen und sehr leistungsfähigen Gleisanlagen sicher gut machbar wäre.

Nun schaut man sich Luzern an. Dort wird auch ein „Tiefbahnhof“ unterhalb des jetzigen Bahnhofs verfolgt, wenn auch noch keine Finanzierung in Sicht ist. Nun hat Luzern einen Kopfbahnhof, der ähnlich wie der Stuttgarter Hauptbahnhof 16 Gleise hat, wobei die beiden äußeren Gleise zur Zeit nicht genutzt werden und keine brauchbaren Bahnsteige aufweisen. Nun hat Luzern 80’000 Einwohner und Stuttgart hat 630’000 Einwohner. Jeweils sollte man die Agglomeration oder Metropolregion betrachten, die in beiden Fällen wesentlich größer ist und nicht die zufälligen Gemeindegrenzen. Die 16 Gleise in Luzern reichen gut aus, man könnte die beiden ungenutzten Gleise noch aktivieren, wenn es Bedarf dafür gäbe. Der Nachteil sind die Zufahrtsstrecken. Wichtige Zufahrtsstrecken sind in der Nähe von Luzern nur eingleisig und sie vereinigen sich ebenerdig zu einer einzigen zweigleisigen Strecke. Nur die Schmalspurbahn in Richtung Meiringen, Stans, Engelberg und Interlaken ist davon getrennt. Die jetzige Bahnhofseinfahrt kostet sehr viel Zeit und stellt einen Kapazitätsengpass dar und gefährdet die Stabilität des Fahrplans, vor allem auf der wichtigen Nord-Süd-Strecke von Basel zum Gotthard-Tunnel und auf der Strecke von Zug und Zürich nach Luzern. Es soll zumindest die Strecke von Zürich durch einen Tunnel in einen unterirdischen Bahnhof, der in der ersten Phase ein Kopfbahnhof mit entgegengesetzter Orientierung wäre, geführt werden. Das würde die Fahrzeiten verkürzen und Kapazitäten in dieser Richtung schaffen sowie für alle anderen Richtungen Kapazitäten freigeben. In einer späteren Phase könnten mehr Verbindungen dort angeschlossen werden und auch die Nord-Süd-Strecke profitieren. Im Gegensatz zu Stuttgart soll hier primär eine unterdimensionierte Gleisanlage durch zusätzliche unterirdische Gleise erweitert werden, während es in Stuttgart genau umgekehrt ist und leistungsfähige Gleisanlagen zugunsten von städtebaulichen Projekten beseitigt werden. Warum reißt man nicht mal flächenintensive Autobahnen und Autostraßen in dicht besiedelten Gebieten ab, um Flächen für städtebauliche Projekte zu erhalten? In Zürich hat man es getan, ein paar Kilometer Autobahn wurden abgerissen, wohl als Ausgleichsmaßnahme für durch die Fußballeuropameisterschaft zusätzlich generierten Verkehr, was allerdings durch gleichzeitig durchgeführte Neubauten stark relativiert wird…

Ähnlich verhält es sich mit Hamburg und Bern. Auch das sind „Schwesterbahnhöfe“, die sich ähneln. Beide haben einen viergleisigen S-Bahn-Teil, der separat vom Rest des Bahnhofs ist, wobei in Bern zusätzlich auch S-Bahnen auf dem regulären Teil verkehren. Das kann man in Hamburg auch so sehen, weil viele Regionalverkehrslinien, die in Hamburg früher auch „S-Bahn“ genannt wurden, heute als Regionalbahn bezeichnet werden, während man in Bern vergleichbare Linien als S-Bahn bezeichnet. Der Hamburger Hauptbahnhof ist sehr überlastet. Der Berner ist viel weniger überlastet, hat aber auch Kapazitätsprobleme, vor allem jeweils zu den vollen und halben Stunden, wenn alle Züge sich dort für gute Anschlüsse treffen. Aber doch macht man sich nur in Bern ernsthafte Überlegungen, den Bahnhof durch unterirdische Bahnsteiggleise zu erweitern. In Hamburg werden nur kleine Projekte zur Optimierung der Nutzung verfolgt, z.B. können an manchen Gleisen zwei kurze Züge gleichzeitig halten, was auch in Bern praktiziert wird.

Warum ist das so wichtig? Die Bahn lebt davon, ein System zu sein, das aus vielen Zugverbindungen zusammengesetzt ist, die zusammen passen und sich ergänzen. Dafür sind gute Umsteigeverbindungen wichtig, wie man sie relativ gut in großen und wichtigen Bahnhöfen hinbekommen kann. Nimmt man z.B. Hamburg als Beispiel und verteilt das Umsteigen auf die drei Bahnhöfe Hamburg Hbf, Hamburg Altona (neu oder alt), und Hamburg Harburg, dann stellt sich die Frage, wie die ganzen Anschlüsse funktionieren sollen. Man kann die Pariser Lösung wählen und jeder Zug hält an einem der drei Bahnhöfe und man nimmt mit S-Bahn oder U-Bahn einen Bahnhofswechsel vor. Dann kostet das Umsteigen 30-90 Minuten und damit werden diese Umsteigeverbindungen extrem unattraktiv und verlieren an Konkurrenzfähigkeit mit anderen Verkehrsmitteln. Das lässt sich schmerzhaft an den Bahnverbindungen über Paris nach London feststellen. Man könnte auch festlegen, dass jeder Zug an mindestens zwei von drei Bahnhöfen hält, dann wäre zwischen je zwei Zügen immer an einem Bahnhof eine Umsteigemöglichkeit vorhanden. Da der Hauptbahnhof zwischen Altona und Harburg liegt, wäre dabei nicht viel gewonnen, weil sowieso für jeden Zug einer der Halte wäre. Nun könnte man einen vierten Bahnhof in die Gleichung aufnehmen, z.B. Berliner Tor und einführen, dass jeder Zug an zwei Bahnhöfen außer dem Hauptbahnhof halten muss. Dann könnten einige Züge von Berlin und Lübeck am Hauptbahnhof vorbei fahren und in Berliner Tor und Harburg halten. Und die Züge von Schleswig-Holstein müssten nach Niedersachsen durchgebunden werden und auch in Harburg halten. Man kann so etwas machen, aber im Idealfall hat man 2/3 der Züge immer noch an jedem der drei Umsteigebahnhöfe und man braucht mehr Halte und mehr Durchbindungen von Zügen, was den Betrieb komplexer und weniger flexibel macht. Der normale und sinnvolle Weg ist, dass fast alle Züge an einem zentralen Bahnhof halten. Es mag ein paar spezielle Züge geben, die diesen umfahren, solange aus den entsprechenden Richtungen z.B. alle 30 min der zentrale Bahnhof angefahren wird. Typisch wären z.B. zusätzlich Züge zur Hauptverkehrszeit, die aus Richtung Lübeck am Hauptbahnhof vorbei nach Harburg fahren.

Nun bringt es wirklich sehr viel, wenn man ohne Erhöhung des Stromverbrauchs schneller werden will oder wenn man ohne Senkung der Fahrzeit weniger Strom brauchen will, seltener zu halten. Ein raffiniertes System von Halten und dem Auslassen von Halten ist hier förderlich. Da nun aber ein sehr hoher Prozentsatz der Fahrgäste in wichtigen Knoten wie Frankfurt, Hamburg, Köln, Stuttgart oder Zürich umsteigen will oder sogar am Ziel der Reise ist, kann man nur begrenzt sinnvoll Züge daran vorbeiführen. 5-10% der Züge mögen dafür geeignet sein und es gab z.B. mal Züge von Basel zum Flughafen, die in Zürich und Umgebung einige Male hielten, aber zeitsparend den Hauptbahnhof umfuhren. Natürlich gab es außerdem alle 30 min reguläre Züge, die Nonstop von Basel nach Zürich zwischen den Hauptbahnhöfen fuhren und weitere Züge mit verschiedenen Kombinationen von Unterwegshalten. So etwas ist möglich und sinnvoll, nur heute hält der Zug zum Flughafen auch im Hauptbahnhof, weil der Zeitverlust dafür durch den neuen Tunnelbahnhof so klein geworden ist, dass es nicht mehr so viel schadet.

Eine gute Bahninfrastruktur hat also in bestimmten Knotenbahnhöfen richtig leistungsfähige Bahnhöfe mit genug Gleisen, Brücken und Tunneln bei den Zufahrten zur Entflechtung gleichzeitiger Fahrten und sehr guten und umfangreichen Umsteigemöglichkeiten und in zentraler Lage. Man kann dann mit einem guten Takt schnellere Züge mit sehr wenigen Halten und Züge mit verschieden Kombinationen von Unterwegshalten anbieten und natürlich z.B. zur Hauptverkehrszeit auch einzelne direkte Züge anbieten, die den großen Knoten umfahren. Das ist konsequentes Ziel des Bahnausbaus in der Schweiz, auch wenn es lange dauert, das umzusetzen, weil das Bauen in der Innenstadt sehr teuer ist. In Zürich hat man das getan. In Bern, Basel und Luzern gibt es Projekte, mit zugegebenermaßen ungewisser Finanzierung, aber man denkt in die richtige Richtung.

In Hamburg denkt man nicht ernsthaft daran, den Hauptbahnhof und dessen Zufahrten in Richtung Nordwesten zu erweitern. In Köln hat man faktisch zwei Bahnhöfe mit Bahnhofswechsel, allerdings ist der Hauptbahnhof relativ gut angeschlossen. Dort hätte man noch Platz für mindestens zwei zusätzliche Gleise und es gibt wohl auch vage Pläne dazu. Über Stuttgart wurde schon geschrieben.

In Italien fällt es manchmal schwer, das Gesamtsystem oder die Gesamtvision zu erkennen. Man hat schon in den 20er und 30er Jahren Hochgeschwindigkeitsstrecken gebaut, die für 180-200 km/h geeignet waren, z.B. zwischen Florenz und Bologna und zwischen Rom und Neapel. Das Hochgeschwindigkeitsnetz ist schon heute gut ausgebaut und wächst auf sinnvolle Weise weiter, vielleicht passiert auch international etwas, z.B. Turin-Lyon, Gotthard-Mailand und Verona-Brenner oder sogar Triest-Slowenien und Wien-Venedig. Gibt es einen zuverlässigen Betrieb? Vielleicht. Sicher besser als der Ruf, aber der schlechte Ruf ist auch nicht total aus Phantasie entstanden. Gibt es gute Anschlüsse? Sicher nicht so systematisch wie in der Schweiz, aber vielleicht gab und gibt es da Verbesserungen. Ein riesiger Vorteil sind die großen Bahnhöfe in den wichtigeren Städten. Mailand, Venedig, Bologna, Rom, Bari, Neapel, Genua, Turin und Florenz haben jeweils im wichtigsten Bahnhof etwa 20-30 Gleise und gerade Bologna ist schon vorher groß gewesen und hat durch die Schnellfahrstrecke noch zusätzliche unterirdische Gleise erhalten. Das ist eine schöne Ausgangslage, von der man in Deutschland und in der Schweiz träumen kann. Kleinere Optimierungen würden sicher auch dem italienischen Bahnnetz gut tun, aber die teuren Sachen, wie die schnellen Bahnstrecken mit genügend vielen Gleisen zwischen den Metropolen und die leistungsfähigen Hauptbahnhöfe in den Metropolen sind schon vorhanden. An meine italienischen Leser: Macht was daraus, macht damit eine der besten Bahnen der Welt!

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Tunnel von Helsinki nach Tallinn

Man liest gelegentlich darüber, dass es Überlegungen gibt, einen Tunnel von Helsinki nach Tallinn (Reval) zu bauen. Dafür wird gelegentlich der Name „FinEst-Link“ oder „FinEst Link“ verwendet.

Vergleich Ärmelkanal

Auf den ersten Blick erscheint das etwas abwegig. Die Strecke ist mindestens so lang wie von Frankreich nach England und es wohnen in Finnland nur knapp ein Zehntel so viele Menschen wie in Großbritannien. Außerdem könnte man schon heute fährenfreie Bahnverbindungen von Mitteleuropa nach Finnland aufbauen, indem man über Russland oder über Schweden fährt. Aber grundsätzlich könnten Finnland und Estland so einen Tunnel bezahlen, wenn sie es wollen.

Spurweite & Vierschienengleis

Eine weitere Herausforderung ist, dass Finnland und Russland und die baltischen Ländern die Russische Breitspur von 1520 bzw. 1524 mm verwenden, während das sonstige Mitteleuropa überwiegend auf Normalspur setzt. Die Rail Baltica-Verbindung von Warschau nach Tallinn soll nun auch in Normalspur gebaut werden, so dass man in Tallinn oder in Helsinki einen Spurweitenwechsel hätte. Mit einem Vierschienengleis und einem etwas größeren Tunnelquerschnitt könnte man auch im Tunnel beide Spurweiten anbieten. Das sollte man unbedingt tun, falls gebaut wird.

Erfahrung mit großen Tunnelprojekten

Auf der anderen Seite hat man inzwischen seit der Eröffnung von Seikan-Tunnel und Eurotunnel dreißig Jahre Erfahrung im Tunnelbau gesammelt. Man traut sich an Projekte, die man früher nicht in Angriff genommen hätte und es entstanden und entstehen einige sehr lange Tunnel unter Wasser oder auch im Gebirge. Bis 1982 war der Simplontunnel der längste Tunnel der Welt, wobei wir hier nur Tunnel zählen, die Verkehrswege beinhalten. Heute ist er etwa auf Platz 25. Es lässt sich also so ein Projekt heute viel besser abschätzen und bauen als vor 30 Jahren. Für reinen Wassertransport, zur Trinkwasserversorgung oder für Wasserkraftwerke hat man übrigens auch viel längere „Tunnel“ (oder auch in Nordamerika) schon gebaut, was aber in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar ist mit Verkehrswegen. Dafür konnte man es schon vor langer Zeit.

Nahverkehr

Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass Verkehr zu einem großen Teil ziemlich lokal ist. Zwischen Frankreich und England gibt es einen Sprachgrenze und demnächst vielleicht sogar eine EU-Außengrenze. Die Gegenden beidseits des Ärmelkanals sind zwar relativ dicht besiedelt, aber sie orientieren sich beide in hohem Maße zu ihren Metropolen London und Paris. Das ist bei der Verbindung zwischen Estland und Finnland anders. Ähnlich wie zwischen Malmö und Kopenhagen gibt es hier nur eine „schwache Sprachgrenze“, Estnisch und Finnisch sind wie Dänisch und Schwedisch nah miteinander verwandt. Die Menschen können sich mit etwas Übung und gutem Willen und reduziertem Sprechtempo in ihrer Muttersprache miteinander verständigen und das wird wohl auch häufig so gemacht. Man kann das Fernsehen von der anderen Seite des Wassers sehen, was wohl in Estland zur Zeit der sowjetischen Besatzung auch gerne getan wurde. Und man orientiert sich jetzt nach der Grenzöffnung in Estland wohl auch mehr zum nördlichen Nachbarland als zu dem ebenfalls sympathischen östlichen Nachbarland, mit dem die Geschichte leider etwas belastet ist und zu dem es eine weit weniger durchlässige Grenze gibt.

In diesem Fall sind die Hauptstädte jeweils die bei weitem größten Städte des Landes und sie liegen praktisch genau gegenüber am Wasser. In beiden Städten existiert öffentlicher Personennahverkehr, so dass man auch an das eigentliche Ziel kommen kann. Man könnte also damit rechnen, dass so ein Tunnel rege im Nahverkehr genutzt würde, sei es für Arbeitswege, für binationale Firmen auf beiden Seiten des Wassers, zum Einkaufen oder auch um von Estland aus den Flughafen von Helsinki anzusteuern, der sehr viel bessere Verbindungen als Tallinn bietet. Hoffentlich kann man einen möglichst großen Teil des Fernverkehrs auf die Schiene verlagern und braucht den Flughafen weniger.

Fernverkehr

Gut wäre es natürlich, wenn man auf Rail-Baltica schnelle Nachtzüge haben würde und dann von Helsinki, Tallinn und Riga z.B. über Nacht in ca. 10-14 Stunden nach Wien, Berlin oder Frankfurt fahren könnte.

Auf jeden Fall könnten Fernverkehrsverbindungen interessant werden, die zwischen der südlichen Hälfte von Finnland und dem Baltikum verkehren. Und es ist inzwischen wahrscheinlich geworden, dass eine Bahnverbindung von Rovaniemi nach Kirkenes gebaut wird, die wahrscheinlich auch tagsüber und nachts jeweils mindestens einmal mit Reisezügen befahren werden wird. Allerdings könnte man dann vom westlichen Mitteleuropa bis nach Kirkenes auch fahren, wenn nur der grenzüberschreitende Verkehr zwischen Schweden und Finnland am nördlichen Ende der Ostsee verbessert würde. Damit wäre aber zu rechnen, wenn die Norrbotniabanan bis Luleå und eben jene Bahn nach Kirkenes gebaut würden.

Güterverkehr

Eine wichtige Frage ist der Güterverkehr. Finnland hat Güterverkehr mit Russland, mit den anderen nordischen Ländern, mit Übersee und mit Mitteleuropa und der EU. Für den Verkehr nach Übersee ist sicher Kirkenes einmal wichtig, wenn das soweit kommt und vielleicht wird man auch über Russland mit der Bahn nach Ostasien vermehrt Güter transportieren. Aber für den Warenaustausch mit Mitteleuropa und den meisten EU-Ländern wäre sicher die Verbindung über die baltischen Länder ideal, wenn es sie gäbe. Es bleibt das Problem der unterschiedlichen Spurweiten, aber ein Tunnel, mit Vierschienengleis könnte helfen, weil dann sowohl der Güterverkehr in die baltischen Länder mit Breitspur als auch der Güterverkehr via „Rail Baltica“ nach Mitteleuropa auf Normalspur laufen könnte, wenn man die Container in der Nähe von Helsinki umlädt.

Eine Frage ist, ob die Bahnverbindung von Nordfinnland nach Kirkenes durch diesen Tunnel im Güterverkehr besser genutzt werden könnte. Ich glaube nicht, dass das eine sehr große Rolle spielen wird. Vom westlichen Mitteleuropa wird man via Schweden nach Kirkenes kommen oder weiterhin die Häfen in Rotterdam und Antwerpen benutzen. Für die baltischen Länder könnte es interessant werden, einen Teil ihres Außenhandels über Kirkenes durchzuführen, aber ich würde damit rechnen, dass auch langfristig mehr als 80% des Warenumschlags in Kirkenes von Finnland, Norwegen und eventuell einmal grenznahen Gebieten Russlands generiert werden. Die baltischen Länder haben eigene Häfen, und sie können viele Häfen in ganz Europa nutzen, wenn ein langer Landweg zum Hafen möglich ist.

Fazit

Es sollte klar sein, dass man nur einen Bahntunnel und keinen Straßentunnel baut.

Lohnt es sich? Ich weiß es nicht, ich bleibe etwas skeptisch. Letztlich wäre es sicher gut zu rechtfertigen, einen Teil des Projekts von der EU zu finanzieren. Hauptnutznießer wären aber Estland und Finnland und deren Hauptstadtregionen. Wenn man dort meint, dass der Gewinn durch den Tunnel so groß ist, dass sich das aufwendige Projekt lohnt, wenn es z.B. zu 20 % von der EU, zu 40% von den beteiligten Ländern und zu 40% von den beiden Hauptstadtregionen finanziert werden könnte, dann kann man es bauen.

Die Anbindung von Finnland zum nordnorwegischen Hafen in Kirkenes lohnt sich auf jeden Fall auch ohne diesen Tunnel. Und sie ist ein um eine Größenordnung kleineres Projekt, was das Preisschild betrifft, wenn auch um eine Größenordnung größer, was die Streckenlänge betrifft.

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